Maßnahmenkatalog für die betroffenen Straßen Holunder- und Azaleenweg
Was ist Starkregen?
Niederschlag, der in einer kurzen Zeit in sehr hohen Mengen auftritt, wird Starkregen genannt. In Abhängigkeit der Menge des Niederschlages kann es zu hohen Wasserständen und Überflutungen kommen. Vergangene Starkregenereignisse zeigen, dass Überschwemmungen nicht nur zu Sachschäden, sondern auch zu Personenschäden führen können [1]. Vorhersagen hinsichtlich der Eintrittswahrscheinlichkeit und der genauen Verortung werden durch die oft kleinräumige Begrenzung von Starkregenereignissen schwierig [2].
Der DWD spricht von starkem Regen ab einer Niederschlagshöhe von 10 mm in 60 Minuten bzw. einer Niederschlagshöhe ab 1,7 mm in 10 Minuten.
(Umweltbundesamt 2019)
Häufig entstehen diese Niederschläge in den Sommermonaten und treten in Verbindung mit Gewitterzellen auf. So verursachten die Starkregenfolgen von allein zwei Sturmtiefs im Jahre 2016 einen versicherten Schaden in Höhe von 800 Millionen Euro, wodurch sie zu den teuersten Ereignissen der letzten Jahren gehören. Die ansteigenden Schäden und die Häufung von Starkregenereignissen (Abb. 1) können einerseits durch den möglichen Einfluss des Klimawandels entstehen, andererseits durch die höheren Versiegelungsgrade der urbanen Räume [1].
Aufgrund zunehmender Sach- und Personenschäden steigt auch das öffentliche Bewusstsein für die Starkregenthematik (Abb. 2). Jedoch zeigen vergangene Ereignisse, dass selbst eine Kombination von verschiedenen Maßnahmen die Auswirkungen von Starkregen nur vermindern und nicht vermeiden kann [1]. Diese Art von Schadensbegrenzung wird für den Holunder- und Azaleenweg des Stadtteils Frankfurter Berg analysiert, indem ein Maßnahmenkatalog mit Empfehlungen zur Verminderung von Starkregenfolgen erstellt wird.
Das Untersuchungsgebiet
Der Frankfurter Berg ist ein im nördlichen Stadtgebiet gelegener Stadtteil von Frankfurt am Main. Das Projekt betrachtet die Situation an den Straßenzügen Holunder- und Azaleenweg. Diese befinden sich in süd-westlichen Bereichen am Frankfurter Berg. Die Bebauung besteht aus Ein- und Mehrfamilienhäusern, wovon einige Gärten aufweisen (Abb. 3).
Fragestellung und Zielsetzung
Bei dem Projekt „Starkregen am Frankfurter Berg“ stellten sich vier Fragen:
- Aufgrund welcher Faktoren sammelt sich das Wasser bei Starkregen in den Straßenzügen?
- Welche Fließrichtungen weist das Wasser im Untersuchungsgebiet auf?
- Welche Auswirkungen auf Anwohner*innen und Objekte sind festzustellen?
- Welche zukünftigen Maßnahmen könnte eine Starkregenvorsorge enthalten?
Ziel dieser Arbeit ist es, durch fragenbezogene Analysen sowie den Austausch mit Bürger*innen und Behörden, Lösungsansätze zu entwickeln. Darüber hinaus galt es einen Maßnahmenkatalog zu erstellen, welcher sowohl städtebauliche Maßnahmen als auch eigenen Objektschutz enthält. Unter Berücksichtigung der in dieser Arbeit empfohlenen Maßnahmen kann in Zukunft eine mögliche Minderung von Schäden durch Starkregenfolgen im Untersuchungsgebiet erzielt werden.
Methodik
Eine Annäherung an den Stadtteil Frankfurter Berg erfolgte durch die Sichtung von Satellitenbildern, topographischen und thematischen Karten. Nach einer intensiven Auseinandersetzung und Literaturrecherche mit dem Thema Starkregen konnte über das Umweltamt Frankfurt ein Kontakt zu der Stadtentwässerung Frankfurt am Main (SEF) hergestellt werden. Im Verlauf des Projektes fanden einige Online-Treffen mit der Arbeitsgruppe Starkregen statt, sodass eine Unterstützung und Beratung gewährleistet wurde. Durch die Anmerkungen der SEF wurde das Projekt auf die Straßen Holunder- und Azaleenweg eingegrenzt.
Bei der Durchführung des Projektes kamen folgende Methoden zum Einsatz:
- Ortsbegehung und Erstellung einer Fließkarte des Wassers, welches sich bei Starkregenereignissen in den Straßenzügen sammelt und sich entsprechend dem Gefälle bewegt.
- Angekündigte Befragung der Anwohner (vor Ort) mit Schwerpunkt auf individuelle Betroffenheit bei vergangenen Starkregenereignissen sowie installierten Starkregenschutzmaßnahmen.
- Auswertung der Ergebnisse der Befragung und Entwicklung eines Maßnahmenkatalogs.
Warum trifft es den Holunder- und Azaleenweg stärker als umgebende Straßen?
Im Gegensatz zu den umliegenden Straßen gab es durch die Folgen vergangener Starkregenereignisse eine Häufung von Feuerwehreinsätzen am Holunder- und Azaleenweg. Die vorwiegenden Starkregenfolgen waren dabei Überschwemmungen – einerseits von Straßen, jedoch insbesondere vom eigenen Objekt. Dabei waren viele der umliegenden Straßen nicht so stark betroffen, sodass kein Einsatz von Hilfskräften notwendig war (Abb. 5.).
Der Fließweg des Wassers
Das Anhäufen der Wassermengen an diesen Straßenzügen liegt vor allem dem natürlichen Fließweg zugrunde. In dem Gebiet herrscht ein Gefälle von Osten, mit dem östlichen Teil des Holunderweges, nach Westen zum Azaleenweg (Abb. 6). Bei einem Starkregenereignis fließt das Wasser entlang der Straßen ab.
Der Regen, der auf die versiegelten Einfahrten und Dächer trifft, fließt aufgrund der Neigung des Bordsteins zur Straße hin zusammen mit dem restlichen Oberflächenabfluss das Gefälle hinunter. Durch die geneigten Bordsteine sind die Häuser am oberen Holunderweg weniger betroffen, da das Wasser nicht auf dem Grundstück bleibt, sondern dem Gradienten folgend die Straße hinunter fließt. Im abflachenden, westlichen Teil des Holunder- und Azaleenweges sammelt sich das Wasser in den Straßen und fließt von dort aus in die Gebäude. Darüber hinaus sammelt sich das Wasser auch in einem Tiefpunkt des Berkesheimer Weges und fließt von dort aus in den westlichen Azaleenweg (Abb. 7).
Das sagen die Anwohner*innen – Ergebnisse der Befragung
Im Rahmen des Projektes wurde eine angekündigte Anwohnerbefragung vor Ort durchgeführt. Einige Anwohner*innen merkten an, dass bei Überflutungen das Wasser nicht nur von außen, sondern auch durch die „Nachbarwand“ gekommen sei. Es bestehe der Eindruck, dass vorhandene Sinkkästen in den Rinnsteinen der Umgebung nicht gesäubert würden und das Kanalnetz nicht ausreichend gerüstet sei, um einem Starkregenereignis standzuhalten.
Maßnahmenkatalog
Die meisten Vorsorgemaßnahmen werden bereits vor der Planung und Bebauung eines Gebietes getroffen. Da diese Arbeit ein fertig gebautes Gebiet betrachtet, wird sich lediglich auf Maßnahmen bezogen, die noch als Zusätze zur jetzigen Situation empfohlen werden können. Die in diesem Projekt empfohlenen städtebaulichen Maßnahmen sind keiner Machbarkeitsstudie unterlegen. Sie dienen lediglich als Orientierung und können in zukünftigen Studien geprüft werden. Folgende Abbildung stellt eine Übersicht des Planungsansatzes dar (Abb. 10).
Städtebauliche Maßnahmen
Die angrenzenden Grünflächen und Felder südwestlich des Azaleenweges dienen als unversiegelte Retentionsflächen. Daher empfiehlt diese Arbeit den Bau von Notwasserwegen auf der Straße und kleinen Kanälen zwischen den Grundstücken, die vom südlichen Holunderweg über den Azaleenweg reichen (Abb. 11) und anschließend das Wasser auf die unbewohnten Grünflächen leiten (Abb. 10). Da das Wasser bei einem Starkregenereignis bei bereits gesättigten Böden auch auf den Grünflächen nicht sofort versickern kann, läuft es ohne weitere Maßnahmen aufgrund des Gefälles in Richtung Autobahn. Um weitere Schäden auf der Autobahn zu vermeiden, ist das Anlegen von vertieften Rückhalteflächen auf den Grünflächen zu empfehlen, die auch größere Wassermengen aufnehmen können (Abb. 10) [3].
Darüber hinaus tragen wasserdurchlässige Oberflächen zu einer höheren Versickerungsrate bei. Vor allem auf Parkplätzen und Einfahrten könnte der Einbau von Oberflächenbelägen mit höherer Permeabilität dazu beitragen, den Oberflächenabfluss bei Starkregen zu reduzieren. Eine weitere Möglichkeit ist eine Kanalweiterleitung, um Wasser aus den Kanälen ebenfalls auf Grünflächen zu lenken [3]. Zusätzlich zu den südlich angrenzenden Grünflächen gibt es im Beobachtungsgebiet einen Spielplatz. Dieser ist zwar einerseits eine fast vollkommen unversiegelte Grünfläche, allerdings läuft das Wasser bei gesättigtem Boden durch das Gefälle wieder auf die Straßen und anschließend in die Gebäude (Abb. 10). Um dem entgegenzuwirken, kann die gesamte Spielplatzfläche tiefer gelegt werden. Dies würde dazu führen, dass das Wasser nicht mehr auf den Holunderweg fließen kann. Mit dieser Maßnahme wird der Spielplatz zu einer multifunktionalen Retentionsfläche. Dies hat den Vorteil, dass Starkregenfolgen vermindert werden können, ohne dass Siedlungsfläche dafür beansprucht werden müsste [4]. Ohne eine weitere Maßnahme würde das Wasser jedoch weiter südlich in den Azaleenweg laufen.
Der Planungsansatz beinhaltet daher eine Tieferlegung des Spielplatzes (Abb. 13), sodass diese als großes Rückhaltebecken fungieren kann. Dadurch würde das sich auf dem Spielplatz sammelnde Wasser anstatt auf die Straße in das Becken laufen. Die Rollschuhbahn hat einen Durchmesser von 30m (eigene Erhebung), sodass eine Tieferlegung der Bahn um 2m ein Fassungsvermögen von c. 1,4 Mio. Litern bedeuten würde.
Objektschutz
Da durch städtebauliche Maßnahmen kein vollständiger Schutz gewährleistet wird, ist die Installation von Objektschutz am eigenen Objekt ein weiterer wichtiger Faktor. Durch die Vielzahl an möglichen Ursachen der Überflutung des Objektes (Abb. 14) ist es wichtig, die Herkunft des Wassers ausfindig zu machen und dann passende Maßnahmen zu ergreifen.
Von außen installierbare Maßnahmen
- Bodenöffnungen
- Abdeckung der Kellerfenster und Lichtschächte
- Lichtschachterhöhung
- Schutztore für die Einfahrt
- Fenster- und Türklappen
- Erhöhung oder Vertiefung des Untergrundes vor der Haustür [3]
Weitere Maßnahmen
- Abdichtung der Grundleitungen oder Regenrohre
- Rückstausicherung
- Kellerabdichtungen durch Weiße oder Schwarze Wannen
- Abdichtung der Außenwände [3]
Bei Starkregenrisiko sind weitere Maßnahmen bei zukünftigen Neubauten zu empfehlen. Dazu gehört die Nutzung von wasserresistenten oder wasserbeständigen Bausubstanzen, sowie eine Sicherung von bekannten Gefahrenquellen wie Heizöltanks. Wichtige Haustechnik und zentrale Elektronik sollten in höher gelegenen Etagen installiert werden, um einen Schaden bei Kellerüberflutung zu vermeiden. Darüber hinaus sollten zur Minimierung des Sachschadens hochwertige Einrichtungsgegenstände sowie wassergefährdete Objekte nicht in den Kellerräumen gelagert werden [3].
Zusätzliche Empfehlungen
Da einige der Anwohner*innen der Straßenzüge nur geringfügigen Objektschutz betrieben haben, ist weiterhin zu prüfen, ob es einen Preisnachlass für bestimmten Objektschutz durch einen Zusammenschluss der Anwohner*innen und der Einholung eines Gruppenangebotes gibt. Zukünftig ist es vor allem weiterhin wichtig, eine Sensibilisierung des Themas voranzutreiben. Aufklärung über Starkregen und die Folgen kann über die Erstellung von Starkregengefahrenkarten erfolgen. Diese Faktoren könnten Bewohner*innen dazu veranlassen, privaten Objektschutz zu installieren um zukünftige Schäden zu mindern.
Fazit
Im Zuge des Projektes ist die Relevanz von zunehmenden Starkregenereignissen und damit einhergehenden Schäden an privatem und öffentlichem Eigentum deutlich geworden. Die Kombination von städtebaulichen Maßnahmen wie das Anlegen von Notwasserwegen und Gewässerrückhaltebecken sowie privatem Objektschutz kann diese Schäden minimieren. Dabei sind sowohl die städtischen als auch die privaten Maßnahmen von gleich hoher Bedeutung. Durch die Unvorhersehbarkeit und Unberechenbarkeit eines Starkregenereignisses kann jedoch absoluter Schutz selten gewährleistet werden. Daher ist es zukünftig wichtig, weiterhin die betroffenen Bevölkerungsgruppen für das Thema zu sensibilisieren. Dies wird auch vor allem durch die Herausgabe einer Starkregengefahrenkarte für Hessen gefördert, welche noch 2021 durch das Umweltamt erscheinen soll. Die in diesem Projekt empfohlenen Maßnahmen sind zwar lediglich im Rahmen von theoretischen Arbeiten entstanden, jedoch wäre eine Machbarkeitsstudie für diese und weitere Maßnahmen zu befürworten. Damit wäre eine zukünftige Minderung der Schäden am Holunder- und Azaleenweg möglich.
Literatur
[1] UMWELTBUNDESAMT (2019): Vorsorge gegen Starkregenereignisse und Maßnahmen zur wassersensiblen Stadtentwicklung. Analyse des Standes der Starkregenvorsorge in Deutschland und Ableitung zukünftigen Handlungsbedarfs. In: Texte 55/2019.
[2] UMWELTAMT Frankfurt (2019): Gefahr durch Starkregen. Sorgen Sie vor! Hinweise und Tipps vom Umweltamt Frankfurt am Main für die Bevölkerung.
[3] EGLV (Lippe Verband) (2021): Website: https://starkgegenstarkregen.de/. (Zugriff: 01.07.2021).
[4] Benden, J, R. Broesi, M. Illgen, U. Leinweber, G. Lennartz, C. Scheid, T.G. Schmitt (2017): Multifunktionale Retentionsflächen. Teil 3: Arbeitshilfe für Planung, Umsetzung und Betrieb. MURIEL Publikation.
Autor*innen
Jakob Herauf
Lisa Langhammer
Simon Marauhn
Kontakte
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