Typologie

Weltausstellung

Im 19. Jahrhundert entstanden große, internationale Ausstellungen, sogenannte Weltausstellungen, deren Ziel internationale Warenzirkulation, sowie ein vergleichendes Vorstellen technisch-industrieller Errungenschaften war. Die erste Weltausstellung fand 1851 in London statt. Sie waren von einem starken Fortschrittsgedanken geleitet, ihr Anspruch war es, einen geordneten Überblick über technische und wissenschaftliche, sowie kulturelle Errungenschaften und Entwicklungen zu geben, sowie den internationalen Vergleich zu fördern.[1] Sie hatten demnach einen stark didaktischen Charakter und dienten darüber hinaus der Selbstrepräsentation der ausstellenden Nationen, sowie insbesondere des Gastgeberlandes. Weitere typische Merkmale der Weltausstellungen waren die Einrichtung von Nationalpavillons, das Angebot eines breiten vermittelnden sowie unterhaltenden Begleitprogramms, sowie die Einbindung (bzw. temporäre Errichtung) architektonischer Wahrzeichen.[2] Zu Beginn war die Fotografie auf den Weltausstellungen kaum vertreten und wenn, dann lediglich als Anschauungsmaterial technischen Könnens, ihre Präsenz auf den Ausstellungen expandierte jedoch rapide – schon bei der dritten Weltausstellung 1862 in London war die Fotografie als eigene Abteilung vertreten (wenngleich der Fokus immer noch auf ihren technischen Funktionen und mittlerweile breit gefächerten Anwendungsbereichen lag, und sie nicht als autonome Kunstform präsentiert wurde).[3]

Text: Cora Lou Gercke

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Vgl. Pohlmann, Ulrich: „Harmonie zwischen Kunst und Industrie“. Zur Geschichte der ersten Photoausstellungen (1839-1868), in: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839-1860, Ausst. Kat. Agfa Foto-Historama, Köln, hrsg. von Bodo von Dewitz, Reinhard Matz, Köln/Heidelberg 1989, S. 501-509.

[2] Vgl. Steiger Kraushaar, Flavia: Weltausstellung der Photographie 1952. Luzerns Experiment als Fotostadt, Luzern: o.a., S. 9-11.

[3] Vgl. Pohlmann, Ulrich (1989), S. 502-507.

Literatur

Steiger Kraushaar, Flavia: Weltausstellung der Photographie 1952: eine Weltausstellung in Luzern . Masterarbeit Kultur- und Sozialwissenschaftliche Fakultät Universität Luzern, 2011.

Steiger Kraushaar, Flavia: Weltausstellung der Photographie 1952. Luzerns Experiment als Fotostadt, Luzern: o.a.

Willi, Muriel: Das imaginäre Museum. Die Zeitschrift Camera und die Weltausstellung der Photographie (1952), in: Holzer, Anton (Hg.): Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Heft 137, 2015.

Pohlmann, Ulrich: „Harmonie zwischen Kunst und Industrie“. Zur Geschichte der ersten Photoausstellungen (1839-1868), in: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839-1860, Ausst. Kat. Agfa Foto-Historama, Köln, hrsg. von Bodo von Dewitz, Reinhard Matz, Köln/Heidelberg 1989, S. 496-513.

Camera 31. Jahrgang Nr. 4, April 1952: Photokina und Deutschland. S. 134. (Vom äußeren Aufbau der Weltausstellung der Photographie.

Camera, 31. Jahrgang Nr. 5, Mai 1952: Weltausstellung der Photographie 1952 Luzern Schweiz; Camera, 31. Jahrgang Nr. 6/7,Juni/ Juli 1952: Die Photo-Weltausstellung in Luzern.

Vereinsausstellung

Die erste Ausstellung der „Photographischen Gesellschaft“ (17.05–30.06.1864) kann primär der Typologie fotografischer Vereinsausstellung zugeordnet werden. Die Ausstellungsorganisatoren wollten mit ihrer Exposition die technische Weiterentwicklung und Verbesserung von Bild und Apparaten, die Steigerung der (Massen-)Produktion sowie die Verbreitung der fotografischen Einsatzmöglichkeiten in den Bereichen Industrie, Gewerbe und Wissenschaft vorantreiben.[1] Die käuflich zu erwerbenden Ausstellungsobjekte verdeutlichen zudem das wirtschaftliche Interesse der Gesellschaft.[2]

Darüber hinaus zeigt die Ausstellung typologische Merkmale der Industrie- und Gewerbeausstellungen sowie der Weltausstellungen. Erstere waren wichtige Triebkräfte des Warenhandels, da die Teilnahme an derartigen Messen zur Anwerbung neuer Kundschaft beitrug.[3] Während diese jedoch eher auf regionaler Handelsebene stattfanden, spielten Weltausstellungen eine zentrale Rolle im internationalen Warenaustausch.[4] Hier stand die Ausstellung der PhG zwischen lokalen (die Teilnahme war Vereinsmitgliedern vorbehalten, ausländische Ausstellende konnten lediglich durch Vermittlung eines Fürsprechers teilnehmen) und internationalen Bestrebungen (Handelsstrukturen, Einladung französischer Repräsentanten). Die Teilnahme an Weltausstellungen diente der Selbstdarstellung, der Absatzförderung von Konsumgütern, aber auch der Darstellung des technischen, wissenschaftlichen und kulturellen Entwicklungsstands. In Abgrenzung zu Kunst-Ausstellungen wurde die Fotografie dabei eher als technisch-wissenschaftliche Disziplin präsentiert.[5] Zu Vermarktungszwecken stand der mit der Fotografie verbundene Fortschrittsglaube und ihre Funktionalität (Dokumentations-, Illustrations-, Reproduktionsmittel) im Zentrum.[6] Die PhG sortierte ihre Ausstellungsobjekte gemäß dem Ausstellungskatalog[7] vorrangig nach Autoren. Angesichts der Vielzahl an Exponaten ist davon auszugehen, dass sie ähnlich wie bei den Weltausstellungen nach Bildformaten geordnet und ohne Zwischenräume über die gesamte Fläche gehängt wurden.[8] Mögliche Unterschiede konnten einzig durch die Rahmung und die Größen der Arbeiten markiert werden. Die Hängung über die gesamte Wandfläche, die keine direkte Hierarchie bzw. Strukturierung erkennen lässt, kann ferner auf die Tradition der französischen Salons zurückgeführt werden.[9]

Text: Claire Müller

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Fischer-Westhauser 2011, S. 96.

[2] Pohlmann 1989, S. 510.

[3] Fischer-Westhauser 2011, S. 96.

[4] Ebd., S. 500f.

[5] Ebd., S. 502.

[6] Ebd., S. 505f.

[7] Der Ausstellungskatalog ist unter folgendem Link einsehbar URL: http://data.onb.ac.at/rep/10355F31 (Letzter Zugriff: 15.01.2024).

[8] Gröning 2003, S. 81.

[9] Pohlmann 1989, S. 508.

Literatur:

Fischer-Westhauser, Ulla: Die Ausstellungspraxis der Photographischen Gesellschaft im Spannungsfeld von Kunst und Industrie, in: Die Explosion der Bilderwelt. Die Photographische Gesellschaft in Wien 1861-1945, hrsg. von Michael Ponstingl, Wien 2011, S. 95–105.

Gröning, Maren: Die erste Fotoausstellung im deutschsprachigen Raum 1864, in: Das Auge und der Apparat: die Fotosammlung der Albertina, hrsg. von Monika Faber, Klaus Albrecht Schröder, Wien/München 2003, S. 79–110. [Online abrufbar unter: https://www.yumpu.com/de/document/read/4554915/die-erste-fotoausstellung-im-deutschsprachigen-raum-1864-albertina#google_vignette]

Katalog. Erste photographische Ausstellung in Wien, veranstaltet von der photographischen Gesellschaft im Dreher’schen Gebäude, Operngasse Nr. 8 im Mai und Juni 1864, Wien 1864. [Online abrufbar unter: http://data.onb.ac.at/rep/10355F31] Pohlmann, Ulrich: „Harmonie zwischen Kunst und Industrie“. Zur Geschichte der ersten Photoausstellungen (1839-1868), in: Silber und Salz. Zur Frühzeit der Photographie im deutschen Sprachraum 1839-1860, hrsg. von Bodo von Dewitz, Reinhard Matz, Köln/Heidelberg 1989, S. 496–513.

Internationale Presse-Ausstellung

Die PRESSA[1] zählt zum Typ der internationalen Großausstellungen, deren Hauptfokus sich der Zeitung und dem Pressewesen widmete.[2] Die PRESSA fand zwar auf dem Gelände der Messehallen in Köln statt (1928), hatte aber weniger von dem Vertriebscharakter großer Messen und sah ihre Rolle in der Vermittlung von Informationen und der Präsentation multipler Perspektiven durch die internationalen Aussteller. Darüber hinaus war die PRESSA eine einmalige Großschau und verfügte damit über keine Periodizität wie andere Messen.[3] Verschiedene Länder waren in der Messehalle durch die temporäre Pavillonstruktur vertreten und auf dem Gelände ergänzten weitere Gebäude die Gesamtkomposition der Ausstellung. Damit reihte sich die PRESSA in die Ausstellungsgeschichte der Weltausstellungen des 19. Jahrhunderts, welche sich auf nationale Repräsentation konzentrierten.[4] Neben der repräsentativen und informativen Funktion der Schau war die PRESSA auch zum Vergnügen der Besucher*innen konzipiert. Als Freizeitbeschäftigung sollte ein breites Publikum erreicht werden, welches nicht zwingend einem Fachpublikum entsprach, sondern auf das Messegelände kam, um an dem Großereignis teilzuhaben und sich zu amüsieren.[5]

Text: Viola Gerber

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Kürzel für internationale Presse-Ausstellung

[2] Holzer 2009, S. 31.

[3] Müller-Kinne 2022, S. 21.

[4] Ebd., S. 23.

[5] Ebd.

Literatur

Internationale Presse-Ausstellung, Köln 1928 (Hg.), „PRESSA – Kulturschau am Rhein“ (1928): Max Schröder, Berlin.

Holzer, Anton: Die Pressa, Köln 1928. Eine unbekannte Fotoausstellung der Moderne, in: Fotogeschichte. Beiträge zur Geschichte und Ästhetik der Fotografie, Jg. 29, Heft 112, 2009, S. 31–46

Müller-Kinne, Katharina: ‚Weltschau am Rhein‘: Die städtische Architektur und Geländegestaltung der PRESSA 1928 in Köln, Essen 2022 [Dissertation]

(Foto-)Essay-Ausstellungen

Ein Foto-Essay ist eine visuelle Erzählform, die eine Geschichte durch eine Serie von Bildern präsentiert. W. J. T. Mitchell definiert dieses Genre in seiner Picture Theory als eine buchstäbliche Verbindung von Fotografien und Text, vereint durch einen dokumentarischen Zweck, oft politisch oder journalistisch.[1] Anderen Forscher*innen nach ist der Text nicht zwingend für den Foto-Essay notwendig; auch die gezielte Anordnung einzelner Fotografien kann eine Geschichte erzählen.[2] Entstanden in den dokumentarischen Büchern und Magazinen in den 1930er Jahren, diente die Fotoreportage als „a device developed to guarantee the promotion of the proper image”.[3] Dadurch wurden die Beschränkungen alleiniger Worte und die Ambiguität der interpretierbaren Fotografie (was Roland Barthes als „message without a code”[4] bezeichnet [Link]) umgangen. In Anlehnung an den sozialen Realismus der 1930er Jahre lieferte das populistische Genre der Fotoreportage eine klare Botschaft und ließ wenig Raum für weitere Reflexion oder alternative Lesarten.

In diesem Sinne ließe sich auch Edward Steichens berühmte Ausstellung The Family of Man [Link] als gigantischer Foto-Essay begreifen, der mit 503 Fotografien aus 68 Ländern ein universelles Porträt der Menschheit erschaffen wollte,[5] wobei die teils vergrößerten oder sogar beschnittenen Fotografien aufgrund ihrer erzählerischen und suggestiven Qualitäten ausgewählt wurden. Gemeinsam mit den beigegebenen Wandtexten trug dies zu einer verallgemeinerten Wahrnehmung der eigentlich aus unterschiedlichen Kontexten stammenden Fotografien bei.[6]

Das progressive Ausstellungsdesign verstärkte die naturgemäße Struktur des Foto-Essays, bei der die Bilder eine umfangreiche, illustrierte Magazinmontage bildeten.[7] Die Anordnung der Fotografien baute derart aufeinander auf, dass das Narrativ einer über alle Grenzen hinweg gegebenen Vergleichbarkeit existenzieller Erfahrungen konstruiert werden konnte. Dazu wurde der gesamte Raum nach dem von Herbert Bayer entwickelten Prinzip des „erweiterten Sehens“ [Link] bespielt: Teils waren Bilder an Drahtseilen aufgehängt, andere an Pfosten oder sogar der Decke befestigt. Einige Bilder nahmen ganze Wände ein, während andere im Kleinstformat gezeigt wurden. Die Installation der Bilder besetzte förmlich jeden Winkel des Ausstellungsraums, so dass den Besucher*innen kaum Raum ohne visuelle Elemente blieb. Wie Turner es ausdrückt, „even as it freed Americans from the massifying effects of totalitarianism and its media, The Family of Man invited them to adjust themselves to a softer but equally pervasive system of management.”[8] Daher fiel The Family of Man auf das Niveau einer allzu didaktischen Fotoreportage ab, bei der die Komplexität menschlicher Erfahrungen zugunsten einer übergreifenden und vereinfachenden Erzählung geopfert wurde, die kaum noch Raum für die nuancierte Interpretation der einzelnen Fotografien ließ.

Text: Elizaveta Kazantseva

Redaktion: Thomas Helbig


Anmerkungen

[1] Mitchell, W.J.T.: Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Representation, Chicago 1994, S. 285. Vgl. auch Kemp, Wolfgang: Foto–Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie, München 2006.

[2] Moran, Tom: The Photo Essay. Paul Fusco and Will McBride, New York 1974, S. 15.

[3] Green, Jonathan: American Photography. A Critical History 1945 To The Present, New York 1984, S. 42.

[4] Barthes, Roland: The Photographic Message, in: Image Music Text, London 1977, S. 19.

[5] „A vast photo-essay, a literary formula basically”. Lynes, Russell: Good Old Modern. An Intimate Portrait of the Museum of Modern Art, New York 1973, S. 325. Vgl. auch im Ausstellungskatalog: Steichen, Edward; Sandburg, Carl; Norman, Dorothy; et al.: The Family of Man. The Photographic Exhibition, Museum of Modern Art, New York 1955, S. 6.

[6] Hoffman, Katherine: Sowing the seeds/setting the stage. Steichen, Stieglitz and The Family of Man, in: History of Photography, 29:4, (2005), S. 325.

[7] James 2012 (wie Anm. 7), S. 315.

[8] Turner, Fred: The Family of Man and the Politics of Attention in Cold War America, in: Public Culture, Band 24, Nr. 1 (66) (2012), S. 58.

Literatur

Barthes, Roland: The Photographic Message, in: Image Music Text, London 1977.

Green, Jonathan: American Photography. A Critical History 1945 To The Present, New York 1984.

Hoffman, Katherine: Sowing the seeds/setting the stage. Steichen, Stieglitz and The Family of Man, in: History of Photography, 29:4, (2005). S. 320-330.

James, Sarah E.: A Post-Fascist „Family of Man?“ Cold War Humanism, Democracy and Photography in: Germany, Oxford Art Journal, Band 35, Nr. 3 (2012). S. 315-336.

Kemp, Wolfgang: Foto–Essays. Zur Geschichte und Theorie der Fotografie, München 2006.

Lynes, Russell: Good Old Modern. An Intimate Portrait of the Museum of Modern Art, New York 1973.

Mitchell, W.J.T.: Picture Theory. Essays on Verbal and Visual Representation, Chicago 1994.

Moran, Tom: The Photo Essay. Paul Fusco and Will McBride, New York 1974.

Steichen, Edward; Sandburg, Carl; Norman, Dorothy; Lionni, Leo; Mason, Jerry; Stoller, Ezra: The Family of Man. The Photographic Exhibition, Museum of Modern Art, New York 1955.

Turner, Fred: The Family of Man and the Politics of Attention in Cold War America, in: Public Culture, Band 24, Nr. 1 (66) (2012). S. 55-84.