Der ukrainische Botschafter hat die Goethe-Uni besucht. Er lobt die Deutschen – und will auch mit Kritikern der Waffenlieferungen ins Gespräch kommen.

Wir kämpfen, wir haben keine andere Wahl.“ Diese Worte wählte der ukrainische Botschafter in Deutschland, Oleksij Makejew, bei einem Besuch in der Goethe-Universität am Donnerstag. Wenn Diplomaten lange Reden hielten, verliere man das Vertrauen, sagte er. Eine echte und moderne Diplomatie müsse ehrlich sein. Deswegen wolle er bei seinen Reisen in die Bundesländer immer wieder mit Menschen sprechen. „Mit Studierenden, Politikern, aber auch mit Wählern, damit ich möglichst viele Menschen in Deutschland erreiche und damit die phantastische Solidarität, die wir Ukrainer in Deutschland erhalten, bleibt“, so Makejew. Auch mit Zweiflern, die sich fragten, ob es richtig sei, deutsche Waffen in die Ukraine zu schicken, wolle er ins Gespräch kommen.

Neun Jahre habe man weggeschaut, sagte der Botschafter mit Blick auf die Besetzung der Krim und die Gefechte im Donbass, die 2014 begonnen hatten. „Wir alle sind für Frieden, und ich sage an die Schwarzers und Wagenknechts: Frieden fällt nicht vom Himmel.“ Die Soldatinnen und Soldaten in den Schützengräben wollten auch Frieden, aber den müssten sie erkämpfen, weil es die einzige Möglichkeit sei.

Eine anschließende Podiumsdiskussion moderierte Tobias Wille, Professor für Politikwissenschaft mit dem Schwerpunkt internationale Sicherheit an der Goethe-Universität. Auf die Frage, wie Unterricht an Universitäten in der Ukraine möglich sei, berichtete Makejew von einem Besuch aus Anlass der Botschafterkonferenz in der Stadt Mykolajiw im Süden der Ukraine im Dezember. Dort habe es ein Gebäude der Hochschule gegeben, in dem internationales Recht gelehrt worden sei. Das Schild habe noch draußen an der Fassade gehangen, ansonsten sei das Gebäude völlig zerstört gewesen. Die Bedingungen seien schwierig, Studenten müssten bei Luftalarm in Schutzbunker gehen, dadurch sei eine regelmäßige Lehre nicht möglich. Zum Teil würden Vorlesungen in den Schützengräben gehalten.

Lisbeth Zimmermann, Professorin für Politikwissenschaft, Schwerpunkt Internationale Institutionen und Friedensprozesse, sagte, dass viele Studenten aus der Ukraine in Länder der Europäischen Union gekommen seien. Insgesamt seien es weniger als erwartet gewesen, auch weil in der Ukraine durch die Hochschulen, wenn auch zum Teil unter widrigsten Bedingungen, Digitallehre angeboten werde. Daran könnten die Studenten auch aus der EU heraus teilnehmen. Außerdem hätten einige ihren Schulabschluss nicht machen können, und die Sprachhürde halte manche vom Studium an einer deutschen Universität ab, da Sprachkenntnisse erst erworben werden müssten.

Enrico Schleiff, Präsident der Goethe-Universität, wies darauf hin, dass 1000 ukrainische Abiturienten im vergangenen Jahr ihre Prüfungen in Räumen der Goethe-Universität geschrieben hätten. Das sei eine „große Aufgabe“ gewesen, die aber dank des Teamgeists aller Beteiligten bewältigt worden sei, sagte Schleiff.

Nach Zimmermanns Worten setzen sich die Studenten der Goethe-Universität mit dem Krieg auseinander. Dies zeige sich auch an den Themen von Abschlussarbeiten, die sich beispielsweise mit den historischen Beziehungen zwischen der Ukraine und Russland auseinandersetzten. Das Narrativ der vergangenen Jahre sei immer gewesen, dass zwischenstaatliche Konflikte aktuell nicht das Problem seien. Dies habe sich geändert, sodass man sich in der Forschung und in der Lehre mehr mit zwischenstaatlichen Kriegen beschäftige. Auf die Frage eines Studenten, welche Rolle westliche Waffenlieferungen für einen möglichen Abzug russischer Soldaten aus der Ukraine spielten, antwortete der Botschafter, dass man sich ohne Waffen nicht gegen einen Riesen verteidigen könne. „Wir alle wollen Frieden, aber Frieden muss erkämpft werden. Jedes Waffensystem hilft.“ Die deutsche Diskussion darüber, wie viele Waffen man liefere, werde aber nicht entscheidend sein. Mit 18 Leopard-Panzern könne man keine Tausende Kilometer lange Grenze beschützen. dill.

Von Paul Dill. Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 17.03.2023, Frankfurt (Rhein-Main-Zeitung), Seite 36. © Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv