Brücken (Regina Bendix)

Brücken (Regina Bendix)

Liebe Gisela,

eine kleine Spurensuche dazu, wo sich unsere Wege kreuzten, geht weit über die gemeinsame Tätigkeit für Ethnologia Europaea hinaus, und auch über die Arbeit auf Kommissionen und Studiengangsbegutachten. Meine alten AFS-Programmhefte sind Umzügen zum Opfer gefallen, sonst wäre vielleicht noch dasjenige von Jacksonville, Florida, von 1992 zu finden gewesen, wo wir uns erstmals trafen. Du hattest meine Einladung, bei einem von Barbro Klein und mir organisierten Panel zu „Foreigners in Europe“ mitzutun, angenommen. So begegnete ich dieser schicken etwas jüngeren Frau in Lederjacke mit asymmetrischem Haarschnitt, deren Intellektualität mich etwas einschüchterte, die ich da mitsamt Familie am AFS war.  Du machtest auch mit bei der Sondernummer des Journal of Folklore Research, die Barbro und ich aus dem Panel bastelten – Dein  Beitrag erschien auf S. 85-91, in JFR 30(1)(1993), da habe ich noch eine Kopie. Du warst eine ganz andere Vertreterin des Faches als diejenigen deutschen Kollegen, die man hin und wieder beim Kongress der American Folklore Society antraf – das war spannend und verdeutlichte mein Gefühl für den Spagat, der zu schaffen war, wenn man diese ungleichen Fachentwicklungen parallel verfolgen und die unterschiedlichen Affinitäten zur Sozialanthropologie aus der KAEE und EKW im Vergleich zur Folkloristik verarbeiten wollte.

Wir blieben in Kontakt über einige stolpernde Versuche meinerseits, zurück nach Europa zu kommen. Bevor es dann für mich Göttingen wurde, gab es den SIEF Kongress im Frühjahr 1998 in Amsterdam, wo wir beide – zu unserer beider Überraschung 😊 – Vizepräsidentinnen wurden. Und: die Bad Homburg Tagung nur wenige Monate danach, die uns dann über die Publikation in zwei Sprachen gut beschäftigt hielt. Wieviel Energie es Dich kostete, diesen Dialog von deutschen Volkskundler_innen und Amerikanischen Folklorist_innen neben der vor kurzem angetretenen Professur auch noch zu stemmen, war mir nur allzu bewusst, mitsamt der Einwerbung von Tagungsmitteln. Aber die Tagung in Bad Hamburg scheint mir auch noch nach 22 Jahren eine absolut wesentliche Leistung. Wäre Roger Abrahams, der noch nie Fuß auf deutschen Boden gesetzt hatte, gekommen, hätten wir nicht diesen Rahmen geschaffen? Und dafür gesorgt, dass sich hier auch ganz unterschiedliche Generationen und Anschauungen trafen? Von Mary Hufford bis Ruth Mohrmann?  Das Thema Kulturwissenschaft und Öffentlichkeit bzw. Cultural Brokerage, das sich sowohl aus Deiner Habilitation wie auch aus den „public folklore“ Kämpfen und Erfolgen in den USA aufspannte, bleibt in der Luft. Es ist zwar nicht identisch mit dem was uns heute als Third Mission von Uni-Verwaltungen und Drittmittelgebern aufgetragen wird, aber sehr wohl verwandt.

Mir ist, nach 19 Jahren in Deutschland, die Leichtigkeit und „can do“  oder auch „must do!“ Haltung, die Wissenschaft in den USA trotz aller Hürden charakterisiert, ziemlich abhandengekommen. Aus der disziplinierenden Erfahrung deutschen Wissenschaffens heraus blicke ich auf Dich, oft mit Bewunderung für alles, was Du wegschaffst. Du rezipierst nach wie vor unheimlich viel an internationalen Literaturen und bringst sie in die Breite von Themen ein, die Du forschend und lehrend in Frankfurt und weit darüber hinaus verankert hast. Deine Arbeit für das Fach in Frankfurt und nun über so viele Jahre auch in der DFG führt nicht einfach fort sondern verändert, unaufgeregt und dynamisch und all dies mitsamt den Härten, die das Leben Dir gebracht hat. Chapeau – nein, eigentlich gleich viele viele Hüte gilt es mit Hochachtung zu heben!

Lass Dich feiern in diesem Lebensjahr, und genieße das neue Jahrzehnt!

Deine Regina Bx