Die Aufgabe: ein Geburtstagsgruß für/über/mit Gisela, am besten mit Bild; ein persönlicher Beitrag… der trotzdem zugleich einen kulturanthropologischen Beitrag verlangt. Waren es doch Fragen nach dem spezifischen Beitrag und Blickwinkel des Faches oder danach, was im Fall X das genuin kulturanthropologische Problem sei, die in Giselas Seminaren enervierend häufig von ihr gestellt wurden. Es sind Fragen wie diese, durch die ich Kulturanthropologie gelernt habe. Heute behellige ich Studierende damit.
Das empirische Material: beginnt 1998 in Frankfurt/M., ich begann zu studieren, Gisela trat ihre Professur an; 22 Jahre mal dichtere, mal fernere Begleitung meiner andauernden (Lern-)Wege durchs Fach. Über das Organisationsprinzip dieses (auto-)ethnografischen Materials grübelnd (wie so oft ein wilder Mix aus vielfältigen Erfahrungen, Begegnungen und Anekdoten), stehe ich vor einer typischen Herausforderung: Was auswählen? Wo den Fokus setzen? Wie lassen sich empirische Fundstücke und Denkanstöße mit alten und neuen Auseinandersetzungen im Fach zusammenbringen? Und was, verdammt noch mal, war eigentlich die Fragestellung?
Auswahlversuche: Es ließe sich eine Geschichte über disziplinäre Ausbildungsverhältnisse erzählen, über die dabei stattfindende spezifische Disziplinierung (als Abrichtung auf einen bestimmten Blick auf Welt) ebenso wie das Lehren-Lernen in Beziehungen (in der Kulturanthropologie eher via Mentoring als über strenge [Denk-]Schulen). Aber für das Schreiben dieser Geschichte bräuchte ich ein bisschen Zeit zum Lesen… z.B. Margaret Meads „Apprenticeship under Boas“ (1959) vs. Laves und Wengers „communities of practice“ (1991). Stattdessen ein Griff in die Kiste implizit angehäuften Handwerkszeugs: lehrte Gisela uns doch nicht nur Forschungsfreude, sondern auch die Bedeutung von Sorgfalt in wissenschaftlichen Arbeitsprozessen. Et voilà – das Forschungsdreieck!
![](https://blog.studiumdigitale.uni-frankfurt.de/giselawelz60/files/2020/02/blog-gw_3eck_ka1-1024x768.jpg)
Im Detail: ein einfaches Dreieck, in dem sich eine kulturanthropologische Forschungsarbeit aufspannt – zwischen „Problem“ (Fachbezug, Theorie), „Thema“ (politische, soziale Relevanz) und „Empirischer Fragestellung“ (Forschungsdesign, Methodik). Es gibt zu dem Dreieck keine alten Notizen, ich habe es mir nebenbei gemerkt. Gisela hatte es mal in einer Runde von Studierenden präsentiert als es um das Schreiben der Magistra-Arbeit ging. Als ich später selbst Studierende zu ihren entstehenden Abschlussarbeiten beriet, ist es mir wieder eingefallen. Ich setze das Dreieck ein, um im Forschungs- und Schreibprozess beim Sortieren und Systematisieren zu unterstützen und um deutlich zu machen, dass zwar von jedem Eckpunkt des Dreiecks aus gestartet werden kann, aber alle drei Dinge geklärt und formuliert werden müssen – auch wenn sie zusammenhängen. Das Dreieck verweist auf beides: Differenzierung und Relationen. Es bietet Gedankenknäueln eine Form oder erlaubt in Form zu bringen. In der Betreuung von BA- und MA-Arbeiten male ich es fast immer zu irgendeinem Zeitpunkt auf – und sei es, um für mich die Ausführungen meines Gegenübers zu strukturieren.
Ausklang: Ich bin mir nicht mal sicher, liebe Gisela, ob du dieses dahingekritzelte ‚travelling object‘ überhaupt so nennst und verwendest. Sei es drum, in seiner schnöden Ästhetik offenbart es (geteilte) Geschichte(n), erzählt von Beziehungen und Zusammenhängen. Es sind neben Street Life und Zypern solche Kleinigkeiten, die ich mit dir verbinde. Ich wünsche dir eine grandiose Geburtstagsfeier mit vielen schönen Momenten im gemeinsamen Blick zurück, zur Seite und nach vorn. Happy Birthday!