von Gabi Schlag
New York: leicht bewölkt, Temperatur bis 33° C, die Regenwahrscheinlichkeit liegt bei 65 Prozent. Im UN-Hauptgebäude am East River tagt heute der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu einem eher ungewöhnlichen Thema: Klimawandel. Erst zum zweiten Mal seit 2007 steht dieses Thema auf der Tagesordnung [Quelle] des Sicherheitsrates, dessen Vorsitz zur Zeit Deutschland inne hat.
Die Rede vom Wandel des Klimas im globalem Ausmaß hat in den letzten 10 Jahren stetig zugenommen. Ob sich solch ein grundlegender Wandel überhaupt beobachten lässt und inwiefern dieser nicht vollkommen natürlich ist: Diese Debatte ist einer Diskussion über die sozialen Ursachen, politischen Konsequenzen und Strategien dieses Wandels gewichen. Umwelthistoriker Dr. Patrick Masius [Homepage] unterteilte in einem Vortrag an der Universität Frankfurt am vergangenen Montag den Nexus zwischen Gefahr und Natur in vier Phasen: gefährliche Natur (1800-1930), menschliche Anpassung (1930-1970), gefährliche Zivilisation (1970-2000) und neue Dimensionen (seit 2000). Das Verhältnis von Mensch/Natur scheint sich dabei im Laufe der Zeit umgekehrt zu haben: Während um 1900 die Natur als Gefahr wahrgenommen wurde, die durch Eingriffe des Menschen sicher(er) gemacht werden müsse - Beispiel Rheinbegradigung zur Vermeidung von Hochwasser -, wandelt sich dieses Bild mit dem Ökologiediskurs der 1970er Jahre: Nicht die Natur gefährdet den Menschen, sondern der Mensch bedroht die Natur und muss demnach sein Verhalten korrigieren, nicht den Lauf der Flüsse Ulrich Becks reflexive Moderne und sein Begriff der Risikogesellschaft verweisen auf einen neuen Diskurs, in dem vermeintliche Zivilisationsfortschritte wie Modernisierung und Industrialisierung nun gleichsam als eine Gefährdung unserer Umwelt anerkannt werden, die neue, kaum bearbeitbare Risiken verursachen.
Mit der globalen Aufmerksamkeit für den Klimawandel - siehe die Debatte im UN-Sicherheitsrat und die kommende 17. (!) UN-Klimakonferenz in Durban/Südafrika - scheint dieser Diskurs über eine gefährliche Zivilisation seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Kaum thematisiert wurde in diesem Zusammenhang jedoch bisher die als unproblematisch angesehene Trennung zwischen Natur einerseits und Kultur andererseits. Was wäre, wenn dieser Topos der Philosophiegeschichte, der sich praktisch auch in der universitären Trennung von Natur- und Kulturwissenschaften niederschlägt, einer erneuten Begründung bedürfte? Oder brauchen wir, wie Bruno Latour [Homepage] in seinem Buch "Wir sind nie Modern gewesen" fordert, gar eine symmetrische Anthropologie, die Natur und Gesellschaft als Teil des Problems (anstatt der Lösung) thematisieren könne?
Das Verhältnis zwischen einer un-/sicheren Kultur und einer un-/sicheren Natur wird in einem gewissen Sinne immer umstritten sein; offensichtlich scheint jedoch, dass die politischen Implikationen - gewaltsame Konflikte um knappe Wasserressourcen, Desertifikation, Lebensmittelknappheit - nicht mehr nur als ein Problem des "armen Südens" gesehen werden. Bisher treffen die Auswirkungen des Klimawandels arme Menschen weitaus härter als die reichen Industriestaaten, die jedoch als Hauptverursacher des Klimawandels gelten. Bei der heutigen Sitzung des UN-Sicherheitsrates wird es demnach auch um Fragen der Gerechtigkeit, Verantwortung und Partizipation gehen. Bleibt zu hoffen, dass dieses Treffen nachhaltiger ist als die bisherigen "Wohlfühldebatten" in westlichen Industriestaaten.
Die Ergebnisse des Treffens lassen sich hier nachlesen.