Katastrophen kennt allein der Mensch

... sofern er sie überlebt. Die Natur kennt keine Katastrophen. (Max Frisch)

Von Gabi Schlag

Mit diesem Verhältnis von Natur und Kultur im Kontext von Katastrophenerfahrungen hat sich eine Internationale Konferenz vom 1.-3. März 2012 an der Universität Heidelberg beschäftigt. Unter dem Titel "Imaging Disaster" haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus den Geschichts- und Kulturwissenschaften, der Kunstgeschichte, Japanologie, Soziologie und Politikwissenschaft über die Bedeutung von Katastrophenbildern diskutiert: über die Darstellung von Katastrophen in der europäischen Kirchenkunst und in der zeitgenössischen Kunst in Bangladesch, buddhistische Tempelbilder in Thailand, die Malerei des 18. Jahrhunderts in Europa, aber auch über Postkartenansichten des überfluteten Paris 1910 oder des Erdbebens in Japan 1923, Visualisierung von Szenarien des Klimawandels, politischen Cartoons und Medienberichte über Naturkatastrophen im 21. Jahrhundert.

Die historischen, geographischen und kulturellen  Gemeinsamkeiten und Unterschiede in der Visualisierung von Katastrophen mögen auf den ersten Blick ein überraschendes und eher ungewöhnliches Thema für die Disziplin der Internationalen Beziehungen sein. Auf den zweiten Blick werden jedoch eine ganze Reihe an spannenden Themen sichtbar:
Katastrophen sind immer auch Momente radikaler Kontingenz, die bestehende politische, soziale, wirtschaftliche und normative Ordnungen (zer-)stören. Diese Erfahrung von Ungewissheit und Unsicherheit folgt jedoch – und ausgesprochen schnell – der Wunsch nach einer Erklärung der Ereignisse und einer Wiederherstellung von Ordnung.

Ein Beispiel: Das Kanto-Erdbeben 1923, das große Teile der japanischen Hauptstadt Kyoto und der umliegenden Provinz zerstörte, wurde in politischen Cartoons als eine symbolische Bestrafung der verwestlichten japanischen Gesellschaft für ihr lasterhaftes Leben interpretiert. Mit dem Wiederaufbau der Stadtteile wurde gleichsam ein Modernisierungsprojekt ins Leben gerufen: mehr Sicherheit durch Erhöhung der Resilienz und Vorsorge. Die Neuordnung von Straßenzügen und Häuserblocks war dennoch nicht unumstritten. Hausbesitzer mussten, falls dies nötig war, 10% ihres Grund und Bodens abtreten, um Straßen und Zufahrtswege zu bauen - ohne eine Entschädigung zu erhalten.

 

Katastrophenbilder sind in unserer globalisierten Medienkultur omnipräsent und prägen unser Wissen über die Ursachen und Folgen von Naturkatastrophen. Dass der Mensch nicht nur Opfer solcher Katastrohen ist, sondern diese auch verursacht, zeigt der Fall Fukushima. Am 11. März jährt sich die Nuklearkatastrophe, die nicht nur die japanische Gesellschaft verunsichert hat.

An welche Bilder wir uns erinnern werden, bestimmt womöglich auch, wie wir mit zukünftigen Katastrophen lernen umzugehen.

 

Bildnachweis:

  • Die große Welle vor Kanagawa, von Katsushika Hokusai, Farbholzschnitt, um 1830, wikisource
  • Desolation of Nihonbashi and Kanda seen from the Roof of Dai-ichi Sogo Building, Kyobashi, Osaka Mainichi newspaper, 15. September 1923, wikisource
  • Atomkraft? Nein Danke (japanisch), Buttom, 2011, buttonorder.de

1 Kommentar

  1. faz.net berichtet ausführlich über die Katastrophe in Japan, ein Jahr danach:

    http://www.faz.net/aktuell/gesellschaft/ungluecke-und-katastrophen/japan-ein-jahr-nach-der-katastrophe/

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