Der „Locus amoenus“ vom Nordend (Nina Gorgus + Elke Gaugele)

Der „Locus amoenus“ vom Nordend (Nina Gorgus + Elke Gaugele)

Der „Locus amoenus“ vom Nordend
(Nina Gorgus und Elke Gaugele)

Kleine Vorgärten, schöne Gründerzeithäuser und Parks – das Nordend vermittelt stellenweise trotz lauter Ausfallstraßen und Gentrifizierung noch ein „typisch Frankfurt“ – Gefühl. Das Nordend ist nicht aus einem eigenständigen Dorf hervorgegangen, sondern der Name bezieht sich auf die Fläche, die zwischen dem 1877 eingemeindeten Bornheim und der bereits bestehenden Stadt entstand. Im Zuge der aufstrebenden Stadt siedelten sich hier viele Menschen an, so dass das Norden bis heute der am dichtesten besiedelte Stadtteil von Frankfurt ist. Eckhard Henscheid setzte dem Nordend ein literarisches Denkmal mit „Die Vollidioten. Ein historischer Roman aus dem Jahr 1972“. Hier tummeln sich in einem engen Radius allerlei Personen mit Bezug zum realen Leben, die ständig verschiedene Wirtschaften aufsuchten – im Buch heißt der beliebteste Treffpunkt „Gasthaus Krenz“, im realen Leben ging es um „Bei Mentz“ im Oeder Weg, das lange schon abgerissen ist.

Und wo treffen sich die Menschen heute im Nordend? Bei der großen Auswahl an Cafés, Restaurants, Imbissen etc. ist es eher schwierig zu sagen, jedoch sind immer sehr viele andere Leute da, wenn Gisela und wir uns in der Weinstube auf der Eckenheimer Landstraße treffen.

Auf der Webseite der Weinstube heißt es: Hier „finden sie StudentInnen, die neben illusionierten BankerInnen oder desillusionierten Alt-68ern sitzen. Kommunikation wird großgeschrieben. Wein, wie wir ihn verstehen, ist: getrunkene Demokratie.“  Aus dem Student*innenalter sind wir lange heraus, auch nie Banker*innen oder Alt-68er*innen gewesen. Dennoch passen wir gerade als echte Nordendler*innen ganz hervorragend hinein. Selten sind Tische frei, weil alle gerne lange hier sitzen möchten. Statistisch verbringen die Besucher*innen hier am Abend in der Regel 1,5 bis 3 Stunden; darunter einige, die sich im Netz dazu bekennen, dass die Weinstube ihr zweites Wohnzimmer sei. Doch auch ohne Reservierung geht eigentlich nichts, aber, wie in Frankfurt üblich, können wir uns dann doch immer mit an einen Tisch quetschen. „Wir fordern Wein für alle“, heißt es weiter auf der Webseite der Weinstube. Uns reicht es schon, wenn wir es schaffen, die Aufmerksamkeit des redeseligen Weineinschenkers zu bekommen, um Wein, Oliven und Spundekäs bestellen zu können (hier ist Selbstbedienung angesagt).

Manchmal ist es schwer, gegen den Lärm anzureden, aber wir fühlen uns in diesem Trubel geborgen und beschwingt. Spannend wird es spätestens dann, wenn Gisela von ihren zypriotischen Freund*innen und Festen erzählt und mit dem Wein-Barkeeper über die Fähre von Zypern nach Haifa fachsimpelt. Und als wir am Tresen erfahren, dass eine der Geschäftsführer*innen selbst auf eine Laufbahn als Ethnologin, Autorin und Feldforscherin in der Türkei zurückblickt, verflechten sich unsere Geschichten weiter mit jenen der Weinstube.

So wird die Weinstube zum „Locus amoenus“ (so die Werbung auf der Webseite), ein schöner, idyllischer Ort, wobei der Wein da sicherlich etwas mithilft… Noch ein letztes kleines Glas (zum Abschied bestellen wir immer noch ein halbes), dann geht’s wieder nach Hause – bis zum nächsten Mal. Gerne sehr bald wieder, liebe Gisela – wir freuen uns schon darauf!