Schaufenster

Sammlung audiovisuelle Medien

„Filmlust läuft eigentlich über Video. Wer Spaß daran hat, sich über Licht-aus-Licht-an hinaus mit Film zu beschäftigen, operiert aus einer Video-Sammlung heraus.“[1]

Rembert Hüser

Die Sammlung audiovisuelle Medien des Kunstgeschichtlichen Instituts umfasst mehr als 8.000 Titel aus den Bereichen Spielfilm, Dokumentation, Kunst-Dokumentation bzw. ‚Kulturfilm‘, Reportage, Lehrfilm, Fernsehproduktion und Videokunst. Damit steht ein beträchtlicher Fundus von Filmen bereit, der für die Lehre und Forschung zur Verfügung steht. Darunter finden sich auch seltene und/oder historisch bedeutsame Titel, die im Rahmen kleiner Präsentationen (in loser Folge) hier vorgestellt werden.

Zukünftig soll die Sammlung besser erschlossen werden, so dass die Suchanfragen der Datenbank-Recherche nach gezielten Treffern (Kunst-Dokumentationen, … Architektur, … Performance) filtern kann.

Datenbank audiovisuelle Medien (Anmeldung: BN: kgi / PW: kgi)

Beispiel einer Datenbankabfrage zu Kunst-Dokumentationen

Sammlung Bildstelle (ConedaKor)

Die für das Digitale Repositorium zusammengetragenen Bilder und Filmausschnitte werden in der Bilddatenbank ConedaKor hinterlegt. Über den folgenden Link gelangen Sie (nach voriger Anmeldung in ConedaKor) direkt in den betreffenden Sammelbestand:

Digitales Repositorium (ConedaKor)

Beispiel einer Datenbankabfrage vom Filmplakat zum Film mit ConedaKor und VDB

Konzept

Das ein Film stets aus mehreren Bildern besteht, ist mit Blick auf den Filmstreifen, der mit 24 Bildern pro Sekunde durch den Projektor läuft, längst eine Binsenweisheit. Dass aber um den „Film“ herum eine Menge weiterer Bildkünste gruppiert sind, die allesamt in Verbindung stehen mit dem, was mit dem Begriff des „Kinos“ in Verbindung gebracht wird, gerät leicht aus den Blick. Film-stills, Promotional-stills, Production-stills, Filmplakate, Storyboards, Szenenbildentwürfe, Matte-Paintings, Gemälde (fiktive Werke oder Kopien) werden im Umkreis von Filmproduktionen geschaffen, finden ihren Platz darin oder prägen dessen (ikonische) Ausstrahlung außerhalb der Kinosäle.

Popularität und Rezeption einer Standfotografie: Harriet Andersson in Sommaren med Monika (Ingmar Bergman 1953), als Fanpostkarte, auf dem Cover der Cahiers du Cinéma, als Hommage und Kino-Fetisch in Les Quatre Cents Coups (François Truffaut, 1959) (als Action-Still und als Bild (Standfotografie) im Bild (Standfotografie), s. auch hier), auf dem Cover der Cahiers du Cinéma, auf dem Cover von Winfried Pauleits Studie zur Gattung der Filmstandbilder.

Ziel der Lehrveranstaltungen ist es, ein Gespür für die jeweiligen Bildkünste zu entwickeln, sie besser unterscheiden und einordnen zu können. In ConedaKor, der Bilddatenbank des Instituts, wurden begleitend zu den Lehrveranstaltungen Bildsammlungen angelegt, die die jeweiligen Aggregatszustände des Filmischen versammeln und die stetig erweitert werden. Die folgende Präsentation vermittelt einen Einblick in den Bestand von Filmplakaten.

Filmplakate in ConedaKor (Auswahl: Leonard Schwanig)

Unter dem Begriff „Schaufenster“ sollen zukünftig und in loser Folge Beiträge zusammengetragen werden, die jeweils Einblicke in die Film-/Video- und Bildsammlung des Kunstgeschichtlichen Instituts bieten.


Schaufenster #2 (Januar 2024)

Frankfurt im Film

Jacques Tourneur (1904­–1977) war französischer Regisseur mit US-amerikanischer Staatsbürgerschaft. 1942 wurde er Mitglied bei den RKO-Studios[1] und schuf zahlreiche Filme im Genre des Film Noir (vgl. Cat People, 1942 und Out of the Past, 1947).

Sein Film Berlin Express (US 1947/48) ist ein Spielfilm aus der Nachkriegszeit, gedreht in Frankreich und Deutschland, von Filmkritikern irgendwo zwischen Thriller und Reportage eingeordnet. Im Folgenden sollen einige stichpunktartige Annäherungen an diesen ungewöhnlichen Genre-Mix vorgenommen werden. Dazu werden Filmausschnitte betrachtet, in denen die Stadt Frankfurt am Main als wesentlicher Schauplatz der Handlung eine Rolle spielt. Im Zuge dieser Aufnahmen, macht der Film auch am Campus Westend Station, an der sich bekanntlich die heutige Goethe-Universität befindet. Denn der einstige Hauptsitz der I.G. Farben AG wurde nach Ende des Krieges als Standort des US-amerikanischen Militärgouvernements genutzt.[2]

Jacques Tourneur: Berlin Express (US 1947/48), 87 Min., Filmausschnitt

Hinzugezogen werden außerdem zwei Texte, die die Szenen in Frankfurt einordnen. Zuletzt folgt ein Blick auf die Plakate zum Film, die wieder ein anderes Bild von Berlin Express zeichnen.

„Reeducation, touristischer Blick und Architekturdiskurs gehen in diesem Visual Information Guide eine eigentümliche Mischung ein, in der sich die einzelnen Teile wechselseitig kommentieren.“[3]

Rembert Hüser

Rembert Hüser (Theater-, Film- und Medienwissenschaften, Goethe-Universität) deutet in seinem Aufsatz Ausstieg in Frankfurt (2017) die politischen Dimensionen an, die Berlin Express eröffnen wird:

„Berlin Express vorangestellt ist ein Vorspann, der aus acht Architekturaufnahmen vom Pariser Palais de Justice zusammengesetzt ist. Fragen von Architektur und Recht werden damit dem Film von Anfang an auf den Weg gegeben. In seinen 86 Minuten läuft die Diegese von Paris mit Zwischenstopp im neuen europäischen Frankfurter Justizpalast [ehemals I.G.-Farben-Gebäude, umbenannt zu Poelzig-Bau] zum Pariser Platz in Berlin, der seinen Namen in Erinnerung an die Eroberung von Paris durch preußische Truppen erhalten hatte, Berlin Express ist damit auch eine Retourkutsche.“[4] 

Rembert Hüser

Die in den Filmausschnitten gezeigten Szenen in Frankfurt sind die ersten im Deutschland der Nachkriegszeit gedrehten Aufnahmen und bieten somit eine bis dahin ungesehene Ansicht der zerstörten Stadt. Die Architektur mit ihren Ruinenlandschaften ist dabei ebenso real wie die US-amerikanische Besatzung, die im heutigen Poelzig-Bau ihren Hauptsitz hatte.

Die Aufnahmen von dokumentarischem Wert zeigen die Oppositionen von Chaos und Ordnung, öffnen den Blick aber auch für das kriminalistische bzw. Spionage-Narrativ, das Berlin Express zugrunde liegt, handelt es sich doch um einen Film, der sich zunächst an ein US-amerikanisches Publikum richten sollte.

Jacques Tourneur: Berlin Express (US 1947/48), 87 Min., Filmausschnitt (Szene am Römer)

Auch Thomas Tode erkennt den politisch-dokumentarischen Wert des Films, indem er die Integration der kriegszerstörten Schauplätze (zu der übrigens auch eine Ansicht des Frankfurter Römers gehört) als Teil der filmischen Inszenierung betrachtet:   

„In dem Thriller Berlin Express […] fährt eine Reisegruppe mit dem Zug in den Bahnhof von Frankfurt am Main ein und erkundet die Stadt, gedreht vor Ort und mit Erlaubnis der Besatzungsbehörden. Eine etwa fünfminütige Passage stellt uns die ‚Hauptstadt der amerikanischen Besatzungszone‘ vor, wobei die Stadt als heimlicher Hauptdarsteller des Films in Szene gesetzt ist. So endet das allzu nette Beschnuppern der Zuggäste in dem Dialogsatz ‚Wir fahren gerade in Frankfurt ein‘, zu dem das schwarze Rollo eines Zugfensters hochschnellt und den Blick auf eine schier endlos scheinende Ruinenlandschaft freigibt, in der ausgebrannte Häuser wie hohle Zahnhälse in den Himmel ragen. […] Weiter geht es mit dem Autobus […]. Die Fahrt endet vor einem imposanten breitflächigen Häuserriegel, dem völlig unzerstörten Verwaltungsgebäude der I.G. Farben, damals das Hauptquartier der US-Streitkräfte in Europa. […] Die ungewöhnlich lang angelegte Einstellung suggeriert, dass der Beistand der Amerikaner ein reibungsloses Funktionieren des Systems garantierte – Hoffnung auch für andere Organismen wie die Mainmetropole und das gesamte Land.“[5]

Thomas Tode
Jacques Tourneur: Berlin Express (US 1947/48), 87 Min., Montage aus Filmausschnitten (CMT)

Die Diskrepanz zwischen den Ruinen Frankfurts und dem unversehrten Poelzig-Bau scheint die Differenz der Perspektiven widerzuspiegeln, aus denen Berlin Express betrachtet werden kann. Die politischen und dokumentarischen Inhalte, die sich mit Frankfurt beschäftigen und die hier angerissen wurden, stellen jedoch nur einen kleinen Ausschnitt des Films dar.

1: Filmplakate zu Berlin Express (1948): „When an important proponent of world peace is kidnapped in post-World War II Frankfurt, his loyal secretary enlists the aid of several fellow passengers – an American, an Englishman, a Frenchman, and a Russian to find him before a vital U.N. conference.” Quelle: https://rko.com/portfolio-items/berlin-express/. 2: Filmplakat zu Berlin Express (1948) „A multinational group of train passengers become involved in a post-World War II Nazi assassination plot.” Quelle: https://www.imdb.com/title/tt0040155/. 3: Filmplakat, Quelle:,  https://www.imdb.com/title/tt0040155/.

Angelegt als Spielfilm, in dem Spionagegeschichte und Eisenbahnfilm[6] sich die (nicht unbekannte) Hand reichen, verstärken die Filmplakate den Eindruck eines Thrillers, dessen politischer Gehalt wird mit den Worten „They dared invade the Forbidden Zones“ angedeutet wird. An der zeitgenössischen Bewerbung des Films zeigt sich, dass die neutrale Dokumentation eher im Hintergrund der Produktion stand. Dass sich über die historische Kulisse der kriegszerstörten Städte Berlin und Frankfurt dennoch ein dokumentarischer Gehalt in den Film eingeschlichen hat, unterstreicht den Tatbestand, dass sich Filme auch gegen ihren vordergründig adressierten Plot untersuchen lassen.

Text: Cleo Marie Timmermann


Anmerkungen

[1] Radio-Keith-Orpheum Pictures Inc.

[2] Das Gebäude wurde 1928­–31 unter Leitung des Architekten Hans Poelzig (1869­–1936) errichtet.

August Sander, Der Architekt (Professor Dr. Hans Poelzig), ca. 1928, ConedaKor

Mehr zur Geschichte des Hauses auf der Website der Goethe-Universität:
https://www.uni-frankfurt.de/66995883/Das_I_G__Farben_Gebäude__Bau_und_Baugeschichte

Zur Zeit der Nutzung durch die US-amerikanischen Streitkräfte siehe: https://www.uni-frankfurt.de/66995897/Das_I_G__Farben_Geb%C3%A4ude_1945___1995 (letzter Zugriff: 21.12.2023).

Siehe auch den historischen Bildbestand zum Poelzig-Bau in der Bildsammlung des Kunstgeschichtlichen Instituts (Bildstelle). Vgl. die Bildauswahl in der Gruppe „Die Goethe-Universität in Film und Fotografie“ (ConedaKor).

[3] Rembert Hüser: Ausstieg Frankfurt, in: Johannes Binotto (Hg.): Film – Architektur. Perspektiven des Kinos auf den Raum, Basel 2017, S. 153.

[5] Hüser 2017, S. 165.

[4] Thomas Tode: Zwischen Apokalypse und Erlösung. Filme zum Wiederaufbau in Frankfurt, in: Felix Fischl (Hg.): Wandelbares Frankfurt. Dokumentarische und experimentelle Filme zur Architektur und Stadtentwicklung in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2018, S. 86f.

[6] Siehe hierzu die Filmbeispiele zur Lehrveranstaltung Die Eisenbahn als Motiv und Protagonist der Filmgeschichte [Link]

Literatur/Ressourcen

Felix Fischl (Hg.): Wandelbares Frankfurt. Dokumentarische und experimentelle Filme zur Architektur und Stadtentwicklung in Frankfurt am Main, Frankfurt am Main 2018 [Die Publikation enthält eine umfangreiche Filmographie mit Filmen, die in Frankfurt gedreht wurden]

Filmportal, (Filmographie zum Thema „Hessen im Film“), https://www.filmportal.de/videos?field_video_thema_target_id%5B1029%5D=1029 (letzter Zugriff: 11.01.2024)

Hüser, Rembert: Ausstieg Frankfurt, in: Johannes Binotto (Hg.): Film – Architektur. Perspektiven des Kinos auf den Raum, Basel 2017, S. 150–168

Tode, Thomas: Zwischen Apokalypse und Erlösung. Filme zum Wiederaufbau in Frankfurt, in: Fischl 2018, S. 86–111

Website der Goethe-Universität: Zur Baugeschichte des Hauses:
https://www.uni-frankfurt.de/66995883/Das_I_G__Farben_Gebäude__Bau_und_Baugeschichte (letzter Zugriff: 21.12.2023)

Zur Zeit der Nutzung durch die US-amerikanischen Streitkräfte: https://www.uni-frankfurt.de/66995897/Das_I_G__Farben_Geb%C3%A4ude_1945___1995 (letzter Zugriff: 21.12.2023)

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1896: Die Gebrüder Lumière in Frankfurt

Gebrüder Lumière, Réception de S. M. l’Empereur Guillaume II (Nr. 232, 1896), 00:48 Min

Der erste überhaupt in Frankfurt gedrehte Film zeigt die Ankunft Kaiser Wilhelms II. Auf dem Opernplatz anlässlich der Feierlichkeiten zum 25. Jahrestag des deutsch-französischen Friedens, der im „Hotel zum Schwan“ geschlossen wurde. Der Film besteht nur aus einer Einstellung: Die Kamera steht seitlich an einer Tribüne, die Komiteemitglieder warten auf den Kaiser, die Vorbereiter kommen, dann der kaiserliche Wagen. Der Kaiser steigt aus, grüßt militärisch und wird von dem Festausschuss umringt. Der Film wurde am 10.5.1896 aufgenommen und wahrscheinlich im Juni auf der Berliner Gewerbeschau gezeigt. © Institut Lumière. [Quelle: Filmportal]

Gebrüder Lumière, Francfort-sur-le-Main, Alter Marktplatz (Nr. 233, 1896), 00:47 Min

Eine Einstellung: der Zeitungskiosk neben der Hauptwache. Das genaue Datum der Aufnahme lässt sich nicht ermitteln. © Institut Lumière [Quelle: Filmportal]

„Eine tatsächliche, erwünschte und nicht arrangierte Zufälligkeit von Bewegungen, die mehr oder weniger eilige Passanten in lebenden Bildern des Großstadtverkehrs vollführen, lässt sich in einer Reihe von Städtebildern der Société Lumière feststellen. Diese Bewegungen kontrastieren häufig mit gemächlichen Schienenfahrzeugen, die auf vorgegebenen Spuren fahren – wie etwa in der Aufnahme Alter Marktplatz aus Frankfurt am Main:

Die Verkehrsteilnehmer bewegen sich teils auf festgelegten Bahnen, teils haben sie alle Freiheit der Bewegung: Die Fahrzeuge – Kutschen und Pferdebahnen – folgen der Schienen- und Straßenführung, die der Operateur diagonal kadriert. Auch Lastentransporte, die von Menschenkraft ausgeführt werden, folgen dieser Richtungsvorgabe: Drei Männer schieben auf einer Handkarre einen großen hellen Kasten; ein Mann kommt ihnen mit einer leeren Handkarre entgegen. Die Passanten kreuzen und queren auf der Fahrbahn vor dem Pavillon, wie es ihnen zupass kommt. Ihre Routen sind nicht festgelegt, der Fußgängerverkehr ist noch nicht kanalisiert. Ihr Bewegungsmuster im Raum erscheint chaotisch, folgt aber schlichter Rationalität: Die Passanten erwecken nicht den Eindruck, als hätten sie Zeit für Müßiggang. Sie gehen zügig und zielstrebig, einige haben es eilig und überholen andere neben ihnen. Wahrscheinlich nehmen sie jeweils den kürzesten Weg – und der ist individuell verschieden, je nach dem Woher und Wohin.“

Quelle: Martin Loiperdinger: »La vie prise sur le vif«. Akzente des Zufälligen in Städtebildern des Cinematographe Lumière, in: Thomas Koebner, Thomas Meder und Fabienne Liptay (Hg.): Bildtheorie und Film, München 2006, S. 381–392, hier S. 386f. Vgl. Martin Loiperdinger: Film & Schokolade. Stollwercks Geschäfte mit lebenden Bildern. Frankfurt/M. und Basel 1999, S. 232.

1951/52: Die Pupille Nr. 1 (Film-Studio der Johann Wolfgang von Goethe Universität)

Die Pupille Nr. 1 (Film-Studio der Johann Wolfgang von Goethe Universität), 1951/52, 12:31 Min, DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Siehe hierzu das Ausstellungsprojekt „Bilder werfen: Grabungsarbeiten zur studentischen Filmkultur in Frankfurt“: Die studentische Film- und Kinoarbeit hat in Frankfurt lange Tradition. Der Startschuss kann auf Ende 1951 datiert werden, als Studierende ihren ersten selbstgedrehten Film in einem Hörsaal der Goethe-Universität vorführten. Im Anschluss daran gründeten filminteressierte Studierende den Filmklub „Film-Studio“, dessen Mitglieder den Anspruch hatten, sowohl Filme zu drehen als auch zu zeigen. [Quelle: Projektwebsite]

1956/57: Kunststudentin Ursula

Erni Priemel und Gero Priemel, Kunststudentin Ursula (1956/57), 19:41 Min, DFF – Deutsches Filminstitut & Filmmuseum

Es handelt sich um eine Art Imagefilm für die Stadt Frankfurt, der nebenbei auch von der Goethe-Universität handelt. Protagonistin des Films ist eine Studentin der Kunstgeschichte (nicht Kunst!), die gerade nach Frankfurt zieht und von verschiedenen Personen die Stadt vorgestellt bekommt. Der Film ist angehäuft mit Stereotypen, die das Klima der BRD in den 50er Jahren besonders anschaulich abbilden.

Dank für diesen Hinweis an Helen Barr.


Schaufenster #1 (Juli 2023)

Das Telefon im Film

Das Telefon ist ein filmhistorisch kaum mehr wegzudenkendes Requisit im Arsenal kinematographischer Objekte. Wie der Film, erlaubt auch das Medium des Telefons, räumliche Entfernungen zu überwinden, sind sie auch noch so groß. Die Szene aus Keatons The Cameraman (zus. m. Sedgwick, 1928) demonstriert jedoch, dass die (räumliche und sinnliche) Distanz des Ferngesprächs mit etwas sportlichem Ehrgeiz wieder eingeholt werden kann.

Buster Keaton, The Cameraman, US 1928, 70 Min., Filmausschnitt [VDB]

Wie der Film ist das Telefon ein Mittel zur Kommunikation, das von Čelovek s kinoapparatom (Dziga Vertov, 1929) bis zur Matrix-Triologie (Wachowski Brothers, 1999-2003 und Personal Shopper von Olivier Assayas (2016) als Mittel fortschrittlicher, utopischer oder gar unmöglicher Raum- und Zeitüberwindung firmiert.

Kein Wunder, dass sich Filmschaffende, aber auch Kritiker und Wissenschaftler dazu berufen sahen, das kinematographische Objekt des Telefons einer genaueren Betrachtung zu unterziehen.

Ein Telefon klingelt. Signal schließt Körper akustisch ans Aggregat: Relais-Werden. Wird der Hörer abgenommen, fließt Strom, transformiert sich Akustisches in Nervöses und dann: Aktion! Augenbrauen zucken, Köpfe wenden sich, kreisen um unsichtbare Zentren, Blicke wandern und flattern, fliegen aber nicht davon, sondern biegen sich zum Apparat zurück. Körper krümmen und drehen sich. Nachrichten übertragen sich als Bewegung ins Bild. Gesten und Gebärden verteilen, was durchgegeben wird, in den Raum. Dispersion von Telefon-Energie ins Bild. Spiralknoten ins Kabel, akkumulierte Energie. An den Bewegungen lässt sich erkennen, mit wem jemand spricht. Oder ob nur das Relais geschaltet ist, der große Andere dranhängt, die Möglichkeit, Dial von M zu sein. Dual vom Dividuum. Bewegungen zirkeln, wenn telefoniert wird, um ein unsichtbares Zentrum. Es zentrifugiert die Telefonierenden. [2]

Ute Holl

In der Sammlung der Mediathek finden sich zwei bemerkenswerte Montage-Sequenzen, die das Telefon als Motiv und Protagonist jeweils durch Filme Hitchcocks (Manfred Waffender, ‚Höchste Zeit. Hitchcock für Eilige und Liebhaber, D 1987, 30 Min. [VDB]) sowie Beispiele der deutschen Filmgeschichte nachverfolgen (Michael Althen und Hans Helmut Prinzler, Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte, D 2008, 107 Min. [VDB]).

Manfred Waffender, Höchste Zeit. Hitchcock für Eilige und Liebhaber, D 1987, 30 Min., Filmausschnitt [VDB]
Michael Althen und Hans Helmut Prinzler, Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte, D 2008, 107 Min., Filmausschnitt [VDB]

Manfred Waffender hat in Frankfurt am Main und in Berlin studiert und begann in den 1980er Jahren Dokumentar-, Werbe- und Industriefilme zu drehen. Als früheste Arbeit lässt sich die Fernsehproduktion Die Kinder von Apple, Atari und Commodore (NDR, 1983, Youtube) ausfindig machen, die jüngst im Format alpha-retro wieder ausgestrahlt wurde. Später hat Waffender zahlreiche Musikfilme verantwortet (About 4 – Kronos Quartet, 1993; Steve Reich: City Life, 1995; Schwarz auf Weiß mit Heiner Goebbels und dem Ensemble Modern, 1997). Von 2001 bis zu seiner Emeritierung 2018 war Waffender Mediendramaturgie-Professor und geschäftsführender Direktor des Instituts für Musik und Medien an der Robert-Schumann-Universität in Düsseldorf.

Die Mediathek besitzt einen TV-Mitschnitt der Fernsehproduktion Höchste Zeit. Hitchcock für Eilige und Liebhaber (ARD, 1987), die am 23. März 1987 auf VHS aufgezeichnet wurde. Damit dürfte die Aufzeichnung eine der frühesten sein, die in den Bestand der um 1988 gegründeten Mediathek des Kunstgeschichtlichen Instituts ‚aufgenommen‘ wurde. Als Produktionsfirma wird TVT Frankfurt angegeben. Eine Firma gleichen Namens existiert bis heute. Sie produziert u.a. für ARD/ZDF und arte und hat visuelle Effekte für Filme wie Tropical Malady (Apichatpong Weerasethakul, 2004) beigesteuert.

Michael Althen war als Filmkritiker für renommierte Publikationen wie die Süddeutsche Zeitung, Die Zeit und den Spiegel tätig. 1998 trat er die Nachfolge von Peter Buchka als verantwortlicher Filmredakteur der Süddeutschen Zeitung an. Im Jahr 2001 wechselte er ins Feuilleton der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.

Für seine TV-Dokumentation Das Kino bittet zu Tisch – Essen im Film erhielt er 1996 einen Grimme-Preis. Gemeinsam mit dem Regisseur Dominik Graf drehte Althen zwei essayistische Dokumentarfilme: Das Wispern im Berg der Dinge – Der Schauspieler Robert Graf (Grimme-Preis 1998) und München – Geheimnisse einer Stadt (2000).

Im Jahr 2008 legte Michael Althen gemeinsam mit dem renommierten Filmhistoriker Hans Helmut Prinzler den Dokumentarfilm Auge in Auge – Eine deutsche Filmgeschichte über die Geschichte des deutschen Films vor, der auf der Berlinale 2008 seine Weltpremiere feierte. Michael Althen starb am 12. Mai 2011 in Berlin. (Quelle: Filmportal)

Der Filmhistoriker und Publizist Hans Helmut Prinzler war ab 2000 Direktor des neu eröffneten „Filmmuseum Berlin – Deutsche Kinemathek“ und verantwortete in seiner Amtszeit 28 Sonderausstellungen. Außerdem kuratierte er zahlreiche Filmretrospektiven. Prinzler starb am 18. Juni 2023. (Quelle: Filmportal)

Anmerkungen

[1] Rembert Hüser, Obdachlose am Flughafen. Sprache und Film, Filmsprache. Harun Farocki im Gespräch, in: Jungle World, 46, vom 8. November 2000, https://www.jungle.world/artikel/2000/45/obdachlose-am-flughafen (27.06.2023). 

[2] Ute Holl, Telefon-Kino-Loop, in: Antje Ehmann, Harun Farocki und Sabine Breitwieser (Hg.), Kino wie noch nie, Ausst.kat. (Generali Foundation, Wien) Köln 2006, S. 74f.; wieder in: Marius Böttcher, Dennis Göttel, Friederike Horstmann, u.a. (Hg.), Wörterbuch kinematographischer Objekte, Berlin 2014, S. 148150.

Literaturempfehlungen

Michael Althen, Rock Hudson: Seine Filme – sein Leben, München 1986

Michael Althen, Warte bis es Dunkel ist. Eine Liebeserklärung ans Kino, München 2002

Hans Helmut Prinzler und Hans Günther Pflaum, Film in der Bundesrepublik Deutschland. Der neue deutsche Film – Herkunft, gegenwärtige Situation. Ein Handbuch, Frankfurt/M. 1982

Hans Helmut Prinzler, Chronik des deutschen Films: 1895–1994, Stuttgart 1995