Inhalt
Thematik
Der Stadtteil Riedberg im Norden Frankfurts wurde 2001 gegründet. Die Planungen für das größte Neubaugebiet Frankfurts begannen aber schon in den 1990er Jahren. Er gilt als ein moderner und nachhaltiger Stadtteil, bei dem der Umgang mit begrenzten Ressourcen mit in die Planung einbezogen wurde. So umfasst die Planung des Riedbergs ein umfängliches System zur Regenwasserbewirtschaftung und -versickerung.
Charakteristisch für diesen Teil Frankfurts sind die relativ weitläufigen Grünflächen und Parkanlagen, die eine wichtige ökologische Funktion für die Regenwasserbewirtschaftung darstellen. Ebenfalls zeichnet das Gebiet sich durch moderne Wohnungsblöcke, Stadtvillen und den naturwissenschaftlichen Campus der Goethe-Universität aus (Kaufmann & Peterek 2018).
Mit der Arbeit im Modul BSc7: Projektseminar „Grundlagen“ sollen unter dem Überthema „Stadtentwicklung Frankfurt am Main – Wege in die Nachhaltigkeit“ der Umgang mit Niederschlagswasser im Stadtteil Riedberg untersucht und Verbesserungsmaßnahmen aufgezeigt werden. Bedingt durch die Folgen des bereits fortschreitenden Klimawandels und dem stetigen Bevölkerungswachstum stellt ein nachhaltiger Umgang mit Ressourcen, wie beispielsweise Wasser, eine der größten Herausforderungen für die Städte dar. Dazu kann die nachhaltige Nutzung von Niederschlagswasser als Brauchwasser im Stadtgebiet einen erheblichen Teil beitragen.
Ziele und Fragen des Projekts
Das Projekt beschäftigt sich mit der Frage:
Wie kann der Umgang mit Niederschlagswasser nachhaltig in Bezug auf seine Nutzung und Speicherung im Stadtteil-Riedberg gehandhabt werden?
Das Ziel des Projektes war eine Bestandsaufnahme der Situation in Bezug auf die Nutzung von Niederschlagswasser am Riedberg und die Entwicklung von Verbesserungsvorschlägen für einen nachhaltigeren Umgang mit Niederschlagswasser. Dabei lag der Fokus auf der Nutzung von Niederschlagswasser als Wasser für die Toilettenspülung, für Reinigung, Auto, Gartenbewässerung und das Waschen von Wäsche. Auch die Dachbegrünung des Gebiets und die Versickerungsflächen sind untersucht worden, haben jedoch im weiteren Verlauf des Projekts an Bedeutung verloren..
Stand der Forschung
Global erforscht der Weltklimarat (IPCC) die Folgen des Klimawandels. Die Ergebnisse zeigen, dass es durch einen weiter fortschreitenden Klimawandel zu einer Zunahme von Wetter- und Klimaextremen kommt. Für das Untersuchungsgebiet bedeutet das eine Steigerung der Häufigkeit, Dauer und Intensität von Hitzeereignissen, sowie intensivere Niederschlagsereignisse (IPCC 2019). Damit wird die Dringlichkeit und Bedeutung eines flächendeckenden Regenwassermanagementsystems, das den nachhaltigen Umgang mit Niederschlagswasser steuert, deutlich.
Erkenntnisse über bereits bestehende oder geplante Projekte mit dem Ziel, Niederschlags- bzw. Oberflächenwasser zu speichern, rückzuhalten oder abzuleiten, liefern die Bebauungspläne des Untersuchungsgebietes: In den Bebauungsplänen Bgr-B803 Ä1-Ä6 ist für den Riedberg ein Konzept zur Regenwasserbewirtschaftung festgehalten. Dieses sieht vor, dass im gesamten Gebiet anfallendes Niederschlagswasser in Mulden, Mulden-Rigolen oder Zisternen zu sammeln und zu verwerten ist. Auf Grundstücken anfallendes Niederschlagswasser muss ebenfalls gesammelt und beispielsweise zur Bewässerung oder als Grauwasser genutzt werden. Durch die Substitution von Trinkwasseranteilen kann so zu einer Reduzierung des Wasserverbrauchs beigetragen werden.
Abb. 1: Aufbau einer Zisterne
Methoden
Um den möglichen Ist-Zustand im Bereich der Infrastruktur zum Speichern des Niederschlages in Form von Dachbegrünung oder verschiedenen Wasserauffanganlagen festzustellen, wurden die Bebauungspläne für Teilgebiete von Kalbach und Riedberg in Bezug auf Vorgaben zu Auffangsystemen von Niederschlag für die anschließende Nutzung analysiert.
Eine Auswertung der Satellitenbilder von Kalbach und Riedberg dienten dazu abzugleichen, inwiefern die planerischen Vorgaben in Bezug auf die Dachbegrünung umgesetzt wurden, um mögliche Defizite und damit einhergehende Verbesserungspotenziale zu ermitteln. Hierbei wurde über das „Geoportal Frankfurt“ ein Satellitenbild von April 2018 ausgewertet, indem für jedes Haus mit Dachbegrünung eine Markierung gesetzt wurde, jedes Haus auf dem keine Dachbegrünung festgestellt werden konnte, wurde auch notiert um qualitative Aussagen über die Umsetzung von Dachbegrünung treffen zu können, besonders für den Vergleich zwischen den zwei Stadtbezirken Kalbach und Riedberg.
Um den Ist-Zustand der Niederschlagswassernutzung zu ermitteln, wurde eine Online-Umfrage erstellt, welche in Papierform als ausgedruckte Zettel mit QR-Code in Riedberg und Kalbach verteilt wurden und digital zu beantworten war. In Kalbach erfolgte die Übergabe der Zettel in Form von direkten Einwürfen in die Briefkästen oder sie wurden in Kleinläden und Supermärkten ausgeteilt, da es keine öffentlichen Plätze gab, wo sich die Einwohner zu diesem Zeitpunkt („Corona-Einschränkungen“) häufig versammelt haben.
Im Stadtbezirk Riedberg konnte am Tag der Aufräumaktion „Müllsammeln auf dem Riedberg“ der Klimaschutz-Initiative Riedberg und auf dem Wochenmarkt eine Vielzahl an Umfragezetteln direkt an Personen ausgehändigt werden, die vorab Ihren Wohnsitz am Riedberg bestätigen mussten. Die Umfrage sollte ermitteln, wie viele Haushalte in Kalbach-Riedberg Wasserspeichersysteme besitzen und ob das dort gespeicherte Wasser als Brauchwasser genutzt wird. Ziel war es zudem, Informationen zur Art der Brauchwassernutzung zu gewinnen.
Verantwortliche im Bereich des Sektors Wasser, sowie der Stadtentwässerung Frankfurt am Main (SEF) wurden angefragt, um Informationen zu möglichen Wassernutzungen zu erhalten, um die Umfrage zu stützen und somit Aussagen über den Ist-Zustand der Brauchwassernutzung und Verbesserungspotenzialen treffen zu können. Leider wurden bis zum Abschluss der Projektarbeiten (19.07.2021) keine Daten zurückgemeldet.
Abb.2: Dachbegrünung am Riedberg (begrünte Dächer in rot markiert) (Grundlage Geoportal Frankfurt, verändert)
Ergebnisse
Die Umfrage zum Thema „Regenwasserauffangsysteme und Brauchwassernutzung“ wurde Ende April 2021 gestartet und lief bis Mitte Juni. Es nahmen insgesamt 48 Bürger*innen des Stadtbezirks Riedberg daran teil. Die Auswertung lieferte folgende Ergebnisse:
Von den Befragten leben etwa zwei Drittel in einem Einfamilienhaus mit im Durchschnitt 3,6 Personen. Die anderen 17 Umfrageteilnehmer*innen wohnen in Mehrfamilienhäusern in 3-Personen-Haushalten.
Die Frage, ob bereits Regenwassernutzunganlagen (Zisternen, Regentonnen…) auf den Grundstücken vorhanden seien, bejahten 40 % der Teilnehmenden. 54 % besitzen aktuell noch keine Anlage zum Auffangen und Speichern von anfallendem Regenwasser. Drei weitere Befragte waren sich nicht sicher. Bei den Auffanganlagen handelt es sich in 60 % der Fälle um Regentonnen, den Rest machen Zisternen aus.
Die Antworten auf die Frage, wie viel Leitungswasser durch den Gebrauch einer Regenwasserauffanganlage in einem Jahr eingespart werden können, unterlagen einem großen Schwankungsbereich von 150 Liter (l) bis zu 8000 l. Durchschnittlich sparen die befragten Personen etwa 2900 l Leitungswasser durch die Nutzung von Regenwasser ein. Die Antwort auf die Frage, wofür das aufgefangene Regenwasser anschließend verwendet würde, fiel einstimmig auf Pflanzenbewässerung.
Interessant sind des Weiteren die Antworten bezüglich der Problematik, ob durch die Zisternen und Regentonnen ganzjährig Brauchwasser zur Verfügung steht. Bei mehr als zwei Dritteln der Teilnehmer*innen reicht der Niederschlag beziehungsweise das Volumen der Anlage nicht aus, um eine ganzjährige Versorgung zu gewährleisten.
Von den 26 Befragten, die keine Anlage besitzen, sind knapp die Hälfte bereit über die Anschaffung nachzudenken und sich weiter darüber zu informieren. Die 14 Personen, die sich definitiv gegen eine Regenwasserauffanganlage ausgesprochen haben, begründen ihre Entscheidung damit, dass es baulich nicht möglich oder nur mit einem zu großen Aufwand umzusetzen sei. Häufig wurde auch mit zu hohen Kosten und einem zu kleinen Effekt argumentiert oder dass schlichtweg kein Einfluss darauf bestünde, weil sie nicht Eigentümer*in der Wohnimmobilie seien.
Auf die Frage, ob man den Bau einer Anlage in Betracht ziehen würde, wenn dieser finanziell unterstützt werden würde, antworten 85 % der Befragten mit „Ja“. Die letzte Frage befasste sich mit der Größe der Fläche auf ihrem Grundstück, die sich zur Versickerung eignet. Dabei gaben die Teilnehmer:innen im Durchschnitt eine 125 qm große Fläche an, auf der Regenwasser versickern kann.
Neben der Umfrage wurden Berechnungen durchgeführt, die das Potential der Nutzung von Niederschlagswasser als Trinkwasser am Riedberg zeigten.
Eine Person gebraucht pro Tag durchschnittlich 125 l. Die folgende Tabelle zeigt die genaue Aufteilung der in Anspruch genommen Menge auf die verschiedenen Verwendungsarten.
Verwendungsart |
Menge in L |
Baden/Duschen/Körperpflege |
45 |
Toilettenspülung |
33,75 |
Wäschewaschen |
15 |
Kleingewerbe |
11,25 |
Reinigung, Autopflege, Garten |
7,5 |
Geschirrspülen |
7,5 |
Essen und Trinken |
5 |
Tab. 1: Verwendungsarten von Trinkwasser und deren täglicher Verbrauch pro Person (Quelle: https://de.statista.com/statistik/daten/studie/12351/umfrage/trinkwasserverwendung-in-deutschen-haushalten/#professional)
Abb. 3: Anteil verschiedener Nutzungsarten von Trinkwasser am Gesamtwasserverbrauch pro Person pro Tag
Sowohl die Toilettenspülung als auch Reinigung/Auto/Garten lassen sich durch aufgefangenes Niederschlagswasser ersetzen. Bei Einbau einer Filteranlage, kann auch Wäsche mit Niederschlagswasser gewaschen werden. Somit fallen folgende Wasserverbrauchswerte an:
Wassernutzung |
Wasserverbrauch pro Jahr pro Person |
Toilettenspülung, Reinigung, Auto, Garten |
15056,25 |
Toilettenspülung, Reinigung, Auto, Garten, Wäschewaschen |
20531,25 |
Tab. 2: Wasserverbrauchswerte [in l] der durch Niederschlag ersetzbaren Wassernutzungsmöglichkeiten
Durch die Zählung der Flächen mit Dachbegrünung ergab sich, dass 528 Häuser eine Dachebgrünung haben und 549 Häuser nicht mit Dachflächengrün ausgesattet sind. Somit sind knapp über 50 % der Häuser ohne Dachbegrünung. Im Rahmen der weiteren Untersuchungen wurde angenommen, dass die Häuser ohne Dachbegrünung Einfamilienhäuser mit Schrägdächern sind, welche eine durchschnittliche Dachfläche von 125 m2 haben. Des Weiteren wurde ein durchschnittlicher Jahresniederschlag von 660 l/m2 angenommen. Somit kann innerhalb eines Jahres 82.500 l Wasser von einem Einfamilienhaus aufgefangen werden. Diese Menge Wasser wäre je nach Art und Umfang der Nutzung ausreichend, den Brauchwasserbedarf von vier bis fünf Personen ein ganzes Jahr zu decken (vgl. Tab. 3).
Wassernutzung |
Menge Pro Jahr pro Person in L |
mögliche Wasserspeicherung bei einem Einfamilienhaus |
Deckt ab für X Personen/Jahr |
Haushalte |
Toilettenspülung, Reinigung, Auto, Garten |
15056,25 |
82500 |
5,479452055 |
1,36986301 |
Toilettenspülung, Reinigung, Auto, Garten, Wäschewaschen |
20531,25 |
82500 |
4,01826484 |
1,00456621 |
Tab. 3: Wassereinsparungs-möglichkeiten
Somit könnte gut die Hälfte der Bewohner*innen am Riedberg eine entsprechende Menge Trinkwasser und die dafür anfallenden Bereitstellungskosten sparen. Hierfür werden jedoch entsprechende Speicherungsmöglichkeiten benötigt und der Jahresniederschlag darf nicht wesentlich geringer sein als die angenommenen 660 l/m2. Somit könnten im gesamten Stadtbezirk Riedberg 45.292.500 l (= 45.292,5 m3) Trinkwasser gespart werden. Wenn das Sparpotential auf die gesamten Einwohner umgerechnet wird, können ~ 2206 Einwohner mit Wasser für Toilettenspülung, Reinigung, Auto, Garten und Wäschewaschen versorgt werden. Dies entspricht etwa 15 % der Einwohner*innen am Riedberg. Ohne die Nutzung des Wäsche-Waschens können ~ 21 % der Einwohner*innen mit Niederschlagswasser versorgt werden.
Diskussion und Ausblick
Es besteht ein großes Potential zur Brauchwassernutzung am Riedberg. Wie die Umfrage jedoch zeigt, wird dieses nicht voll ausgenutzt, da 100 % der Befragten das Niederschlagswasser nur zur Bewässerung benutzen und nicht im Haushalt das wichtige Trinkwasser dadurch einsparen. Auch die Umstellung auf Wasserspeicherung anstatt Rückhalt durch Dachbegrünung wäre nicht zielführend, da die Dachbegrünung, mit Blick auf die Nachhaltigkeit, eine wichtige Rolle spielt und auch mit Blick auf die weitere Zukunft an Bedeutung für das Lokalklima gewinnt. Der Wille für den Ausbau der Wasserauffanganlagen ist da, jedoch noch nicht in die Tat umgesetzt.
Literatur
Kaufmann, C. und M. Peterek (Hrsg.) (2018): Der Frankfurter Riedberg. Stadtentwicklung für das 21. Jahrhundert. Berlin: Jovis Verlag.
IPCC (Intergovernmental Panel On Climate Change) (Hrsg.) (2019): Klimawandel und Landsysteme. IPCC-Sonderbericht über Klimawandel, Desertifikation, Landdegradierung, nachhaltiges Landmanagement, Ernährungssicherheit und Treibhausgasflüsse in terrestrischen Ökosystemen (Stand: 2019) (Zugriff: 22.01.2021).
Stadtplanungsamt Frankfurt am Main (2007-2014): Bebauungspläne Bgr-B803 Ä1-Ä6.
Geoportal Frankfurt: <https://geoportal.frankfurt.de/karte/>
Autor*innen
Hannah Fischer
Erik Heller
Marie Müller
Kontakte
s7982100@stud.uni-frankfurt.de
s7830801@stud.uni-frankfurt.de
s9212428@stud.uni-frankfurt.de