Sicht auf das Detail – Zwischen Technik und Ästhetik: Die Kunst der Kupferstecher

Kaya Walter

Guckkastenbilder beeindrucken nicht nur durch ihre perspektivische Wirkung, sondern auch durch ihre oft verblüffend detailreiche Ausführung. Diese handwerkliche Präzision lenkt die Aufmerksamkeit auf den Entstehungsprozess und die daran beteiligten Personen.

Der Prozess einer Druckgrafik beginnt bei großen Verlegern wie Baltasar Probst oder auch Jacques Gabriel Huquier als Auftraggeber oder generell Autoren, die ihre Texte bebildern lassen wollen. Diese beauftragten die Kupferstecher mit der Umsetzung ihrer Ideen.[1] Wobei Kupferstecher nicht gleich Kupferstecher bedeutete. Einige verlangten höhere Preise, andere geringere. Woraus sich schließen lässt, dass die Qualität sich unterschieden haben dürfte. Manche von ihnen hatten sich zudem auf bestimmte Motive wie Portraits spezialisiert.[2]

Um zum Beispiel den Qualitätsanspruch großer Verleger an die Guckkastenbilder in Stich, Kolorierung und Komposition zu erfüllen, war es von Bedeutung, die renommiertesten Kupferstecher zu beauftragen.[3] Jacques Gabriel Huquier war dabei wie sein Vater Gabriel Huquier neben seiner Rolle als Kupferstichverleger und Kupferstichhändler selbst als Kupferstecher tätig und bekannt.[4] Es lag in der Verantwortung des Auftraggebers, im Blick zu haben, was der Markt gut aufnahm. Trotzdem war es nicht unüblich, dass Kupferstecher sich an der Bildidee beteiligten und durch ihre Erfahrung in der Bildtradition Anregungen geben konnten, auch wenn sie nicht selbst Verleger waren. Trotz alledem galt das Anfertigen der Stiche als reines Handwerk. Die Stiche sind selten von ihren Schöpfern unterzeichnet, vielmehr lassen sich die Guckkastenbilder Verlegern wie Propst zuordnen.[5]

Bei genauer Betrachtung einer von Jacques Gabriel Huquier verlegten Ansicht der Londoner Westminster Bridge fällt die detailreiche Ausführung der Druckgrafik und die nachträgliche Bearbeitung auf. Die Vorderseite dieses auf Karton aufgezogenen Guckkastenbildes zeigt zentralperspektivisch eine kolorierte Ansicht der Westminster Bridge in London, die über einen belebten Fluss hinweg die zwei Ufer, bebaut mit fein ausgeführter Architektur, verbindet (Abb.1).

Abb.1: Verlegt von Jacques Charles Huquier le fils Paris, Vue du superbe Pont de Westmunster sur la Thamise et d’une partie de la Ville de Londres du côte du Septentrion, 2. Hälfte 18. Jahrhundert, Frankfurt am Main (Universitätsbibliothek Johann Christian Senckenberg)

Der Bildraum wird dabei durch die Brücke, die leicht unterhalb der Bildmitte verläuft, in Vorder- und Hintergrund geteilt. Vor dieser befinden sich verschieden große Schiffe und kleinere Boote, auf denen bunt gekleidete Personen zu erkennen sind. An den größer dargestellten Schiffen am vorderen Bildrand lässt sich teilweise die Beladung erkennen. Dort wird der Eindruck von Schatten auf dem Wasser durch feine dunkle Schraffur erzeugt. Die Schiffe scheinen sich perspektivisch zu verkleinern, je weiter der Blick Richtung Hintergrund wandert, bis hin zur Brücke. Diese überspannt fast die gesamte Bildbreite, ihr höchster Punkt liegt dabei in der Bildmitte. Die Architektur ist so detailreich ausgeführt, dass sich einzelne Steine des Mauerwerks erkennen lassen. Dabei sind die in ihrer Form folgend ausgeschnittenen Straßenlaternen auf der Brücke bemerkenswert. Sie spiegeln sich nicht im Wasser. Die Spiegelung der restlichen Brücke wird hingegen durch horizontale Schraffur dargestellt. Hinter diesem sehr zentralen Element des Bildes erstreckt sich der weitere Flusslauf. Auf ihm sind die Boote gut erkennbar aber winzig dargestellt. Gesäumt wird der Fluss von verschiedenen Gebäuden. Dabei stechen auf der rechten Uferseite neben anderen mit Türmen versehenen Gebäuden zwei gotisch anmutende Türme hervor. Die meisten der Fenster der Gebäude wurden dabei ausgeschnitten und das so präzise, dass selbst Fenster von Millimetergröße durchscheinen. Dabei spiegelt sich auch im Hintergrund die Uferbebauung im Wasser. Der Hintergrund wird durch eine Hügellandschaft abgeschlossen, an die sich der von Weiß nach Blau verlaufende Himmel anschließt.

Die Betrachtung zeigt, dass dieser Stich mit großer Sorgfalt und Präzision ausgeführt wurde, sowohl im Druck selbst als auch in der nachträglichen Bearbeitung. Die Detailfülle zeigt die handwerkliche Qualität und das Können der ausführenden Kupferstecher auf. Sie bestätigt zugleich die Zusammenarbeit der Verleger mit besonders qualifizierten Stechern, sofern sie die Arbeiten nicht selbst ausführten, um den gestalterischen und marktwirtschaftlichen Ansprüchen nachzukommen.


[1] Vgl. Martin Mulsow: Aufklärungs-Dinge: Zweifler und Verzweifelte im Umbau des Wissens um 1700, Berlin 2024, S. 27 f.

[2] Vgl. Ebd..

[3] Vgl. Steinmetz-Oppelland, Angelika und Sixt von Kapff: „Weltverbreitete Ansichten Guckkastenbilder aus dem Verlag von Georg Balthasar Propst (1731-1801) in Augsburg. Ein Forschungsbericht“, in: John Roger Paas (Hrsg.): Augsburg, die Bilderfabrik Europas. Essays zur Augsburger Druckgraphik der Frühen Neuzeit, Augsburg 2001, S. 201 f.

[4] Vgl. Renate Trydel: „Huquier, Jacques-Gabriel“, in: Allgemeines Künstlerlexikon Online, URL: https://www-degruyterbrill-com.proxy.ub.uni-frankfurt.de/database/AKL/entry/_00086881/html (25.07.2025).

[5] Vgl. Martin Mulsow: Aufklärungs-Dinge: Zweifler und Verzweifelte im Umbau des Wissens um 1700, Berlin 2024, S.27 ff.