Personen

Lilli Fischel

Luise Fischel, genannt Lilli, wurde am 14. Januar 1891, als jüngstes von vier Kindern, in Bruchsal geboren.[1] Sie verstarb am 28.12.1978 in Karlsruhe.[2] Durch die Mutter Eugenie, geborene Theis (1861–1944) erhielten die Kinder eine evangelisch geprägte Erziehung. Der Vater Ottmar Fischel (1850–1930) stammte aus einer jüdischen Familie und war selbstständiger Fabrikant.[3] Nach dem Abitur am heutigen Bismarck-Gymnasium in Karlsruhe begann Fischel ihre akademische Ausbildung 1909 an der Kunstakademie Karlsruhe, wo sie Bildende Kunst studierte.[4] Ab 1912 studierte sie an der Ludwig-Maximilians-Universität in München zunächst Philosophie, dann Kunstgeschichte. Nach drei Semestern wechselte sie an die Universität Freiburg und schließlich an die Universität Frankfurt, wo sie 1919 bei Rudolf Kautzsch (1868–1945) ihr Studium mit einer Promotion zum Thema „Mittelrheinische Plastik des 14. Jahrhunderts“ abschloss.[5] Ihre Prüfer waren neben Kautzsch, der Historiker Fedor Schneider (1879–1932) und der Archäologe Hans Schrade (1869–1948), bei ihnen legte sie am 31.07.1919 ihre mündliche Prüfung ab.[6]

In der Zeit von 1919 bis 1925 war sie im Kunsthandel tätig, bevor sie im April 1925 als wissenschaftliche Hilfsarbeiterin an der Badischen Kunsthalle in Karlsruhe eingestellt wurde.[7] Der damalige Direktor Willy Storck war bereits schwer erkrankt, als er Lilli Fischel einstellte. Im Jahr 1927 verstarb Storck und Fischel erhielt nach zähen Verhandlungen die kommissarische Leitung der Badischen Kunsthalle Karlsruhe und 1930 bis 1933 die Leitung.[8] In dieser Zeit führte sie die Ankaufspolitik von Stork fort und erwarb in der Zeit von 1927 bis zu ihrer Entlassung 1933 Werke von Gustave Courbet, Max Liebermann, Lovis Corinth, Max Slevogt, Georg Scholz, Rudolf Schlichter, Hans von Marées und Edvard Munch.[9] Für ihre Ankaufspolitik wurde sie vom Reichsverband Bildender Künstler stark angegriffen und im Februar 1933 entlassen. Im Nachgang wurde hierfür ihre jüdische Abstammung genannt.[10]

Noch im gleichen Jahr emigrierte Lilli Fischel nach Paris, wo sie sich mit Tätigkeiten im Kunsthandel durchschlug. Im „Verborgenen“ arbeitend, konnte sie der Deportation entgehen[11] und kehrte 1940 nach Deutschland zurück, wo sie bis Ende 1951 als Kunsthändlerin in München arbeitete, allerdings bis Kriegsende unter Pseudonym.[12]

Der Direktor der Badischen Kunsthalle, Kurt Martin, holte Fischel 1952 als Hauptkonservatorin und Leiterin des Kupferstichkabinetts an die Kunsthalle zurück.[13] Diese Stelle begleitete sie bis zu ihrem Ruhestand Ende Mai 1956.

,,Bei ihren kunstgeschichtlichen Arbeiten ging es Lilli Fischel in erster Linie um die künstlerische Seite des Kunstwerks. Eine ausgeprägte schriftstellerische Begabung befähigte sie zu einer reichen, lebendigen und anmutigen Sprache, mit der sie künstlerische Phänomene eindringlich zu beschreiben und zu deuten vermochte. So bieten ihre Schriften dem Leser nicht nur umfassende sachliche Unterrichtung, sondern zugleich hohes ästhetisches Vergnügen.“

Johann Eckart von Borries, Lilli Fischel zum Gedenken, in: Museumskunde. 44, 1979, H. 1 [14])

Text: Beate Köth


Anmerkungen

[1] Lang, Lisa: Frieda Fischer, Lilli Fischel und Hanna Stirnemann – Frauen in Führungspositionen an Museen zu Beginn des 20. Jahrhunderts (Masterarbeit, Technische Universität Berlin) Berlin 2022, S. 38, https://doi.org/10.14279/depositonce-16770 . Siehe außerdem: „Fischel, Lilli“. Biographische Handbücher der deutschsprachigen Emigration nach 1933. Berlin 2022, https://www.degruyter.com/database/BHDE/entry/KHE-0055/html (Abruf 07.11.2024).

[2] Stadt Karlsruhe Stadtarchiv & Historisches Museum, Karlsruhe 2022, https://stadtlexikon.karlsruhe.de/index.php/De:Lexikon:bio-0580 (Abruf 07.11.2024).

[3] Lang 2022, S. 38.

[4] Karlsruhe Stadtarchiv & Historisches Museum.

[5] Lang 2022, S. 41.

[6] Ebd.

[7] Karlsruhe Stadtarchiv & Historisches Museum.

[8] Ebd.

[9] Heinrich Dilly: Fischel, E. Luise, in: Prinz, Wolfram und Peter Cornelius Claussen (Hgg.): Die Geschichte des Kunstgeschichtlichen Institutes der Goethe-Universität Frankfurt: 1915–1995, Frankfurt am Main 2002, S. 79–81, hier S. 80.

[10] Ebd.

[11] Ebd.

[12] Karlsruhe Stadtarchiv & Historisches Museum.

[13] Siehe hierzu den anschaulichen Beitrag Thomas Frank, Lilli Fischel – Kämpferin für moderne Kunst, Blog der Kunsthalle-Karlsruhe, https://www.kunsthalle-karlsruhe.de/blog/lilli-fischel-kaempferin-fuer-moderne-kunst/ (Abruf 07.11.2024).

[14] Zit. n. Dilly 2002, S. 80. Siehe etwa ihre Schriften „Bilderfolgen im frühen Buchdruck: Studien zur Inkunabel-Illustration in Ulm und Straßburg, Konstanz u.a. 1963“ und „Von der Bildform der Französischen Impressionisten, in: Jahrbuch der Berliner Museen, 1973, Bd. 15, 1973, S. 58–154, https://www.jstor.org/stable/4125730.