Paula Macedo Weiß stellt ihr neues Buch vor

FRANKFURT. Sie ist ein Liebling der intellektuellen Elite der Stadt. Jetzt hat Paula Macedo Weiß ihr zweites Buch vorgestellt. Im nur halb gefüllten Chagallsaal des Schauspiels Frankfurt sprach sie mit Rebecca Schmidt vom Forschungsverbund Normative Ordnungen der Goethe-Universität über die allseits gefährdete Demokratie. „Reden wir über Demokratie“ heißt denn auch der Titel ihres Buchs, in dem sie Essays und Interviews versammelt. Einige Gesprächspartner wie Mirjam Wenzel, Direktorin des Jüdischen Museums, und Barbara Klemm, „Fotografin der Demokratie“, wie die Autorin sie nannte, saßen im Publikum. Die Essays waren zuvor als Kolumnen in einer brasilianischen Zeitung erschienen, denn in Brasilien ist die promovierte Juristin 1969 zur Welt gekommen und als Tochter eines Oppositionspolitikers in der Diktatur aufgewachsen, ehe sie vor zwanzig Jahren nach Frankfurt kam.

Sie weiß also aus erster Hand, was es bedeutet, für Demokratie einzustehen. „Es war einmal in Brasilien“ heißt ihr erstes, autobiografisch grundiertes Buch, das 2021 im Frankfurter Axel Dielmann Verlag erschien. Schockiert über die Wahl Jair Bolsonaros zum Staatspräsidenten, hatte sie drei Jahre zuvor „alles Erreichte zur Disposition gestellt“ gesehen. Das Buch sollte eine Warnung sein für die jüngere Generation: „Es liegt in unserer Hand, dass wir zu einer demokratischen Gesellschaft finden.“ Dafür bekam sie Beifall, was den anwesenden Verleger und den Intendanten Anselm Weber freute. Für die Wahlfrankfurterin, die auch im Kuratorium des Schauspiels mitwirkt, ist „Frankfurt die Hauptstadt der Demokratie“. Deshalb will sie mit dem „Netzwerk Paulskirche“ für den 175. Jahrestag der Paulskirchenversammlung im nächsten Jahr „Räume schaffen in Frankfurt, um über Demokratie zu sprechen“.

Vorerst trug sie aber eine Auswahl von drei Essays aus ihrem neuen Buch vor. Im ersten, ausgelöst durch den Sturm auf das Kapitol, plädiert sie aus dem Geiste Willy Brandts heraus für einen „Wandel durch Annäherung“. Sie schreibt: „Die wütende Polarisierung ist ein Gift, das unsere Fähigkeit zum Dialog zerstört hat.“ Sie zitiert den politischen Philosophen Rainer Forst, Sprecher des Forschungsverbunds Normative Ordnungen, der ebenfalls zu ihren Interviewpartnern zählt: „Krisen sind der Demokratie nicht fremd, sondern sie lebt davon, gesellschaftliche Blockaden durch kollektive Verständigungsprozesse zu überwinden.“ Daraus folgert die Autorin: „Die Demokratie ist immer in Bewegung, unvollendet, ein Prozess, der nie zu Ende geht.“

Trump und Bolsonaro hätten die Büchse der Pandora geöffnet, „indem sie Wut, Aggression und Hass eine Stimme verliehen“. Über die „Spielregeln“ der Demokratie und die Freiheit der Kunst macht sie sich in den beiden anderen Essays Gedanken, auch zum Cover und zur Illustration ihres Buches durch Barbara Klemm und Dominik Mentzos, die mit ihren Fotografien ausdrückten, was der Verfasserin vorschwebt: „Wir sollen nicht in unserem Kästchen bleiben, sondern zu den anderen gehen.“ Diesem Leitmotiv entsprach auch ihr Schlussappell an die Zuhörer: „Lasst uns im Dialog bleiben.“

Von Claudia Schülke. Aus der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 09.06.2022, Kultur (Rhein-Main-Zeitung), Seite 46
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