Virtuelle Ausstellung

Vom Sammeln und Wegwerfen. Auf Spurensuche nach Lehrmitteln in der Kunstgeschichte

Diese medienübergreifende Ausstellung will die Geschichte der Lehrmaterialien in der kunstgeschichtlichen Lehre in ihrer Bandbreite zeigen. Zu den ausgewählten Exponaten gehören Glas- und Kleinbilddias, Mikrofiches, Lehrbücher und Mappenwerke sowie Gipsabgüsse von dreidimensionalen Kunstwerken. Anhand der ausgestellten Objekte werden Antworten auf die folgenden Fragen gesucht: In welcher Weise wurde/wird kunstgeschichtliches Wissen vermittelt? Welche Materialien wurden/ werden dafür in der Lehre eingesetzt? Die Idee für diese Ausstellung stand lange vor der Corona-Pandemie, die die Änderungen in der Lehre durch Digitalisierung maßgebend beschleunigt hat, aber uns auch zwang, nach einer alternativen Form für die Präsentation der Objekte zu suchen, die ursprünglich in der Bibliothek des Kunstgeschichtlichen Instituts im Frühling 2020 hätte stattfinden sollen.

Mit den Lehrmitteln aus den späten 19. Jahrhundert bis zu unseren Tagen möchten wir die Veränderungen in der Lehre und den Wandel des Mediums Bild durch technischen Fortschritt, innovative Vermittlungsstrategien und vielfältige Lehrmethoden präsentieren. Aber auch denjenigen, die sich für die Geschichte des Kunstgeschichtlichen Instituts in Frankfurt interessieren, bietet die Ausstellung interessante Einsichten zu den Anfängen des Faches an der Universität. Anhand von Objekten werden bedeutende Geschehnisse aus der Institutsgeschichte und prägende Professoren von der Gründung 1915 bis zum Kriegsende vorgestellt.

Die ausgewählten Exponate sind in drei Kategorien – dreidimensionale Medien, Buch- und Bildmedien – unterteilt, die sich jeweils einer spezifischen Form von Lehrmitteln widmen. Es werden unter anderem Glasdias durch Lichtboxen reinszeniert, Mikrofiches in ihrer ursprünglichen Bedeutung erklärt, die hauseigene Bilddatenbank ConedaKOR vorgestellt und die ehemalige Gipsabgusssammlung des Instituts durch Fotografien und erhaltene Objekte fassbar gemacht. Die Anfänge der kunstgeschichtlichen Lehre im Frankfurter Institut werden dadurch mit historischen Dokumenten und Objekten präsentiert und der Umgang mit dem Medium Bild in Buchpublikationen veranschaulicht.

Besonders im Vordergrund sollen die Lehrmittel gerückt werden, die mittlerweile als outdated bezeichnet werden können, es gilt ihnen erneute Beachtung zu schenken und ihre einstige Bedeutung nachzuzeichnen. Einzelne Exponate sollen nicht mit ihrer jeweils individuellen Geschichte dargestellt, sondern als Teil einer Geschichte des Bildes und der kunstgeschichtlichen Lehre begriffen werden. Dabei wird auch die Frage nach dem komplexen Dialog zwischen Original und Kopie berücksichtigt. Ergänzend werden in Kooperation mit dem Institut der Kunstpädagogik Frankfurt künstlerische Arbeiten gezeigt, die sich in unterschiedlichen Fragestellungen mit dem Medium (Glasbild-)Dia auseinandersetzen und sich dem Thema mittels ihrer Materialität oder Historizität annähern. Aber auch Arbeiten von Mitarbeitern und Studierenden des Kunstgeschichtlichen Instituts Frankfurt kommen nicht zu kurz. Weitere Projekte stehen an, die wir hier kontinuierlich präsentieren wollen.

Die Kuratorinnen möchten all jenen herzlichen Dank aussprechen, die die virtuelle Ausstellung möglich gemacht haben. Zunächst Herrn PD Dr. Michael Maaser, dem Leiter des Frankfurter Universitätsarchivs, und Herrn Dr. Matthias Recke, Institut für Archäologische Wissenschaften Frankfurt und Kustos der Gipsabgusssammlung, die uns den Zugang zu ihren Dokumenten und Objekten gaben, dem Institut für Kunstpädagogik der Goethe Universität und besonders Prof´in Dr. Verena Kuni und Christina Zück für die fruchtbare Zusammenarbeit, die u.a. zu verschiedenen künstlerischen Projekten führte, die beim Rundgang der Kunstpädagogik 2019 gezeigt wurden und die von den Mitarbeiter*innen und den Studierenden geschaffen wurden.

Frankfurt am Main und Bonn im Januar 2021
Hilja Droste, Paula Günther und Doris Reichert

Buchmedien

Kugler, Franz: Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Grossen,  3 Bde.,  3. Aufl. Nach der von Dr. Jacob Burckhardt besorgten zweiten Auflage neu bearbeitet und vermehrt von Hugo Freiherrn von Blomberg, Leipzig: Duncker und Humblot, 1867 (Foto: Marlène Heinzinger)

1837 veröffentlicht Franz Kugler sein Werk Handbuch der Geschichte der Malerei seit Constantin dem Grossen in 2 Bänden.  Damit wurde eines der ersten Überblickswerke in der sich gerade formierenden universitären Wissenschaft der Kunstgeschichte veröffentlicht. Sein Verfasser Franz Kugler, Professor an der Berliner Akademie der Künste, erwarb sich in den folgenden Jahren besonders als Handbuchautor großen Ruhm. Es erschienen u.a. das Handbuch der Kunstgeschichte (1842) und die Geschichte der Baukunst (1856-1873). 

Kuglers Handbuch der Malerei ist in der Frankfurter Kunstbibliothek in der dritten Auflage von 1867 vorhanden und binnen 30 Jahren nach der Erstauflage auf 3 Bände angewachsen. Kein Geringerer als Jacob Burckhardt, ein Schüler von Franz Kugler, besorgte die Neuauflage von 1847 und Freiherr von Blomberg hat schließlich die neu bearbeitete und vermehrte 3. Auflage, die hier vorliegt, herausgegeben. 

Es ist auffällig, dass diese Gattungsgeschichte, außer einem Porträt Franz Kuglers, über keinerlei Abbildungen verfügt. Die Einordnung der vielfältigen Zeugnisse der Malerei in verschiedene Schulen und die damit verbundene Orientierungshilfe für den Leser erfolgte einzig und allein über das Wort. Das lag 1867 sicherlich nicht am Mangel technischer Möglichkeiten. Womöglich war der Verzicht auf illustrierende Abbildungen, dem Bewusstsein der Autonomie der Reproduktion gegenüber dem Original geschuldet. Jedes eingesetzte Medium zur Dokumentation oder Erklärung des Kunstwerks besitzt bereits qua seiner Materialität eigene Qualitäten und hat damit auch eine eigene Aussagekraft. Ein Aspekt, den die moderne Medientheorie wieder aufgegriffen hat. 

Anschauungsmaterial für kunsthistorische Seminare und ein Pferd ohne Kopf 

Gurlitt, Cornelius, Die Baukunst Frankreichs, Dresden: Gilbers’sche Verlagsbuchhandlung, 1850-1938, Taf. 40 (Foto: Marlène Heinzinger) [ConedaKor]

In den frühen Jahren der kunstgeschichtlichen Lehre waren großformatige Mappenwerke mit großen Abbildungen beliebt. Sie konnten in den Veranstaltungen so gezeigt werden, dass mehrere Seminarteilnehmer die Reproduktion betrachten konnten. Die einzelnen Blätter waren lose und daher, je nach Lehrinhalten, flexibel zusammenstellbar. Aber auch gebundene großformatige Werke wurden skrupellos auseinandergenommen, um eigene Ordnungsprinzipien wiederzugeben, nach Epochen, Schulen, ikonografischen Themenbereichen etc. 

Zunächst beherrschten Reproduktionsverfahren wie z. B. der Kupferstich oder die Lithographie den Markt. Der Einzug der Fotografie in die kunsthistorische Lehre war bahnbrechend, aber zu Beginn nicht reibungslos verlaufen. Sie wurde zunächst nicht als künstlerische Praxis anerkannt und damit wurde ihr die emphatische Beziehung zum Werk abgesprochen. Schließlich überzeugte aber die vermeintlich objektive Wiedergabe des Kunstwerks durch die Fotografie. Welchen Einfluss der Einsatz der Fotografie auf die Wahrnehmung des Kunstwerks hatte und damit auf den Fortgang kunsthistorischer Wissenschaft lässt sich heute nur ansatzweise nachvollziehen, da der Umgang mit fotografischen Reproduktionen seit über 100 Jahren zur kaum mehr hinterfragten, alltäglichen Praxis gehört. 
Unsere ausgewählte Abbildung (Tf. 40) befindet sich im Mappenwerk „Die Baukunst Frankreichs“ von dem Kunsthistoriker und Kunstsammlers Cornelius Gurlitt (Vater des Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt). Sie zeigt den Chor von Saint-Pierre in Caen, eines der Hauptwerke von Hector Sohier, mit seinen reichen dekorativen Überformungen des gotischen Bauwerks. Die Szene im Vordergrund der Tafel 40 lenkt allerdings ab. Durch die langen Belichtungszeiten der frühen Fotografie entstanden häufig Geisterbilder. In unserem Beispiel gibt das Pferd ohne Kopf Anlass zu eigenen phantasievollen Bildgeschichten. 

Bildhunger und Expansion.
Druck- und Verlagswesen im 19. Jahrhundert

Im 19. Jh. fand eine regelrechte Revolution im Druckwesen statt. Eine technische Neuerung jagte die andere und lieferte so für die bildorientierte Kunstgeschichte immer mehr Material und Möglichkeiten für Forschung und Lehre. Um kostengünstiger produzieren zu können, gingen viele Verlage im 19. Jh. dazu über, eigene Werkstätten zu unterhalten. 
Die hier in der Abbildung gezeigte Räumlichkeit gehörte dem Verlag E. H. in Stuttgart, eine der größten Holzstechereien Deutschlands. Die zahlreichen Arbeitsplätze für die Xylographen und die durch Trennwände separierten Ateliers der ‚Artisten‘ zeugen von der boomenden Branche und der Wertschätzung ihrer Arbeit. Der Firmenchef Eduard Hallberger setzte bei seinen Produkten verstärkt auf das illustrierende Bild und war mit der, von ihm herausgegebenen Zeitung (Allgemeine Illustrirte Zeitung), sehr erfolgreich. Schließlich ermöglichte erst der Holzstich die Herstellung von detaillierten Abbildungen in großer Stückzahl. Ein weiterer Vorteil war, dass nun anders als beim Kupferstich, Text und Bild gemeinsam im Hochdruckverfahren hergestellt werden konnten.

Xylographen-Saal und Zeichenatelier des Verlages Eduard Hallberger 1878, Zinkätzung nach einem Holzstich, Abbildung aus:  Katharina Krause, Katharina (Hrsg.): Bilderlust und Lesefrüchte, Leipzig 2005, hier: S. 51, Abb. 33 [ConedaKor]

Weitere technische Entwicklungen, allen voran die neuen fotomechanischen Druckverfahren, die noch effizienter waren und noch detailgetreuere Abbildungen wiedergeben konnten, lösten den Holzstich Ende des 19. Jahrhunderts ab.

Nichts geht über das Original?
Handzeichnungen des Städels und ihre Reproduktionen

Einer der Gründe warum kunstgeschichtliche Seminare in ihren Anfangsjahren häufig an Kunstsammlungen angeschlossen wurden, lag sicherlich in der unmittelbaren Nähe zum Anschauungsmaterial, so war auch das Kunsthistorische Seminar in Frankfurt zu Beginn innerhalb des Städelschen Kunstinstituts untergebracht. 

Dennoch gab es Bestände, die besonderen Schutz benötigten, so zum Beispiel  die äußerst sensiblen Blätter der Handzeichnungen alter Meister. Die Direktion des Städels sah sich deshalb zu einem Lieferwerk mit Reproduktionen derselben veranlasst. Die Herausgeber der Blätter, die seit 1908 erschienen, versprachen originaltreue Abbildungen, hergestellt im zu dieser Zeit sehr beliebten Lichtdruck. Bei dieser Methode handelt es sich um ein fotomechanisches Flachdruckverfahren. Auf eine Glasplatte mit einer Chromgelatineschicht wird durch Lichteinwirkung ein fotografisches Halbton-Negativ kopiert. Die so hergestellten Druckplatten ermöglichten hochwertige und relativ kostengünstige Reproduktionen. Die Originale wurden vor allzu häufiger Benutzung geschont, während gleichzeitig die Kunstwerke bzw. ihre Reproduktionen eine weite Verbreitung im In- und Ausland erhielten – eine werbewirksame Aktion vieler Kunstgalerien. Der technische Fortschritt war aber nicht aufzuhalten:  auch der Lichtdruck wurde schnell durch andere Verfahren verdrängt, Ende des 19 Jh. stellte er aber eine revolutionäre Entwicklung in den Reproduktionstechniken dar, da ohne Rasterungen Halbtonbereiche wiedergegeben und große Auflagen gedruckt werden konnten.

Handzeichnungen alter Meister im Städelschen Kunstinstitut, originaltreue Lichtdrucke, hrsg. von der Direktion des Städelschen Kunstinstituts, Lieferung 1-6, Frankfurt a. M.: Selbstverlag, 1908/10 (Foto: Marlène Heinzinger) [ConedaKor]

Big is beautiful: Mappenwerke in der Lehre

Mappenwerke wie diese zu den Kunstschätzen des ehemaligen Dominikanerklosters  wurden um 1900 auch für die Lehre der Kunstgeschichte eingesetzt, denn sie ermöglichten durch ihr Größe das Anschauen von Bildern mit mehreren Personen ohne Lichtbildprojektion. Neben dem größeren Format sind für Mappenwerke die losen Blätter kennzeichnend. Meistens werden die Abbildungen noch durch eine Begleitpublikation ergänzt, so auch bei dieser Mappe, deren Textband von Heinrich Weizäcker verfasst ist. Trotz der teilweise schlechten Abbildungsqualität können diese Werke auch heute noch als wichtiges Quellenmaterial dienen, denn sie zeigen unter anderem den damaligen Zustand der Kunstwerke und lassen so Veränderungen am Werk nachvollziehen sowie Restaurierungen datieren.

Heinrich Weizsäcker, Die Kunstschätze des ehem. Dominikanerklorster in Frankfurt a. M., Tafelband, 45 Bl., München: F. Bruckmann A.-G., 1923 (Foto: Marlène Heinzinger) [ConedaKor]

Zur Farbigkeit von Abbildungen

Ein Werk, vier Versionen: Auf der Suche nach der passenden Reproduktion eines Werkes stößt man häufig auf Abbildungen unterschiedlichster Farbigkeit. Hier in diesem Beispiel ist es gut nachzuvollziehen, wie dasselbe Kunstwerk, Hans Holbeins Wurzel-Jesse-Darstellung aus der ehemaligen Frankfurter Dominikanerkirche, in Publikationen mit teilweise sehr voneinander abweichender Farbigkeit gezeigt wird: Gelbstich, Blaustich, Rotstich, Grünstich – aber welche Abbildung entspricht am ehesten dem Original? Diese Frage lässt sich letztlich nur durch einen direkten Vergleich mit – oder besser: vor – dem Original beantworten. Der Grund für dieses breite Spektrum in der reproduzierten Farbigkeit eines Werkes ist unter anderem häufig in der Drucktechnik zu finden. Da in der digitalen Welt oft Reproduktionen ebenso nach gedruckten Vorlagen produziert werden, finden wir dieses Phänomen auch hier.

Abbildungen aus: Cilleßen, Wolfgang P. (Hrsg.): Der Annenaltar des Meisters von Frankfurt, Kunststücke des Historischen Museums Frankfurt, Bd. 2, Frankfurt am Main 2012, S. 55, Abb. 42 (links oben); Samm.kat. Deutsche Gemälde im Städel 1500–1550, hrsg. von Bodo Brinkmann und Stephan Kemperdick, Mainz 2005, S. 388, Abb. 324 (links unten); Samm.kat. Alte Meister 1300–1800 im Städel Museum, hrsg. von Gabriel Dette und Jochen Sander, Ostfildern 2011, S. 35 (rechts oben); Ausst.kat. Hans Holbein d. Ä. Die Graue Passion in ihrer Zeit, Staatsgalerie Stuttgart (Stuttgart), Ostfildern 2010, S. 151, Abb. 124 (rechts unten). [ConedaKor]

Bildmedien

Seit der Erfindung der Fotografie steigerte sich die massenhafte Verbreitung des Bildes unaufhörlich. Bereits im 19. Jahrhundert fühlten sich viele Zeitgenossen von der ‚Bilderflut‘ überfordert. Der Bedarf an Reproduktionen in der Kunstgeschichte war und ist allerdings gewaltig und trotz digitaler Bildproduktion noch nicht gestillt. Mit dem Iconic turn (Wende zum Bild, ikonische Wende) in den 90er Jahren erhielt das Bild zunächst eine Aufwertung, die aber heute durch die explosiv angewachsene Kommunikation via Bild durch die social media wieder relativiert wird. 
Die für den Privatgebrauch als Arbeitsmaterial geordneten Bildersammlungen von Wissenschaftlern in den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts wirken heute in unseren Augen dilettantisch, sind aber Zeugnis dafür, dass Abbildungen damals noch ungenügend zur Verfügung standen. So schnitten Kunsthistoriker*Innen aus verschiedenen Publikationen Reproduktionen aus und brachten sie in eine für sie brauchbare, systematische Ordnung. Mehrere solcher Mappen befinden sich im Archiv des Kunstgeschichtlichen Instituts. Ausgewählt wurde eine Sammlung des Kunsthistorikers Curt Gravenkamp, der von 1945-61 den Frankfurter Kunstverein leitete. Er war mit dem Kunstgeschichtlichen Institut Frankfurt eng verbunden und hatte dort 1924 mit einer Arbeit über Ernst Fries promoviert. Die Bildermappe umfasst Abbildungen zur Kunstgeschichte des Mittelalters (11.-14. Jh.), von Flandern des 15. Jh. und von Italien des 15. Jh.

Fotosammlungen für  den professionellen Anspruch

Im Kunstgeschichtlichen Institut existieren noch mehrere Stellordner mit aufgeklebten Fotografien (nur teilweise datierbar), sie wurden vermutlich überwiegend für Publikationsvorhaben zusammengestellt. Die meisten dieser Kapseln enthalten Fotoabzüge des Bildarchivs Marburg oder Aufnahmen, die auf Exkursionen des Instituts gemacht wurden. Als besonders rührig erwies sich hier Arne Franke, studentische Hilfskraft und Fotograf. Davon zeugen zahlreiche Fotografien zur Backsteingotik im Ostseeraum, die von 1984 bis 1993 entstanden. 

Auffällig ist ein wesentlich älteres Konvolut mit der Provenienz „Vorderasiatisches Seminar und Sammlung für Bauforschung an der Universität Marburg“. Dieses Material wurde offensichtlich von Friedrich Wachtsmuth 1943 mit der Verlegung des Seminars von Marburg nach Frankfurt mitgebracht, als er neuer Direktor am Frankfurter Institut für Vorderasiatische Kunst (1943–1945) wurde. Er kam mit einer beachtlichen Lehrsammlung von Objekten deutscher Ausgrabungen in Assur, Uruk u.a. In diesem Zuge muss auch die Fotosammlung an das Kunstgeschichtliche Institut Frankfurt gelangt sein. Wachtsmuth, Kunsthistoriker mit Schwerpunkt Vorderasien hatte kurz zuvor eine Publikation über den Backsteinbau der Neuzeit herausgebracht, in ihr lassen sich einige Abbildungen aus der Fotosammlung  des Frankfurter Instituts nachweisen. Für die Nachwelt ist Friedrich Wachtsmuth wegen seiner Haltung im Nationalsozialismus stark umstritten. Als politisch belastet eingestuft wurde er 1945 an der Universität entlassen. 4 Jahre später bezeichnete ein Spruchkammerbescheid ihn nur noch als Mitläufer. 

Ein Hörsaal für die Kunstgeschichte zu Beginn des 20. Jahrhunderts 

Leider existieren nur sehr wenige frühe Fotografien vom Alltag kunsthistorischer Lehre und deren baulicher und technischer Ausstattung. Eine Ausnahme bildet das Foto eines unbekannten Fotografen vom Hörsaal des Kunsthistorischen Seminars an der Universität Leipzig, das um 1908 entstand. August Schmarsow, der Direktor des Leipziger Instituts von 1893 bis 1919, hat die Ausstattung dieses Raums im 4. Band der Festschrift zur Feier des 500jährigen Bestehens der Universität Leipzig minutiös beschrieben.

Auf dem Foto sehen wir links eine große Staffelei mit deren Hilfe mehrere Reihen von großformatigen Abbildungen gezeigt werden konnte und verschiedene Wandtafeln zum Aufstellen von Fotografien, Drucken etc. Sie alle belegen das Bestreben viel Anschauungsmaterial in der Lehrveranstaltung einzusetzen, um die besprochenen Bilder den Studierenden zu präsentieren.

Hinter der Staffelei führte eine Treppe zum Podium, auf dem ein Projektionsapparat stand. Die Lichtbildpräsentation fand auf einer weißen Wand gegenüber dem Rednerpult statt. Da der Hörsaal laut Schmarsow mit Drehstühlen ausgestattet war, konnten Redner und alle anderen Anwesenden gleichzeitig der Bilderschau folgen, eine vermutlich unübliche, aber vorteilhafte Praxis. Bis heute erscheint die Projektion meist im Rücken des Vortragenden.

Von Konstantin bis Kokoschka: Harald Keller, Professor für mittlere und neuere Kunstgeschichte am Frankfurter Kunstgeschichtlichen Institut 1947/48-1971

Harald Keller (24.6. 1903 Kassel – 5.11. 1989 Frankfurt a. M.) studierte Kunstgeschichte von 1923 bis 1929 an den Universitäten in Leipzig, Heidelberg und München. Sein Studium schloss er mit der Promotion in München mit einer Arbeit über Das Treppenhaus im deutschen Schloß- und Klosterbau des Barock ab, die von Wilhelm Pinder betreut wurde. Danach war er Assistent im Sankt Annen Museum in Lübeck, bevor er 1930 als Stipendiat und später als Assistent an die Bibliotheca Hertziana nach Rom ging. 1935 habilitierte er in Frankfurt über Die Bauplastik des Sieneser Doms. Keller folgte 1935 dem Betreuer seiner Habilitation, Hans Jantzen, nach München, wo er bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs Dozent für mittelalterliche und neuere Kunstgeschichte war. Nach seinem Militärdienst (1939-1944) wurde er zum außerplanmäßigen Professor in München ernannt. Da Keller als „nicht belastet“ eingestuft worden war, bekam er 1947 den Ruf an die Universität Frankfurt, wo er bis zu seiner Emeritierung 1971 – also fast 25 Jahre! – als Ordinarius lehrte.

Die Äußerungen der Studierenden über Harald Keller charakterisieren ihn als engagierten Lehrer, der das gesamte Gebiet der Kunstgeschichte – „von Konstantin bis Kokoschka“, wie er selbst es beschrieb, – in seinen Lehrveranstaltungen vermittelte. Von den zahlreichen Schriften ist sein Werk über die Kunstlandschaften Italiens (1960) hervorzuheben, in dem er die Kunstgeografie als ein zusätzliches Instrument für das Verständnis von Kunst aufnimmt.

Material für die mündlichen Prüfungen in der Kunstgeschichte

Als Teil der Prüfung von Studierenden der Kunstgeschichte gehörte lange Zeit der sogenannte Postkartentest, bei dem der Lehrende Postkarten mit Abbildungen von Kunstwerken zeigte, die von den Prüfungskandidat*innen identifiziert werden sollten, d.h. den Namen des/der Künstler*in sowie den Werktitel nennen und anschließend das gezeigte Kunstwerk datieren. Der hier gezeigte Kasten mit Kunstpostkarten wurde von Harald Keller in den Prüfungen eingesetzt. Leider ist es nicht bekannt, wie viele Kunstwerke die Studierenden erkennen sollten. In den Zwischenprüfungen für das Magisterstudium wurden vor 15 Jahren noch 5 Postkarten präsentiert, die Kunst aus verschiedenen Epochen und Gattungen zeigten. Häufig waren die Postkarten mit folgenden Fragen verbunden:

·         Welche/r Künstler*in hat das Werk geschaffen?

·         Wie lautet der Titel des Kunstwerks?

·         Wann ist das Kunstwerk entstanden?

Das große Glasdia

Vor den Kleinbilddias wurde bis weit in die 1970er Jahre mit großen Glasdias (Format 8,5 x 10 cm) in der Kunstgeschichte gearbeitet. Nur langsam verabschiedeten sich die Lehrenden von diesem Format, das besonders durch die hohe Bildqualität bestach. 

Die Herstellung eines Glasdias war komplex. Es waren mehrere Arbeitsschritte nötig, um das fotografierte Negativ auf der Glasplatte des Dias zu fixieren. Daher stammen fast sämtliche Objekte der Sammlung des Kunstgeschichtlichen Instituts von großen Lichtbildverlagen wie Foto Marburg oder Stoedtner. Mit nur ganz wenigen Ausnahmen sind alle noch vorhandenen Dias schwarzweiß. Leider stehen uns im Frankfurter Institut keine geeigneten Projektoren mehr zur Verfügung, um eine Schau zu simulieren. 

Auf dem portablen Leuchttisch liegen exemplarisch 4 große Glasdias. 
(von oben nach unten, von links nach rechts)

  •  Dokumentierendes Glasbilddia einer Figur vom Colmarer Martinsmünster, aufgenommen bei Restaurationsarbeiten des späten 19. Jhs. Im Vordergrund links ist der Schatten des Fotografen noch zu sehen. 
  • Speziell für die Übung des vergleichenden Sehens angefertigtes Dia mit der Kölner  Madonna des Veronikameisters und der Madonna vom Ortenberger Altar. 
  • Fresko aus der Katakombe Commodilla, Beispiel einer größeren Diasammlung (alle mit rotem Band abgeklebt), die von der Universität Chicago stammen. Diese Sammlung kam nach Frankfurt als im Rahmen eines Austauschprogramms mit den USA, Otto von Simson in der Nachkriegszeit am Kunstgeschichtlichen Institut in Frankfurt lehrte. 
  • München, Werks- und Fabrikgebäude der 50er Jahre von Siemens. Eines der sehr seltenen Farbgroßdias in unserer Sammlung. Die Verwendung von Farbaufnahmen setzte sich in der Lehre nur sehr schwer durch. Die subjektive Wahrnehmung von Farben wurde als das Kunstwerk störender Faktor empfunden. Bezeichnenderweise stammt dieses Dia nicht von einer Agentur, die sich auf Kunstreproduktionen spezialisiert hatte, sondern konnte beim Siemens-Konzern bestellt werden. 

Ausdruck der Wertschätzung: Dia-Inventarhefte

Es sind noch sechs Dia-Inventarhefte erhalten, in die fein säuberlich die Inventarnummer und das auf ihnen dargestellte Objekt handschriftlich eingetragen wurden. Die Hefte stammen vom Wintersemester 1947 ff. (leider ist nur das erste Heft datiert) und zeigen, dass mit Harald Keller, der 1947 nach Frankfurt berufen wurde, die Lehre nach dem 2. Weltkrieg wieder Fahrt aufnehmen sollte. Die Sorgfalt mit der jedes einzelne Bild inventarisiert wurde, verdeutlich die Wertschätzung des Diaarchivs, das Harald Keller mit Verve aufbaute. Wir wissen auch, dass die Dias von den Professoren in Frankfurt selbst und nicht etwa, wie später üblich, von hilfswissenschaftlichen Kräften beschriftet wurden. Im Hamburger Seminar haben sich sogar Glasbilder mit der Handschrift Erwin Panofskys erhalten.

Ein Schwarm kleiner Fische.
Was haben Microfiches mit der Kunstgeschichte zu tun?

Microfiches sind auf Filmmaterial verkleinerte Reproduktionen von gedruckten Vorlagen. Im vordigitalen Zeitalter ermöglichten sie große Bild- und Informationssammlungen auf kleinem Raum. Die zwei wichtigsten Microfichesammlungen in der Kunstbibliothek Frankfurt sind der Marburger Index und The Witt Library in the Courtauld Institute of Art.

Der Marburger Index dokumentierte von 1977 bis 2008 die Bildbestände des Bildarchivs Marburg auf Microfiches, zunächst für Deutschland, später auch für andere Länder. Die Abbildungen konnten bei Foto Marburg als Fotoabzug kostenpflichtig bestellt werden. Viele Fotografien der institutseigenen Fotosammlung kommen aus dieser Quelle. Heute lässt sich der Bestand eines der größten Bildarchive der Welt, Foto Marburg, im Internet Bildindex der Kunst und Architektur recherchieren.

Robert Witt baute im späten 19. Jh. eine Abbildungssammlung auf, die nach seinem Tod an das Courtauld Institute of Art in London ging: The Witt Library in the Courtauld Institute of Art, 1990-1992. Es finden sich darin hauptsächlich Informationen und Abbildungen europäischer Werke, die nach sog. Länderschulen geordnet sind. Die ca. 2 Millionen Abbildungen der Witt Library wurden inzwischen mit Hilfe der Online-Datenbank Witt Library collection zugänglich gemacht, allerdings kostenpflichtig.

Für die Microfiches gab es in der Bibliothek spezielle Lesegeräte, die nicht mehr erhalten sind. Mit einem sog. Reader-Printer konnten auch Ausdrucke erstellt werden.

Kleinbilddias treten ihren Siegeszug nicht nur im Wohnzimmer an

Seit den 1970er Jahren  kamen immer häufiger Kleinbilddias in der Lehre zum Einsatz und lösten somit die Generation der großen Glasdias ab. Die Vorteile des Kleinbilddias lagen auf der Hand: Im Gegensatz zu letzteren konnten die Kleinbilddias vom Film in Eigenregie hergestellt werden, die Auswahl der Motive war flexibler und die Herstellung zudem sehr viel günstiger. Im Frankfurter Institut wurde daher neben der Diathek auch eine Photothek installiert, die viele Jahre von einer studentischen Hilfskraft betreut wurde. Erst 1995 gelang es eine halbe Stelle für eine Reprofotografin einzurichten.

Mit dem Kleinbilddia hält auch die Farbe Einzug in die Projektion. Die Farbigkeit von Reproduktionen war in der Kunstgeschichte lange Zeit verpönt. Sie wurde den unterhaltenden Medien zugesprochen und galt als unwissenschaftlich.  So fand noch Ende der 70er Jahre im Frankfurter Institut eine Vorlesung zur Malerei des Impressionismus ausschließlich mit schwarzweißen Glasdias statt. Ein großer Nachteil des Kleinbildfilms war allerdings seine mindere Qualität und die Filme vertrugen den Alterungsprozess meistens schlecht. Je nach Fabrikat gab es starke Farbstichigkeit, auch waren die Filme oft nicht richtig ausentwickelt.

Die Schachteln der Gepe-Diarahmen kennt wohl jeder, der einmal in einer Diathek gearbeitet hat. Gegenüber den meist gekauften Dias im dünnen Papprähmchen, bot das Anti-Newtonglas den selbstgerahmten Dias Schutz vor Verschmutzung und sollte auch dazu beitragen,  Newtonsche Ringe, die  durch unterschiedliche dicke Luftschichten zwischen Glas und Diafilm entstehen, zu verhindern. Auf diese Weise wellte sich das Dia nicht, trotz Hitzeeinwirkung während der Projektion.

Ein roter Punkt auf dem Diarahmen diente der Orientierung für den Diaschieber, damit das Dia im Projektor richtig eingelegt werden konnte. Auf die weiteren Markierungen wird an anderer Stelle eingegangen.

Ein großer Teil der beinahe 300 000 Kleinbilddias befindet sich noch im Keller des Kunstgeschichtlichen Instituts, die eine der größten universitären Diasammlungen kunsthistorischer Institute in Deutschland war. Mit dem Umzug des Instituts auf den Campus Westend wird dieser Bestand aufgegeben. Für eine Kooperationsveranstaltung mit dem Institut für Kunstpädagogik Frankfurt und der Bildstelle wurden die Kleinbilddias 2018 zur künstlerischen Arbeit freigegeben, so dass die Sammlung nicht mehr vollständig ist.