Medien & Konzepte

Das Ausstellungsmodell

In der Anfangsphase der Ausstellungsplanung planen und gestalten Kurator:innen den Raum, entweder allein oder in Zusammenarbeit mit Architekt:innen oder Ausstellungsdesigner:innen. In dieser Phase werden kuratorische Aspekte wie die Hängung bzw. Aufstellung der Werke in Verbindung mit den architektonischen Merkmale des Ortes berücksichtigt. Auch praktische Aspekte wie die Wegeführung des Publikums, die Berücksichtigung architektonischer Einschränkungen, die z.B. mit Stellwänden aufgefangen werden können sowie die farblichen Gestaltung der Räume spielen eine Rolle. Da sich solche Überlegungen in Grundrissen und Zeichnungen nur bedingt darstellen lassen, wird als Teil dieses Prozesses oft ein maßstabgetreues dreidimensionales Modell erstellt, um eine Vorstellung von der Platzierung der Werke und ihrer visuellen Wirkung im Raum – z.B. Sichtachsen – zu gewinnen. Sofern solche Modelle erhalten geblieben sind, liefern sie wertvolle Informationen über die ursprüngliche Intention des Ausstellungsdesigns, die sich oft im Laufe der Realisierung verändert.

Inzwischen werden häufig auch digitale 3D-Programme wie CAD zur Erstellung dieser Modelle verwendet, wie umgekehrt digitale Modelle von Ausstellungen zunehmend eingesetzt werden, um Ausstellungen auch im Nachhinein noch per virtuellem Rundgang besuchen zu können.[1]

Text: Jae Eun Lee 

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] So können Rekonstruktionen historischer Ausstellungen über digitale Modelle auch für die Wissenschaft von Nutzen sein. Vgl. hierzu die Rekonstruktion der FiFo-Ausstellung [Link]. Siehe außerdem die Auflistung von Online-Ausstellungen im Fachportal Fotografie auf arthistoricum.net [Link].

Literatur

George, Adrian: The Curator’s Handbook. Museums, Commercial Galleries, Independent Spaces, London 2015, S. 159–167

Wandtexte am Beispiel der FiFo 1929

Als eine der bedeutendsten Ausstellungen der Fotografie- und Filmgeschichte erlangte die Ausstellung Film und Foto [Link] weltweite Anerkennung. Im Jahr 1929 in Stuttgart eröffnet, konnte sie aufgrund ihrer breiten Rezeption als Wanderausstellung unter anderem in Zürich, Berlin, Danzig, Wien, Zagreb und sogar in Tokio gezeigt werden.

Besonders ungewöhnlich war der Einsatz von Wandtexten. Neben großformatigen Überschriften, mit denen die Räume gegliedert wurden, finden sich in Ausstellungsansichten der Berliner Schau auch Texte, die zur Erläuterung einzelner Werke in Saal 1 eingesetzt wurden (Abb. 2). Das Besondere: die Texte wurden fotografisch ausbelichtet und befanden sich somit medial auf ein und derselben Ebene wie die ausgestellten Fotografien. Einige der Rezensent*innen empfanden die Erklärungstexte als unangebracht und störend für die Betrachtung. László Moholy-Nagy verfolgte mit dieser Methode didaktische und konzeptuelle Absichten, die sich auch in seiner Theorie der Medien wiederfinden lässt (vgl. „Typofoto“ [Link]). So entstand die Konzeption der FiFo als Ausstellung und Mittel der Bildung („Ausstellung als Schule“) hinsichtlich der Technik und Ästhetik neuer Medien, wodurch der systematische Ansatz der Präsentation deutlich wurde.[1] Die Absicht wurde auch in der Präsentation historischer Fotografien des 19. Jahrhunderts verfolgt. So präsentierte der bedeutende Fotohistoriker und Sammler Erich Stenger (1878–1957) historische Fotografien des 19. Jahrhunderts, die jedoch in Form von Neuabzügen ausgestellt wurden, um darüber eine materielle Gleichwertigkeit mit den zeitgenössischen Fotografien herzustellen.[2] Diese Entscheidung stieß auf Kritik, da die Authentizität der Bilder verloren gegangen sei.[3]

Text: Rabika Hussain

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Lugon, Olivier: Neues Sehen, Neue Geschichte. László Moholy-Nagy, Sigfried Giedion und die Ausstellung Film und Foto, in: Werner Oechslin, Gregor Harbusch (Hrsg.): Sigfried Giedion und die Fotografie. Bildinszenierungen der Moderne, Zürich 2010, S. 88–105, hier S. 92.

[2] »Zu sehen waren Bilder international tätiger Fotoreporterinnen und Fotoreporter wie André Kertész, Germaine Krull, Helmar Lerski, Eli Lothar, Lucia Moholy, Alfred Renger-Patzsch, aber auch künstlerische Aufnahmen von Man Ray, Hannah Höch, George de Hoyningen-Huené und Florence Henri.« Ulrich Hägele, »Film und Foto« – die Ausstellung des Deutschen Werkbundes 1929 in Stuttgart, in: Schwäbische Heimat, 2019, H. 4, S. 437–442, hier S. 439.

[3] Lugon 2010, S. 94.

Herbert Bayer – Das Prinzip der erweiterten Sicht

Abb. 1: Herbert Bayer, Fundamentals of Exhibition Design, in: Production Manager, vol 6, no. 2, Dezember 1939 bis Januar 1940, S. 17-25, Quelle: Ribalta 2008, S. 211-219 [ConedaKor] sowie Abbildungen aus der späteren Publikation zum Thema Aspects of Design of Exhibitions and Museums, in: Curator. A Quarterly Publication of The American Museum of Natural History, Jg. 4, 1961, H. 3, S. 257-288

Herbert Bayer (1900-1985) entwickelte das Prinzip der erweiterten Sicht mit dem Gedanken, ein neues Verhältnis zwischen dem Ausstellungsraum und dem Betrachter zu erzeugen. Dem Betrachter, welcher sich im Zentrum des Ausstellungsraumes befindet, wird eine 360° Rundumsicht und eine vollständige optische Wahrnehmung der Exponate ermöglicht (Abb. 1). Der gesamte Blickwinkel des menschlichen Auges sollte bei diesem Konzept aktiviert werden und damit den erforderlichen Reiz beim Betrachter erzeugen, seinen Umgebungsraum ganzheitlich erfassen zu wollen. Diese neue Gestaltungsweise sollte das Sehen anregen, dessen Bewegung provozieren und die Wahrnehmung erweitern (Bayer 1961). Durch innovative Präsentationsmöglichkeiten, wie beispielsweise „großformatige Fotografien, Fotomontagen, überdimensionale Texte, Bodenmuster, Rampen und andere Strukturen“ (Schuldenfrei u.a. 2019), hat Herbert Bayer eine Verbindung zwischen dem Exponat und dem Betrachter geschaffen und eine neue Art der Ausstellungsgestaltung entwickelt. Bayer verfolgte dabei die Bauhaus-Philosophie und das Prinzip des „Gesamtkunstwerks“, welches eine ganzheitliche Herangehensweise, unter Einbeziehung aller künstlerischen Disziplinen, meinte (Schuldenfrei u.a. 2019).

Abb. 2: Werkbund-Ausstellung in Paris, 1930 [ConedaKor]; Abb. 3a: Bauausstellung in Berlin, 1931 [ConedaKor]; Abb. 3b: Bauausstellung in Berlin, 1931, Quelle: Shpilko 2020.

Erstmals umgesetzt wurde das von Bayer genannte „erweiterte Sehen“ bei der Pariser Ausstellung des Werkbunds im Jahr 1930. Dabei wurden an Drähten gespannte Fototafeln in verschiedenen Winkeln zum, Boden, zur Wand und zur Decke angebracht (Abb. 2). Durch die dynamische und Ebenen übergreifende Anordnung der Fotografien wurde ein neuer Blickwinkel provoziert und ein dreidimensionaler Bildraum erzeugt. Die Nutzung von Rampen ermöglichte den Betrachtern die eigene Wahl eines Standpunkts und eröffnete ihnen dadurch neue Perspektiven auf die Exponate. Später, in der Ausstellung Road to Victory im MoMA New York im Jahr 1942, stellte dieser räumliche Höhepunkt gleichzeitig den inhaltlichen Höhepunkt, nämlich den Angriff auf Pearl Harbor, dar. Diese Parallele erzeugt eine psychologische Wirkung und wurde deshalb als Manipulation des Betrachters kritisiert.

Abb. 4: Road to Victory Ausstellung im MoMA, New York, 1942 [ConedaKor]; Abb. 5: Airways to Peace Ausstellung im MoMA, New York, 1934, Quelle: Bayer 1961.

Bayer bemühte sich schon früh, die bisher traditionelle Bildebene aufzulösen und neue Gestaltungsansätze zu finden. Dies gelang ihm bei der Berliner Bauausstellung im Jahr 1931, bei der er, mit Fotografien bedruckte Lamellen so anordnete, dass sich beim Vorbeigehen drei verschiedene Szenerien abbildeten (Abb. 3). In der Ausstellung Road to Victory im MoMA New York im Jahr 1942 ersetzte Herbert Bayer die klassische gerade Wand durch eine gewölbte Panoramawand aus Fototafeln und löste damit die lineare Perspektive auf (Abb. 4). In der Folgeausstellung Airways to Peace im Jahr 1943 inszenierte Herbert Bayer einen begehbaren Globus, bei dem der Betrachter im Zentrum steht (Abb. 5). Die beiden Leitgedanken des Bauhauses sind hierbei wiederzufinden: „der Mensch als das Maß aller Dinge“ und „das Prinzip des Gesamtkunstwerks“ (Shpilko 2020). Die Fotografie stellte ein „Werkzeug des Sehens [dar], das […] den Weg zu einer mobilen, multidirektionalen Raumwahrnehmung eröffnete“ (Lugon 2010).

Text: Thalea Fix

Literatur

Bayer, Herbert: Fundamentals of Exhibition Design, in: Production Manager, vol 6, no. 2, Dezember 1939 bis Januar 1940, S. 17-25

Bayer, Herbert: Aspects of Design of Exhibitions and Museums, in: Curator. A Quarterly Publication of The American Museum of Natural History, Jg. 4, 1961, H. 3, S. 257-288. [Online abrufbar unter: https://monoskop.org/images/1/1f/Bayer_Herbert_1961_Aspects_of_Design_of_Exhibitions_and_Museums.pdf]

Lugon, Olivier: Dynamic Paths of Thought: Exhibition Design, Photography and Circulation in the Work of Herbert Bayer, in: Albéra, François und Tortajada, Maria (Hg.): Cinema Beyond Film: Media Epistemology in the Modern Era (Amsterdam University Press), Amsterdam 2010

Schuldenfrei, Robin; Tangen, Katja; Tangen, Nicolai: Herbert Bayer’s Expanded Vision and the Instrumentalizing of Design in Wartime. 2019. [Online abrufbar unter: https://www.bgc.bard.edu/events/904/26-mar-2019-herbert-bayers]

Shpilko, Olga: Herbert Bayer: the extended field of vision, 2020, https://redmuseum.church/en/bayer-extended-field-of-vision]

[ConedaKor-Abfrage: Herbert Bayer]

Die Zeitschrift Camera

Die 1922 in Luzern gegründete Zeitschrift »Camera. Illustrierte Photographische Monatsschrift für Berufsphotographen und Amateure« widmete sich bis 1981 der künstlerischen Fotografie. Mit dem Ende der 40er Jahre wandte sie sich vom Piktorialismus ab und richtete sich moderner und internationaler aus.[1] So organisierte die Camera 1950 einen internationalen Fotowettbewerb, mit dem Ziel die besten Fotograf*innen aus allen Ländern kennenzulernen. Der Wettbewerb glich einer Vorsondierung für die geplante Weltausstellung der Photographie  (WAP) und ermöglichte dem Gewinner, dem Schweizer Fotograf Kurt Blum, zwei Jahre später die Ausstellung seiner Fotografien in einem eigenen Raum im Rahmen der WAP.[2]

Die Camera widmete der WAP im Jahre 1952 zwei Sonderausgaben und trug damit, neben dem Ausstellungskatalog, zur Dokumentation dieser in drei Sprachen (deutsch, englisch und französisch) bei. Die Ausgabe 6/7 versammelt Rezensionen zur Ausstellung, verfasst von dem 1952 tätigen Redakteur Hans Neuburg, sowie Prof. Dr. J. Eggert, dem Leiter des Photographischen Instituts der Technischen Hochschule Zürich, ordnet die WAP als Referenzpunkt für eine Übersicht über bedeutende Fotograf*innen ein und bildet Reproduktionen der ausgestellten Fotografien und Ausstellungsansichten ab.[3] Die enge Verflechtung zwischen Zeitschrift und Ausstellung äußerte sich nicht nur in der Dokumentation, sondern auch in den Bereichen der Organisation, der Ökonomie und der Gestaltung.

Text: Alicia Grobholz

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Vgl. Willi, Muriel: Das imaginäre Museum. Die Zeitschrift Camera und die Weltausstellung der Photographie (1952), in: Holzer, Anton (Hg.): Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 137, 2015, S. 36.

[2] Vgl. Ebd. S.38.

[3] Vgl. Camera, 31. Jahrgang Nr. 6/7, Juni/ Juli 1952: Die Photo-Weltausstellung in Luzern.

White Cube 

Der White Cube wird aus der Idealvorstellung der modernistischen Architektur hergeleitet, die für Kunstpräsentationen den rechtwinkeligen, weißen Raum vorsieht. Der Ausstellungsraum ist in einem farbneutralen Weiß gestrichen, hell ausgeleuchtet, fensterlos und leer bis auf die Kunstwerke, die somit isoliert sind und durch nichts anderes beeinflusst werden. Die Konzeptkunst hat in den 1960erJahren den weißen Würfel als Projektionsfläche und Form verstanden und damit das Prinzip auch wieder aufgehoben. Der isolierten „Reinheit“ des Displays wurde mit Kritik am White Cube entgegnet: Das Werk werde in sakraler und auratischer Form verherrlicht und von der gesellschaftlichen Wirklichkeit abgetrennt. Demzufolge lenken nicht nur Steckdosen und Fluchtschilder ab, sondern auch BesucherInnen werden zu einem Störfall. Daran setzten institutionskritische Kunstpraxen an, die wiederum die Praxis des Ausstellens verändert haben.

Beatrice Jaschke

Literatur:

Grasskamp, Walter, Die weiße Ausstellungswand – Zur Vorgeschichte des „white cube“, in: Marianne Eigenheer/Dorothee Richter/Barnaby Drabble (Hg.), Curating Critique, Frankfurt am Main 2007, S.  340–365; O’Doherty, Brian, Inside the White Cube. In der weißen Zelle, Berlin 1996; Steyerl, Hito, White Cube und Black Box, Die Farbenmetaphysik des Kunstbegriffs, in: Maureen Maisha Eggers/Grada Kilomba/Peggy Piesche/Susan Arndt (Hg.), Mythen, Masken und Subjekte. Kritische Weißseinsforschung in Deutschland, Münster 2006, S.  135–141.

Quelle: ARGE schnittpunkt (Hg.), Handbuch Ausstellungstheorie und -praxis, Wien, Köln, Weimar 2013, S. 197.