Objekte

Ein Glasdia unseres Bestands hat uns sofort in seinen Bann gezogen. Zu sehen ist eine überlebensgroße, auf den ersten Blick nicht näher zu bestimmende Skulptur eines bekrönten Mannes, die durch schlanke Säulen begrenzt, in einer Nische platziert wurde. Sie scheint durch dünne, sich weiß abzeichnende Linien, in zwei gleichgroße Segmente unterteilt zu sein. Links daneben steht stolz ein Mann mit Hut, markantem Schnurrbart und einer knöchellangen ledernen Schürze – vermutlich ein Steinmetz in Arbeitskleidung. Am rechten Bildrand scheint eine weitere Person zu stehen, die ebenfalls für die Kamera posiert, aber abgeschnitten wurde. Zu sehen ist demnach nur das rechte Bein. Ein interessantes Detail ist zudem der Schatten, der sich zwischen der Skulptur und dem als Referenzgröße dienenden Mann abzeichnet. Es handelt sich um die Umrisslinien der Kamera, mit der eben dieses Foto aufgenommen wurde. Die Größe des Apparats lässt auf einen Entstehungszeitraum der Aufnahme zwischen dem Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts schließen.

Aber wo wurde dieses Bild aufgenommen? Die Handwerker und die Skulptur stehen auf einer Art hölzernem Baugerüst – Konstruktionsbalken sind am rechten Bildrand zu erkennen. Das kleine, am linken Bildrand zu erkennende Stück Himmel sowie der nur zu erahnende gotische Stützpfeiler sprechen dafür, dass die Aufnahme in größerer Höhe und wahrscheinlich an einer Kirchenfassade gemacht wurde.

Weitere Fragen und somit Probleme für die Verortung der Aufnahme ergaben sich aus der kaum leserlichen Beschriftung. Zunächst lasen wir „Krimar“, eine Spur, die gezwungenermaßen ins Leere führte. Schließlich gelang es uns die Beschriftung als „Kolmar“ zu entziffern: Eine veraltete, deutsche Schreibweise für den Namen der elsässischen Stadt.

Wir untersuchten die Fassaden der Kirchen Colmars nach ähnlichen Bauelementen und wurden sogleich bei der bedeutendsten fündig: Dem gotischen Martinsmünster. Der 71 m hohe Glockenturm weist die auf dem Glasdia zu erkennenden, durch schmale Säulen begrenzten Tabernakel auf. Die auf unserem Dia gezeigte Skulptur ließ sich jedoch an der heutigen Fassade nicht finden.

Daraufhin wandten wir uns direkt an die Gemeinde in Colmar. Eine hilfsbereite Mitarbeiterin versprach uns, sich in unserem Namen an das Stadtarchiv zu wenden. Dort traf unsere Anfrage auf großes Interesse. Der Direktor des Archivs vermutet, dass es sich bei unserer abgebildeten Skulptur um Karl den Großen handelt, wobei die Ausführung erstaunlich unfertig wirkt. Im Rahmen von Restaurierungsarbeiten zwischen 1870 und 1918 könnte die zunächst nur grob behauene Figur erst vor Ort an der Außenfassade fertiggestellt worden sein. Leider verfügt auch das Archiv in Colmar über keine Dokumente, die dies belegen würden. Der aktuelle Aufenthaltsort unserer Skulptur liegt weiterhin im Dunkeln.

Die Mitarbeiterin der Colmarer Gemeinde kontaktierte in unserem Namen zusätzlich das „Musée Unterlinden de Colmar“, wobei uns die Kuratorin in dieser Angelegenheit leider noch nicht weiterhelfen konnte. Allerdings werden derzeit Recherchen im Archiv des Museums durchgeführt. Dort befinden sich zahlreiche Skulpturen der Stadt, die in sehr schlechtem Zustand sind. Vielleicht findet sich unter ihnen ja auch die vermeintliche Skulptur von Karl dem Großen, die sich einstmals an der Fassade des Münsters befunden hat. Eventuell liefert unser Glasdia ja ein entscheidendes Puzzlestück bei der Suche nach der verschollenen Skulptur. Wir werden die Spur weiterverfolgen. Es bleibt also weiterhin spannend…

Nachtrag: Das Kunstgeschichtliche Institut besitzt noch ein weiteres Dia, auf dem die Restaurationsarbeiten am Martinsmünster dokumentiert wurden. Beide Fotografien sowie weitere Ansichten aus dem Bestand der Collections de la Bibliothèque nationale et universitaire de Strasbourg finden sich auf Gallica [Link]. Nach dortiger Angabe wurden die Fotografien von François Xavier Saile (1840-1905) geschaffen und sind 1891 entstanden. Unsere Glasdias wurden offenbar auf der Rückseite beschriftet, weshalb das Motiv seitenverkehrt erscheint. Dies wird insbesondere an der Figur der folgenden Ansicht deutlich, denn die Herrscherinsignien (Schwert und Sphaira) sind seitenverkehrt abgebildet.

Text: Corinna Gannon (geschrieben für den Blog „Fotografische Fundstücke: Ein studentisches Projekt der Bildstelle des Kunstgeschichtlichen Instituts Frankfurt“, 17. Januar 2017, geleitet von Doris Reichert), Nachtrag: Thomas Helbig.

Dieses Glasdia zeigt Caspar David Friedrichs Gemälde Abtei im Eichwald aus dem Jahr 1809/1810.[1] Zu sehen ist die Ruine eines gotischen Sakralbaus, der eine alte Gräberstätte vorgelagert ist. Sie wird von kahlen Baumstämmen umringt, die in den noch hellen Himmel ragen. Es scheint, als wäre die Sonne soeben untergegangen, im unteren Teil des Horizonts bricht schon die Nacht an, wie die schmale Mondsichel verrät, die sich zart am Himmel abzeichnet.[2] Von der Fassade verschattet, sind Silhouetten – vermutlich die einer Gruppe von Mönchen – zu sehen, die einen Gegenstand, ähnlich einem Sarg tragen. Auffällig an der fotografischen Reproduktion des Gemäldes ist, das im Hintergrund der Fotografie nicht nur ein Bücherregal, sondern auch eine provisorisch mit Stoff bedeckte Vorrichtung zu sehen ist, auf der das Gemälde aufgestellt wurde.

Auf dem rechten Rand des Dias ist ein Etikett mit der Beschriftung „Bildarchiv Foto Marburg“ angebracht, welches zusätzlich mit dem Stempel des Kunstgeschichtlichen Instituts Frankfurt/M. versehen wurde. Am linken Rand des Dias befindet sich zudem ein handschriftlicher Vermerk. Darauf wurden der damalige Aufbewahrungsort: „Berlin, Schloß“, sowie der Künstler, seine Lebensdaten und der Titel des Werks festgehalten. Zusätzlich wurde in roter Tinte die Abkürzung „u. Fr.“ mit der Nummer 23288 auf den Rand geschrieben. Dies ist die Frankfurter Inventarnummer des Glasdias, während sich rechts daneben eine weitere, in schwarzer Tinte geschriebene, Inventarnummer „192160“ findet.

Mithilfe dieser Nummer lässt sich ein Datensatz im Bildarchiv Foto Marburg aufrufen, über den sich weitere Angaben entdecken lassen. Dort findet sich auch das Digitalisat einer großformatigen Negativ-Fotografie, die wohl als Vorlage für das Frankfurter Glasdia fungierte.[3] Demnach wurde die Fotografie 1945 oder 1946 aufgenommen, wer das Foto gemacht hat, ist jedoch unbekannt.[4] Bemerkenswert ist diese Angabe, da sie den Schluss zulässt, dass das Gemälde in einem Depot fotografiert wurde, da dass Schlossmuseum bereits im Frühjahr 1945 schwere Kriegsschäden erlitt und alle beweglichen Kunstgüter zuvor ausgelagert wurden.[5] Aus dieser Sicht lässt sich möglicherweise auch die provisorische Anmutung der Aufnahmesituation erklären. Nicht nur dürfte die Bücherwand im Hintergrund als störend empfunden werden, auch die mit Klebeband notdürftig geschützten Ecken des ausgerahmten Gemäldes verstärken diesen Eindruck.[6]

Tatsächlich wurde die Aufnahme in einer von der amerikanischen Militärregierung eingerichteten Sammelstellen (Central Collecting Points (CCP)) hergestellt, denn die Fotografie ist Teil eines entsprechenden Konvoluts. Zu diesem gehört auch eine Aufnahme von Friedrichs Gemälde Mönch am Meer (1810), das zusammen mit der Abtei im Eichwald als Bildpaar im Berliner Schlossmuseum gezeigt wurde.[7] Für Gewissheit sorgte schließlich ein Hinweis von Sonja Feßel (Leiterin Fotografische Sammlung, Bildarchiv Foto Marburg). Demnach wurde das Gemälde zuerst im Depot Bernterode (Thüringen) verwahrt, bis Richard Hamann erwirkte, im Rahmen einer größeren Fotokampagne Aufnahmen von den inzwischen in den CCP zusammengetragenen Kunstwerken herzustellen. Zur Anfertigung der Fotografien wurden die Werke in das Hessische Staatsarchiv verbracht, wo auch die vorliegende Aufnahme entstand.[8]

Text: Lilly Lüders

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Caspar David Friedrich, Abtei im Eichwald, 1809/1810, Malerei, Öl auf Leinwand, 110,4 x 171 cm, Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Nationalgalerie [Wikidata].

[2] Verwiebe, Birgit: Objektbeschreibung „Caspar David Friedrich: Abtei im Eichwald“, Berlin, o. A., URL: https://recherche.smb.museum/detail/968249/abtei-im-eichwald (18.05.24)

[3] Die Seminargruppe hatte Gelegenheit, das Glasnegativ (18 x 24 cm, für Plattenkamera) im Bildarchiv Foto Marburg zu besichtigen. Für die Herstellung des Glasdias wurde vermutlich ein Zwischennegativ hergestellt, das höchstwahrscheinlich nicht mehr erhalten ist. Nach Auskunft von Sonja Feßel ist es außerdem ungewiss, ob das Motiv im Bestand der z. Zt. ausgelagerten (und nicht digitalisierten) Glasdias enthalten ist.

[4] Bildindex Foto Marburg: Caspar David Friedrich, „Abtei im Eichwald/Mönchsbegräbnis im Eichenhain“ http://id.bildindex.de/thing/0000099609 (17.05.24).

[5] Das Gemälde wurde 1810 von König Friedrich Wilhelm III. erworben und ist seit 1957 Eigentum der Staatlichen Museen Preußischer Kulturbesitz.

Nach Zerstörung des Berliner Stadtschlosses wurde es im Schloss Charlottenburg gezeigt und wird heute in der Berliner Nationalgalerie verwahrt. Vgl. https://id.smb.museum/object/968249/abtei-im-eichwald.

[6] Vgl. auch den ausführlichen Bericht zur Restaurierung beider Gemälde: https://blog.smb.museum/caspar-david-friedrich-alte-nationalgalerie/ (17.05.24).

[7] Vgl. den Datensatz zu Friedrichs Mönch am Meer. http://id.bildindex.de/thing/0000099607.

Berlin, Schloss, Wohnung Friedrich Wilhelm IV., Wohnzimmer der Königin Elisabeth, R.: 658, Glasbild, 13 x 18 cm, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (rechts mit rotem Pfeil hervorgehoben ist Friedrichs Abtei im Eichwald zu erkennen, daneben sein Gemälde Mönch am Meer).

[8] Marco Rasch, Das Staatsarchiv Marburg als Central Collecting Point, Marburg 2021, S. 78. Vgl. auch die Online-Ausstellung: Monuments Men in Marburg. Das Staatsarchiv Marburg als Central Collecting Point, https://ausstellungen.deutsche-digitale-bibliothek.de/monuments-men-in-marburg/#s0.

Metadaten

EntitätWikidataDNBKOR
WerkGemäldeQ3343604439562-0223651
PersonKünstlerQ1048841185358891399
InstitutionSammlung (heute)Q1621115298137-X210778
InstitutionSammlung (früher)Q1701194137109-4363572
InstitutionDia-HerstellerQ8605704655897-4270098

Das vorliegende Glasdiapositiv zeigt die fotografische Aufnahme eines Gemäldes. Das Dia ist 12,8 cm hoch und 14,9 cm breit. Angefertigt wurde die Aufnahme von der in Frankfurt ansässigen Firma Gustav Rapp & Co., wie ein entsprechender Aufkleber verrät. Diese fertigte wissenschaftliche Aufnahmen für Kunst und Industrie an, wie aus Briefunterlagen hervorgeht.[1] Die Aufnahme wurde mit der Inventarnummer „U.Fr.7853“ versehen und mit „Masolino. Neapel. Museum“ beschriftet.

Abgebildet ist Masolino da Panicales (1383–1447) 1430 geschaffenes Gemälde Papst Liberius gründet Santa Maria Maggiore. Es handelt sich um eine Tafel eines doppelseitigen Polyptychons, das ursprünglich für die Kirche Santa Maria Maggiore in Rom angefertigt wurde. Die Darstellung zeigt die legendäre Gründung der Kirche im August 352, als ein wundersamer Schneesturm Papst Liberius den Grundriss für die Basilika offenbarte. Eine Menschenmenge bezeugt das Wunder. Über der Szene stehen Christus und Maria in einer Aureole, die die himmlische Bestätigung des Wunders symbolisiert. Die abgebildete Tafel ist heute im Museuo Nazionale di Capodimonte, Neapel zu sehen.[2] Eine erste Recherche zu den anderen Tafeln des Polyptychons blieb zunächst erfolglos.

Ob sich der Fotograf Gustav Rapp zur Anfertigung dieser Aufnahme in Italien aufgehalten hat, ist ungewiss. Das Historische Museum Frankfurt verwahrt lediglich Fotografien mit Frankfurter Ansichten in seinem Bestand.[3] Es wäre auch denkbar, dass Rapp vom Kunsthistorischen Institut Frankfurt beauftragt wurde, auf Grundlage eines Druckerzeugnisses oder einer fotografischen Vorlage ein Glasdia herzustellen. Ein Indiz hier für könnte eine historische Reproduktion sin, die heute in der Fondazione Federico Zeri (Bologna) verwahrt wird und die vor 1907 von dem italienischen Fotografen D. Anderson (1845­–1963) angefertigt wurde.[4]

Bekräftigt wird diese Vermutung durch einen identischen Anschnitt des Bilderrahmens (die unter Rahmenkante fehlt) und die gleichförmigen Ergänzungen in den oberen Ecken des Gemäldes, die wohl von der Translozierung des ursprünglich für den Kirchenraum vorgesehen Gemäldes herrühren und inzwischen einen historischen Zustand des Gemäldes dokumentieren. Entsprechend unterschieden sich diese Ergänzungen zu den späteren Reproduktionen, wie sie etwa im Bildarchiv Foto Marburg verwahrt werden.[5]

Text: Maja Förg

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] https://schenkerdocumentsonline.org/documents/correspondence/OC-B-260.html

[2] https://capodimonte.cultura.gov.it/tag/masolino/

[3] https://historisches-museum-frankfurt.de/de/node/91347

[4] Die offizielle Bildunterschrift nennt neben Titel und Fotografen auch die Nummer 5445. Diese findet sich auch auf S. 104 des 1907 herausgegebenen Katalogs des Fotografen verzeichnet, der im Kunsthistorischen Institut in Florenz überliefert ist: http://wwwuser.gwdg.de/~fotokat/Fotokataloge/Anderson_1907_2_h.pdf.

Vgl. auch die übrigen Aufnahmen der Fototeca Zeri (rechts): https://catalogo.fondazionezeri.unibo.it/entry/work/11876/#lg=1&slide=1.

[5] Vgl. die um 1950 angefertigte Aufnahme im Bildarchiv Foto Marburg: https://www.bildindex.de/document/obj20156825?medium=it00244e07 sowie die 1977 hergestellte Aufnahme: https://www.bildindex.de/document/obj20156825?part=0&medium=it00244e06


Bei dem vorliegenden Glasdia handelt es sich um ein Doppeldia. Große Teile des Dias sind mit schwarzem Klebestreifen abgedeckt, wobei die Ausschnitte zweier Tafelbilder gegenübergestellt werden. Die handschriftliche Aufschrift des Glasdias lautet: „Köln (Veronikameister) Mittelrhein Darmstadt (Ortenberger Altar)“. Zusätzlich ist das Dia mit dem Stempel „Kunstgesch. Institut Universität Frankfurt /M.“ versehen.

Das linke Bild zeigt einen Ausschnitt aus der Mitteltafel eines Flügelaltars mit der Darstellung Madonna mit der Wickenblüte und dem Jesuskind. Das Gemälde ist auf 1410–15 datiert und stammt vom Meister der Heiligen Veronika, der von 1395 bis 1415 in Köln tätig war. Wolf Wallrath ordnet die Darstellung dem „weichen Stil“ zu, welcher speziell in der Kölner Malerschule um 1400 vertreten war.[1]

Die rechte Darstellung zeigt ebenfalls eine Mariendarstellung und ist Teil der Mitteltafel des Ortenberger Altars (1420), der heute im Landesmuseum Darmstadt aufbewahrt wird.[2] Die Mitteltafel des Altargemäldes zeigt Maria mit der Heiligen Sippe sowie den drei heiligen Jungfrauen Agnes, Barbara und Dorothea.[3]

Die beiden Bildausschnitte fokussieren jeweils auf die Marienporträts. Vermutlich wurde das Dia angefertigt, um einen Vergleich von zwei Mariendarstellungen auf verschiedenen Altarbildern innerhalb einer Vorlesung zu demonstrieren. Die Gemälde stammen aus einer ähnlichen Zeit und aus geografisch nahe beieinander liegenden Regionen, weisen jedoch unterschiedliche Stilmerkmale auf. Die Ansicht eignet sich daher zum vergleichenden Sehen und lädt zu einer stilkritischen Unterscheidung ein. Auf dem Glasdia ist keine Inventarnummer verzeichnet ist, weshalb es sich auch nicht in der Inventarliste auffinden lässt. Es wäre jedoch denkbar, dass das Dia in einer der zahlreichen „Übungen im vergleichenden Sehen“ verwendet wurde, die zwischen 1947 und 1969 am Kunstgeschichtlichen Institut der Goethe Universität regelmäßig angeboten wurden.[4]

Ein bekannter Vertreter dieser Praxis war Erwin Panofsky. Das Diaarchiv der Universität Hamburg verwahrt eine Reihe solcher Doppeldias, die vermutlich aus Lehrveranstaltungen Panofskys entstanden. Für den Vergleich mit dem vorliegenden Dia eignet sich insbesondere ein um 1925 entstandenes Glasdia Panofskys, das gleichfalls zwei Mariendarstellungen zeigt.

Text: Gulia Chessa

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Meister der Hl. Veronika, Muttergottes mit der Wickenblüte, um 1410–1415, Nuss- und Eichenholz, Mitteltafel, 59 x 39 cm., Sammlung Ferdinand Franz Wallraf. Wallrath, Rolf: Die Madonna mit der Wickenblüte, in: Müller, Hans-Georg (Hg.): Aspekte zur Kunstgeschichte von Mittelalter und Neuzeit. Weimar, 1971, S. 299–317, hier S. 299.

[2] Meister des Ortenberger Altars, Maria mit der Heiligen Sippe, 1420, Tempera und Silberfolie auf Leinwand über Tannenholz, Mitteltafel, 100 x 162 cm, Landesmuseum Darmstadt.

[3] Gast, Uwe: Rezension von: Vetter, Ewald M.; Schäfer, Dorit und Kühnen, Renate: Der Ortenberger Altar, Wiesbaden 2000, in: Kunstchronik, 55 (2002), S. 399–405, https://doi.org/10.11588/kc.2002.8.85189 .

[4] Entsprechende Übungen bzw. Proseminare unter der Leitung von Erich Herzog und später Harald Keller sind in den Vorlesungsverzeichnissen nachweisbar. Letzterer hielt im Sommersemester 1967 außerdem die Vorlesung „Die Kunst in Hessen und am Mittelrhein“, in der das Dia ebenfalls gezeigt worden sein könnte.

Screenshot aus dem Personen- und Vorlesungsverzeichnis, Sommersemester 1967. Quelle: Webseite Publikationsserver der UB Johann Goethe-Universität Frankfurt am Main, URL: https://publikationen.ub.uni-frankfurt.de/solrsearch/index/search/searchtype/collection/id/17036/start/0/rows/100/sortfield/year/sortorder/desc/facetNumber_year/all#year_facet, (11.09.2024).


Ein weiteres Doppeldia aus der Sammlung des Kunstgeschichtlichen Instituts zeigt die Ausschnitte zweier Röntgenaufnahmen von zwei Tafeln des Genter Altars. Die handschriftliche Aufschrift auf dem Glasdia lautet: „J[an] + Hubert van Eyck: Röntgenaufnahme (1950) Genter Altar, Eremiten + Pilger, Det[ails], U.Fr. 28342“, ergänzt um den Stempel: „Kunstgesch. Institut Universität Frankfurt/M“.[1]

Der 1432 von den Brüdern Jan und Hubert van Eyck geschaffene Genter Altar, ist ein Meisterwerk der frühen niederländischen Malerei und befindet sich in der St.-Bavo-Kathedrale in Gent.[2] Die Röntgenaufnahmen des Glasdias zeigen Ausschnitte der Tafeln mit dem Motiv der Pilger und Einsiedler (rot markiert). Die in der Aufschrift genannte Jahreszahl bezeichnet vermutlich das Jahr der Restaurierungsarbeiten am Genter Altar, in deren Umfeld auch die Röntgenaufnahmen angefertigt sein könnten. Die Restaurierung von 1950 war notwendig geworden, um Schäden zu beheben, die durch den Transport und die Einlagerung des Altars in Salzminen während des Zweiten Weltkriegs entstanden waren.[3] Die Farbschichten befanden sich in einem derart schlechten Zustand, dass die Oberfläche zunächst mit Bienenwachs überzogen wurde, um ein Abblättern der Farbe zu verhindern. Mithilfe der Untersuchungen konnten die einzelnen Schichten des Farbauftrags analysiert werden, was Rückschlüsse auf die Entstehung und Maltechniken erlaubte.

Röntgenaufnahmen sind in der modernen Kunstforschung von zentraler Bedeutung. Die Entdeckung der Röntgenstrahlen durch Wilhelm Conrad Röntgen im Jahr 1895 ermöglichte die Sichtbarmachung zuvor unsichtbarer Phänomene und markierte damit einen bedeutenden Fortschritt innerhalb der Geschichte technischer Bildgebungen. Obwohl die Technik zunächst für medizinische Zwecke entwickelt wurde, wo sie bis heute angewandt wird, fand sie bald auch in der Kunstforschung Verwendung, da sie Erkenntnisse zum künstlerischen Schaffensprozess offenbarte. Verborgene Schichten sowie später durchgeführte Übermalungen wurden auf diese Weise wieder sichtbar.[4] Techniken wie die Röntgenfluoreszenz verbesserten zudem die Visualisierung chemischer Elemente und sind daher besonders wertvoll für konservatorische Belange.[5] Auffällig in der vorliegenden Ansicht des Genter Altars sind insbesondere die Stützen der Holzpaneele, die durch die Röntgenaufnahme sichtbar wurden.[6]

Die Kunsthistorikerin Vera Dünkel weist allerdings darauf hin, dass Röntgenaufnahmen nicht immer eindeutig zu lesen sind und es ein geschultes Auge braucht, um die dargestellten Schatten und Strukturen richtig zu interpretieren. Die Methode des Vergleichenden Sehens, welche „sowohl Sichtbarmachungs- als auch Unsichtbarmachungstechniken“[7] umfasst, erfordert daher eine Schulung des Blicks, um die neuen Möglichkeiten der Bildanalyse vollständig nutzen zu können. 

„Eine Reproduktion verhilft viel inniger zum Denken“, formuliert Beat Wyss, was Matthias Wörther angesichts des Genter Altars jedoch zu der Ergänzung veranlasst, dass erst die Begegnung mit dem Original, angereichert durch Reproduktionen, zu einem tieferen Verständnis führt.[8] „Je mehr Fotografien vom selben Original, desto besser“, ließe sich mit Bernard Berenson[9] ergänzen, was auf die Methode des „Vergleichenden Sehens“[10] deutet, die mit dem Aufkommen fotografischer Reproduktionstechniken für die kunsthistorische Praxis besonders einflussreich wurde. Sie ermöglicht eine tiefere Analyse von Kunstwerken, indem sie nicht nur gegenüberstellende Ansichten vermittelt, sondern den Blick auch auf Details lenkt, die sonst leicht übersehen werden.

Heute bietet die Webseite „Closer to Van Eyck“ die Möglichkeit, mit einem eigens dafür eingerichteten Image Viewer, beliebige Gemälde, Details und Bildgebungstechniken aus dem Corpus der Van Eyck-Brüder einander gegenüberzustellen. Indem sich außerdem zwischen den Zuständen vor und nach der Restaurierung wählen lässt, werden neben den Farbschichten auch die unterschiedlichen Zeitschichten des Genter Altars (digital) erfahrbar.

Text: Gulia Chessa

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Die Beschriftung ist mit abweichender Handschrift ergänzt worden. Die Nummer 28342 steht für die Inventarnummer des Glasdias. In der entsprechenden Inventarliste ist „1960“ zu lesen, was vermutlich ein Übertragungsfehler ist.

[2] Die Abbildung stammt von der sehr anschaulich aufbereiteten Web-Dokumentation Closer to Van Eyck [Link]. Den Hinweis darauf verdanke ich Prof. Dr. Jochen Sander im Rahmen seines Vortrags „Der Genter Altar der Brüder van Eyck. Gemäldetechnologie als Korrektiv für stilkritische Unschärfen“ (Ringvorlesung: Einführung in die Bildkünste, Goethe-Universität, Frankfurt am Main, 22.05.2023). Vgl. außerdem Dorothea Peters: Van Eyck, belichtet. Eine Geschichte der frühen Gemäldefotografie, in: Stephan Kemperdick, Johannes Rößler und Joris Corin Heyder (Hg.), Der Genter Altar. Reproduktionen, Deutungen, Forschungskontroversen, Petersberg 2017, S. 34–57.

[3] Dazu Jochen Sander: „Nach dem Raub des Genter Altars durch die Nazi war der Altar in Altausee in einem Salzbergwerk eingelagert worden und mit entsprechenden Schäden 1945 nach Gent zurückgekehrt. In Vorbereitung der Konservierung und Restaurierung wurden damals erstmals moderne gemäldetechnologische Untersuchungen durchgeführt, darunter auch Röntgenaufnahmen. Im Fall der hier reproduzierten Röntgendetails dürfte es um Veränderungen im Malprozess gehen, die auch damals schon im Zusammenhang mit der leidigen Zuschreibungsfrage „Jan und/oder Hubert?“ interessiert haben.“ (Mail vom 9. Okt. 2024). Vgl. auch Dubois, Hélène: Overview of the current projects, URL: https://closertovaneyck.kikirpa.be/ghentaltarpiece/#home/sub=research, 13.07.2024.

Durch einen Hinweis von Jochen Sander konnte nun auch die Vorlage für das Dia ausfindig gemacht werden: Paul Coremans (Hg.), L’agneau mystique au laboratoire. Examen et traitement, Anvers 1953, Tf. LVII. [Link]

[4] Hensel, Thomas: Aby Warburg und die „Verschmelzende Vergleichsform“, in: Bader, Lena; Gaier, Martin; Wolf, Falk (Hg.): Vergleichendes Sehen, Paderborn 2010, S. 469–490.

[5] Coudray, Alexia; Fremout, Wim: X-Ray fluorescence, URL: https://closertovaneyck.kikirpa.be/ghentaltarpiece/#home/sub=research , 13.07.2024.

[6] Devolder, Bart: The panel supports: The cradled wing panels, URL: https://closertovaneyck.kikirpa.be/ghentaltarpiece/#home/sub=restorations , 13.07.2024.

[7] Dünkel, Vera: Vergleichendes Röntgensehen. Lenkungen und Schulungen des Blicks angesichts einer neuen Art von Bildern, in: Bader/Gaier/Wolf 2010, S. 360–377, hier S. 377. Siehe außerdem: Vera Dünkel, Röntgenblick und Schattenbild. Genese und Ästhetik einer neuen Art von Bildern, Berlin 2016.

[8] Wörther, Matthias: Der Genter Altar. Reise in ein Bild, in: MUK. Medien und Kommunikation, Fachstelle der evangelischen und katholischen Kirche, 57 (2013), S. 1–20, hier S. 3.

[9] Die Zitate von Wyss und Berenson finden sich als Kapitelüberschriften in: Wolfgang Ullrich, Raffinierte Kunst. Übung vor Reproduktionen, Berlin 2009.

[10] Gaier, Martin: Einleitung, in: Bader/Gaier/Wolf 2010, S. 118–127.


Das vorliegende Glasdia zeigt die illuminierte Seite einer mittelalterlichen Handschrift. Die vollständige Beschriftung des Glasdias lässt sich wie folgt ablesen: „Vivians-Bibel[1], Paris, Bibl. nat. lat 1, Köhler Ⅰ 72, Karolingisch, U. Fr. 32605[2]“ Aus dieser geht hervor, dass es sich um eine Reproduktion der Tafel 72 aus dem von Wilhelm Koehlers begonnenen Corpuswerk Die karolingischen Miniaturen (1930–2013) handelt, und zwar dem Tafelband zu Band 1: Die Schule von Tours.[3] Die Beschriftung verrät außerdem, dass das originale Werk aus der Vivian-Bibel stammt, welche in der Bibliothèque nationale de France in Paris vorliegt und online eingesehen werden kann.[4]

Das vorliegende Motiv findet sich auf Seite 215 verso. Es handelt sich um eine karolingische Miniaturmalerei, die um 845 entstanden ist. Die Maße der Pergamentblätter betragen 49,5 x 34,5cm.[5] Das farbige Digitalisat erlaubt weitere Feststellungen: In der Bildüberschrift lässt sich das Wort „DAVID“ herauslesen, was einen ersten Anhaltspunkt hinsichtlich der Entschlüsselung der ikonographischen Darstellung vermuten lässt. Dieser wird verstärkt durch eine Inschrift über der zentral abgebildeten stehenden Figur, die eine Krone trägt und eine Harfe in den Händen hält: „DAVID REX ET PROP[HETA]“. Somit handelt es sich um König David[6], der von vier weiteren Figuren mit verschiedenen Musikinstrumenten und zu seiner Seite von je einer Leibwache umgeben ist.

Auf der Reproduktion bei Koehler sowie auf dem Dia sind die Inschriften allerdings nur sehr schwach, bis gar nicht zu sehen. Es ist zu vermuten, dass es 1930 eine technische Herausforderung darstellte, die in goldener Schrift ausgeführten Bezeichnungen fotografisch zu reproduzieren. Die Vorlage und ihre Vervielfältigung im Dia vermitteln jedoch einen anschaulichen Eindruck, wie groß die Abhängigkeit kunsthistorischer Arbeit von der Wiedergabequalität fotografischer Reproduktionstechniken war (und ist), wenn die Einsichtnahme des Originals aus Zeit- oder Kostengründen verwehrt bleibt.[7]

Text: Jasmin Schindler

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Die sogenannte Vivian-Bibel ist die erste Bibel Karls des Kahlen, eine per Hand verfasste Schrift aus den Jahren 845/846, die in Tour (Indre-et-Loire) angefertigt wurde. Vgl. (Bildindex der Kunst & Architektur), URL: https://www.bildindex.de/document/obj20564182?part=0 (04.06.2024). Sie wurde als Geschenk des Laienabtes Vivien und den Mönchen von Saint-Martin de Tours an den Kaiser Karl des Kahlen übergeben. Vgl. (Online Archiv-Sammlung der Nationalbibliothek Frankreich 2012), URL: https://archivesetmanuscrits.bnf.fr/ark:/12148/cc8447n (04.06.2024).

[2] „Bibl. nat.“ sind ist die Abkürzungen für die Bibliothèque nationale de France, während „lat 1“ die Signatur des Werkes bezeichnet. Die zuletzt genannte Ziffer entspricht der Inventarnummer des Frankfurter Instituts.

[3] Koehler, Wilhelm (Hg.): Die karolingischen Miniaturen, Bd. 1, Tafelbd.: Die Schule von Tours, (Nachdr. der Ausg. Berlin 1930), Wiesbaden 1963, S. 72.

[4] Vgl. (Online Archiv-Sammlung der Nationalbibliothek Frankreich 2012), URL: https://gallica.bnf.fr/ark:/12148/btv1b8455903b/f438.item.zoom (04.06.2024).

[5] Vgl. (Bildindex der Kunst & Architektur), URL: https://www.bildindex.de/document/obj20564182?part=0 (04.06.2024).

[6] Im Alten Testament zählt David als bedeutendster und erster König von Juda und Israel. Die Darstellung Davids als Dichter und Sänger ist vor allem in Psalterillustrationen vorzufinden. Wyss, Robert L. , David, in: Reallexikon zur Deutschen Kunstgeschichte, Bd. III (1954), Sp. 1083–1119; in: RDK Labor, URL:, URL:https://www.rdklabor.de/wiki/David (15.06.2024).

[7] Das Diaarchiv des Kunstgeschichtlichen Seminars in Hamburg verwahrt zwei Glasdias dieses Motivs: https://fundus.uni-hamburg.de/de/collection_records/104495#pfad; https://fundus.uni-hamburg.de/de/collection_records/104487#pfad.

Das Glasdia zeigt ein repräsentatives zweigeschossiges Gebäude, das über Eck aufgenommen wurde. Die Fassade ist über ein Sockel- ein Gurt- und Kranzgesims gegliedert. Auf das Erdgeschoß mit einfachem Fenstergesims folgt das Hauptgeschoß (Beletage) mit größeren Fenstern, die mit Dreiecksgiebeln ausgestattet sind sowie eine Attika mit Oculi. Bei der linken Fassadenseite handelt es sich offenbar um die Hauptfassade, da dort das Eingangsportal zu sehen ist, während die rechtseitige Fassade im Erdgeschoss mit kleineren und weniger verzierten Fenstern versehen ist. Hervorstechendes Merkmal, ist ein um die Ecke laufender Balkon, der durch die perspektivische Ausrichtung des Motivs sowie durch das zulaufende Gurtgesims zusätzlich betont wird.

Auf dem Rahmen des Dias finden sich weitere Informationen. Unterhalb des Bildes wurde handschriftlich vermerkt: „Ferrara, Pal. dei Diamanti. 1492/93“. Demnach handelt es sich um eine Aufnahme des Palazzo dei Diamanti in Ferrara, der in der angegebenen Zeit erbaut wurde. Die weitere Recherche ergibt, dass der Palazzo von Biagio Rossetti (1447–1516) für Sigismondo d’Este entworfen wurde und heute als Museum dient.[1]             

Der Name des Gebäudes lenkt den Blick zurück auf die Fassade, welche aus einer Vielzahl pyramidaler Formsegmente besteht und somit ein klares Erkennungsmerkmal darstellt. Mit der Form des Diamanten (DIA-mant!) nimmt die Fassade auf das Wappen Ercoles I. d’Este, dem Bruder des Auftraggebers, Bezug. Und noch ein Detail weckt das Interesse: Auf dem Balkon befinden sich zwei Personen, die offenbar Notiz von dem Fotografen/ der Fotografin nehmen. Der Versuch, eine besser aufgelöste Aufnahme von dem projizierten Dia zu erhaschen bleibt unbefriedigend, vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Aufnahme nicht in situ, sondern von einer bestehenden Vorlage hergestellt worden sein könnte oder zumindest bei ungünstigen Lichtbedingungen. Als Hersteller des Dias wird der in Frankfurt am Main ansässige Fotograf Gustav Rapp (1856–1940) ausgewiesen.

Der Vergleich mit einer zeitgenössischen Aufnahme des Palazzos offenbart darüber hinaus, dass die Aufnahme von einem leicht erhöhten Standort – vielleicht aus dem Balkon eines gegenüberliegenden Gebäudes – hergestellt worden sein muss, wodurch die perspektivische Verzerrung gemildert erscheint. Anstelle der beiden Personen finden sich heute die Flaggen von Italien und Europa auf dem Balkon.

Text: Jonathan Winterbauer

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Webseite des Museums:  https://www.palazzodiamanti.it/en/. Vgl. außerdem die ähnlichen Fotografien im Bestand der Bibliotheca Hertziana: https://foto.biblhertz.it/obj08060078 und im Bildarchiv Foto Marburg: https://www.bildindex.de/document/obj08060078?medium=bh445809&part=3

Bei dem vorliegenden Objekt handelt es sich um ein Dia aus der Sammlung der Universität Frankfurt wie der Frankfurter Stempel am Rand anzeigt. Hersteller des Glasdias ist die Firma Dr. Franz Stoedtner, wie sich dem Etikett entnehmen lässt. Auf der gegenüberliegenden Seite findet sich der zunächst schwer leserliche Vermerk „Jordaens, Braunschweig“ sowie die rot hervorgehobene Inventarnummer „U.Fr. 14445“. Auf der Vorderseite des Dias ist das Glas gesprungen.

Die Reverse Image Search enthüllt (schneller als sich der handschriftliche Vermerk entziffern lies), dass es sich bei der Abbildung um eine Reproduktion von Jacob Jordaens Gemälde Die Anbetung der Hirten handelt. Von dem Gemälde gibt es jedoch unterschiedliche Fassungen, was die Identifikation zunächst erschwert. Das Mauritshuis besitzt eine 1617 geschaffene Version mit einer ähnlichen Komposition.[1] Die größte Übereinstimmung ergibt sich jedoch mit einer 1618 gemalten Fassung, die in der Sammlung des Herzog Anton-Ulrich-Museums in Braunschweig verwahrt wird. Letzte Zweifel können schließlich ausgeräumt werden, da der senkrecht zwischen Maria und dem Neugeborenen Christkind verlaufende Riss, der im Dia zu erkennen ist, identisch auch auf dem Gemälde in Braunschweig zu sehen ist, ein Verweis auf die materielle Beschaffenheit des auf Eichenholz ausgeführten Gemäldes.[2]

Eine Datierung des Dias und seiner Vorlage kann nur vermutet werden. Das Bildarchiv Foto Marburg verzeichnet zwei Schwarzweiß-Reproduktionen, von dem eine ebenfalls von Stoedtner stammt, während die andere über das Museum in Braunschweig bezogen wurde.[3]

Das in Farbe reproduzierte Dia muss später angefertigt worden sein. Ein Hinweis hierauf liefert das Firmenetikett Stoedtners, dass sich im Laufe der Geschichte mehrfach geändert hat. So verweist die Anschrift „Düsseldorf, Graf-Adolf-Str. 70“ eindeutig auf den ab 1945 bezogenen Standort der Firma. Nach Stoedtners Tod 1946 wurde die Firma zunächst von seiner Ehefrau Ottilie Stoedtner (geb. Rady) und später von Heinz Klemm fortgeführt.[4] Farbige Dias sind ab 1960 nachgewiesen, sodass die Herstellung unseres Dias für diese Zeit vermutet werden darf.

Text: Margo Leinberger

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Jacob Jordaens, Die Anbetung der Hirten, ca. 1617, Öl auf Holz, 225 x 95 cm, Mauritshuis, Antwerpen, vgl. https://www.mauritshuis.nl/de/sammlung-entdecken/kollektion/937-the-adoration-of-the-shepherds/ zuletzt abgerufen 20.05.2024.

[2] Jacob Jordaens, Die Anbetung der Hirten, 1618, Öl auf Eichenholz, 125 x 95.7 cm, Herzog Anton-Ulrich-Museum Braunschweig. Vgl. Rüdiger Klessmann, Die flämischen Gemälde des 17. und 18. Jahrhunderts, Herzog Anton-Ulrich-Museum Braunschweig, München 2003, S. 65.

[3] Laut Angabe im Bildindex könnte die Stoedtner-Aufnahme 1895 oder 1920 angefertigt worden sein. In Stoedtners Katalog „Niederländische Kunst in Lichtbilder“ von 1912 wird die Abbildung auf S. 42 unter Nr. 17933 geführt.

[4] Ein Teilnachlass von Stoedtner ist in das Bildarchiv Foto Marburg übergegangen. Vgl. hierzu die teils abweichenden Angaben unter: https://www.uni-marburg.de/de/fotomarburg/bestaende/uebernahmen/stoedtner sowie https://wikis.hu-berlin.de/mediathek/Glasdias_Hersteller#Dr._Franz_Stoedtner. Nachzuprüfen in: 45 Jahre deutsche Lichtbildarbeit. Zum 70. Geburtstag Dr. Franz Stoedtners, Berlin 1940; Heinz Klemm (Hg.), Katalog Dr. Stoedtner. Kunstdias. Baukunst. Plastik. Malerei. Grafik. Kunsthandwerk, Düsseldorf 1990.

Zu sehen ist das Porträt eines Mannes, der im Profil dargestellt ist und rechts aus dem Bild blickt. Sein Gesichtsausdruck ist ruhig und nachdenklich, sein Blick scheint in die Ferne zu schweifen. Er hat volle, dunkle Haare und trägt einen dichten Vollbart. Weitere Details lassen sich nur erahnen, vermutlich liegt das daran, dass es sich um eine Schwarzweiß-Fotografie handelt. Die Schattierungen erscheinen dadurch dunkler, während im Hintergrund eine unscharf angedeutete Landschaft zu erkennen ist, die das Porträt wie im Gegenlicht verschattet. Das Bild strahlt Ruhe und Nachdenklichkeit – vielleicht sogar Melancholie – aus. Aber wer ist die dargestellte Person und wer hat das Gemälde geschaffen?

Näheren Aufschluss hierüber erteilt die Beschriftung des Dias. Der linke Papierstreifen enthält die gedruckte Notiz „Dr. Franz Stoedtner, Institut f. wissensch. Projektionsphotographie. Berlin NW.7“, was auf den Hersteller des Dias hinweist. Über die Notiz wurde ein Stempel des „Kunstgesch. Institut Universität Frankfurt M.“ aufgebracht. Auf dem rechten Papierstreifen steht handschriftlich „26763. Müller, Bildnis Scholderers, Frankfurt a/M. Müller.“ Diese Notiz scheint zu dokumentieren, dass das Bild das Werk eines Künstlers namens Müller ist und es sich um das Porträt eines Mannes mit Namen Scholderer handelt.

Bei einer Internetrecherche nach diesen Notizen, fand ich die Aufnahme des Porträts in der Sammlung der Deutschen Digitalen Bibliothek, wobei es sich um einen Datensatz aus dem Bildarchiv Foto Marburg handelt.[1] Dieser bestätigt die Notizen am Rand des Dias; tatsächlich zeigt die Reproduktion ein Ölgemälde des gebürtigen Frankfurter Malers Victor Müller (1830–1871), das um 1861 entstand und sich in der Sammlung des Städelmuseums in Frankfurt am Main befindet.[2] Bei dem portraitierten Mann handelt es sich um den Frankfurter Maler Otto Franz Scholderer (1834–1902).[3] Laut Angabe des Marburger Bildindex stammt die Aufnahme des Gemäldes aus dem Jahr 1937. Ein weiteres Indiz zur Datierung liefert das Firmenettikett. Der Adresszusatz „NW. 7“ verweist auf die Berliner Adresse Universitätsstr. 3b und kann im Adressbuch von 1905–29 nachgewiesen werden. Auffällig ist das Nummernfeld links, in dem sich der bislang nicht ermittelte Vermerk „F.A“ findet.[4]

Text: Maria-Luiza Georgi

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Deutsche Digitale Bibliothek: https://www.deutsche-digitale-bibliothek.de/item/2FZ3XOX3SFKDOFBK5Y6AZHFIHA3W4ZSW; Foto Marburg: https://www.bildindex.de/media/obj20592016/mi04677g13?medium=mi04677g13.

[2] Die Digitale Sammlung des Städel verzeichnet 685 Werke von Müller. Das hier behandelte Porträt ist jedoch nicht darunter. Siehe: https://sammlung.staedelmuseum.de/de/person/mueller-victor

[3] Die Ähnlichkeit zum Porträtierten lässt sich an dessen Scholderers Selbstbildnis mit Palette und Pinseln (1861/62) verifizieren, https://www.staedelmuseum.de/go/ds/sg646

[4] Laut einer Aufstellung von Georg Schelbert gehört dieses Etikett zeitlich in die Mitte des angegebenen Zeitraums. Vgl. https://wikis.hu-berlin.de/mediathek/Glasdias_Hersteller#Dr._Franz_Stoedtner. Für weitere Beispiele von Glasdias mit dieser Etikettierung siehe: https://rs.cms.hu-berlin.de/ikb_mediathek/pages/search.php?search=%2C+%40%4019385&archive=0&restypes=Global%2C1%2C2&access=.

Motiv des vorliegenden Glasbilddias ist das 1911 geschaffene Gemälde Ansicht von Frankfurt von Max Slevogt. Es zeigt das mit Fußwegen und mit Bäumen gesäumte Mainufer in Frankfurt mit Blick auf die Alte Brücke und dem Dom im Hintergrund. Auf der Vorderseite des Glasdias ist auf der rechten Seite ein vertikal angebrachter gelblicher Aufkleber zu sehen, der gestempelt und beschrieben wurde. Neben dem Stempel „Kunstgesch. Institut Universität Frankfurt/M.“ lässt sich die handschriftliche Notiz „Slevogt. Frankfurt.“ entdecken. Die Angabe einer Agentur oder Inventarnummer fehlt.

Der Blick auf die Rückseite des Dias offenbart eine gedruckte Bildunterschrift, die auf der Vorderseite nicht zu sehen ist, da sie vom Kleberahmen verdeckt wurde. Ein Sprung im Glas sowie Kleberückstände erschweren die Entzifferung. Zu lesen ist auf der linken Seite „MAX SLEVOGT“ und auf der rechten Seite, auf gleicher Höhe und ebenfalls in Versalien: „BLICK AUF FRANKFURT“ sowie darunter „(Aus dem Besitz der Modernen Galerie Tannhäuser, München)“. Zur leichteren Entzifferung hat sich eine gespiegelte Fotografie als hilfreich erwiesen. Ein Scan der Rückseite vermochte die Bildunterschrift nicht gut genug darzustellen, selbst im bearbeiteten Zustand.

Die „Moderne Galerie Thannhäuser“ befand sich von 1909 bis 1927 im Arco-Palais auf der Theatinerstraße 7 in München und Heinrich Thannhauser (1859–1934) war deren Gründer und Leiter von 1904/05 bis 1921.[1] Die „Moderne Galerie“ hatte ein besonders innovatives Verkaufskonzept. Die Galerieräume waren wie Wohnbereiche eingerichtet, außerdem verstand sich die Galerie darauf, große Aufmerksamkeit für sich zu gewinnen. Ausgestellt wurden Werke von europäischen Größen, wie Picasso, Van Gogh, den französischen Impressionisten und der  italienischen Avantgarde, sowie dem Blauen Reiter, sodass sie sich als Drehscheibe der internationale Moderne verstehen lässt.[2]

Die Bildunterschrift deutet daraufhin, dass die Reproduktion nicht vor dem Original, sondern auf Grundlage einer Drucksache angefertigt wurde. Es lag nahe, zur Suche nach der Vorlage in den Katalogen zu suchen, welche die Galerie um die Entstehungszeit des Gemäldes herausgegeben hat. Tatsächlich findet sich in einer Ausgabe von 1916 eine entsprechende Abbildung, jedoch mit abweichender Bildunterschrift. Die Typografie ist identisch, allerdings findet sich dort der Verweis zu einer weiteren prominenten Referenz des deutschen Kunsthandels: „Mit Genehmigung des Verlages Bruno Cassirer, Berlin“. Es liegt daher nahe, dass der Münchener Katalog seinerseits eine Reproduktion verwendete, die im Umkreis der von Bruno und Paul Cassirer geleiteten Berliner Galerie veröffentlicht wurde und die zugleich die Vorlage für das hier behandelte Glasdia sein muss.[3] 

Eine parallele Recherche über den Bildindex der Kunst und Architektur führt zu zwei Datensätzen des Bildarchivs Foto Marburg. Neben Angaben zum Gemälde findet sich auch ein historisches Glasnegativ in den Maßen mit 13 x 18 cm, das auf 1900/1939 datiert wird. Im Unterschied zu dem Frankfurter Glasdia muss die Reproduktion vor dem Original aufgenommen worden sein, wie der Blick auf die Transportkiste, rechts des Gemäldes, verrät.[4]

Andere Werke, die den Frankfurter Main und die Alte Brücke als Bildthema haben, können zu Vergleichszwecken herangezogen werden, wie etwa ein Glasdia aus dem Bestand der Mediathek des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte der Humboldt-Universität zu Berlin, das eine fotografische Vorlage der Deutschen Bauakademie (DBA, 1951–1990) widergibt. Bemerkenswert ist der Vergleich mit Gustave Courbets Gemälde Blick auf Frankfurt am Main mit der Alten Brücke von Sachsenhausen her (1858) aus dem Bestand des Städels.

Text: Alice Cordier

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Staatliche Museen zur Berlin, Preußischer Kulturbesitz: Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin: Ein Provenienzforschungsprojekt. Moderne Galerie Thannhauser, München/Berlin, URL: https://www.galerie20.smb.museum/kunsthandel/K71.html (09.06.2024); Daraufhin übernahm sein Sohn Justin Thannhauser die Galerie und eröffnete zahlreiche Zweigstellen in den Jahren bis 1971. Die Familie Thannhauser gehörte zu den führenden Kunsthändlern Deutschlands.

[2] Weitere Informationen zur Galerie Thannhauser: Schnelzer, Konstanze: Die „Moderne Galerie“ Thannhauser. Schaufenster der internationalen Moderne in München, in: Munich Art to go, URL: https://municharttogo.zikg.eu/items/show/33 (09.06.2024).

[3] Die Publikation konnte noch nicht ermittelt werden.

[4] http://id.bildindex.de/thing/0000028303; http://id.bildindex.de/thing/0001201252 ( (09.06.24).

Werkwohnsiedlung Siemens, München, Glasdia aus dem Bestand des Kunstgeschichtlichen Instituts der Goethe Universität, Frankfurt/M., (Digitalisat: Bildstelle und Mediathek des Kunstgeschichtlichen Instituts Goethe-Universität Frankfurt am Main) [ConedaKor]

Dieses Glasdia wurde im Jahre 1956 in München gefertigt und enthält zwei unterschiedliche Kennzeichnungen. Zum einen trägt das Dia die Nummer „562430“ (rechts unten), welche gedruckt ist und vom Siemens-Archiv stammt, zum anderen ist dort die handschriftlich eingetragene Identifikationsnummer „U.Fr. 28190“ und damit die Zugehörigkeit zum Kunstgeschichtlichen Instituts der Goethe Universität Frankfurt am Main vermerkt, was außerdem durch den blauen Stempel rechts neben der Nummer angezeigt wird.  Unterhalb des Bildes befindet sich die Bildunterschrift „Siemens – Wohnsiedlung München, Boschetsriederstraße“, die mit weißer Schrift auf schwarzem Untergrund gedruckt wurde und Aufschluss über das fotografierte Motiv erteilt. In leicht ungesättigten Farbtönen und einem bläulich dominierenden Unterton ist dort die Wohnhochhaussiedlung von Siemens in München-Obersendling zu sehen. Dabei ragt links auf dem Bild ein 17-stöckiges Hochhaus empor, während sich drumherum weitere Wohnblöcke unterschiedlicher Höhe erstrecken. Im Vordergrund zwischen dem Hochhaus und den Wohnblöcken ist eine Wiese zu sehen. Der etwas karge Baumbestand deutet auf eine nur wenige Zeit zurückliegende Bepflanzung der Fläche hin. Blüten und junge Triebe lassen auf eine Aufnahme im Frühling schließen. Oberhalb des Bildes befindet sich eine weitere handschriftliche Beschriftung mit dem Hinweis: „München Wohnsiedlung, Siemens, Architekt Emil Freimut [sic!]“. Tatsächlich zeigt das Glasdia Gebäude der Werkwohnsiedlung in München, die dadurch Bekanntheit erlangten, da in ihr die ersten Wohnhochhäuser Bayerns sowie in Süddeutschland insgesamt errichtet wurden. Emil Freymuth hat 1952 mit dem Bau der Siedlung begonnen, in der zwei Hochhäuser mit sternförmigem Grundriss, inmitten „von Wohnblöcken in Zeilenweise“ realisiert wurden. 1958 waren die Hochhäuser mit einer Höhe von 51 Metern die Höchsten in München. Erst 2007 wurde das Ensemble mit einem dritten Sternhochhaus, nach einem Entwurf von Otto Steidle+Partner, vervollständigt.[1] Dass die Bauarbeiten 1956 noch nicht ganz abgeschlossen waren, offenbart der Blick auf einen Wohnblock im Rohbau, der links des Hochhauses zu sehen ist. Seit 1992 ist die Boschtsrieder Siedlung ein eingetragenes Baudenkmal, wobei 2009 der Siemens-Konzern den kompletten Wohnungsbestand verkaufte. Bei den Käufern handelte es sich um ein Konsortium aus den drei deutschen Immobilienunternehmen „die Wohnbau GmbH“ mit Sitz in Bonn, die „GBW Gruppe“ aus München und die „Volkswohnung GmbH“ aus Karlsruhe.[2] Die Sammlung des Kunstgeschichtlichen Instituts verwahrt noch vier weitere Glasdias der Firma Siemens, die Aufnahmen der Werksgebäude zeigen.

Text: Erika Barsegian

Ergänzung & Redaktion: Alisha Spatz und Thomas Helbig


Anmerkungen:

[1] Lübbeke, Wolfram: „Hochhäuser“, in: Historisches Lexikon Bayerns, URL: https://www.historisches-lexikon-bayerns.de/Lexikon/Hochhäuser (19.05.2024). Die dargestellte Siedlung wurde Anfang der 1950er Jahre von dem Kölner Architekten geplant. Siehe hierzu: Nerdinger, Winfried: Architekturführer München, Berlin 2002, S. 174.

[2] Brinkmann, Ulrich: „Siemens-Wohnsiedlung“, in: Bauwelt 15-16.2011-Dämmen und Denkmal, URL: https://www.bauwelt.de/themen/bauten/Siemens-Wohnsiedlung-Aussendaemmung-Energieeffizienz-Baukultur-Boschetsrieder-Siedlung-Muenchen-Koch-Partner-2155102.html (26.06.2024).