von Gabi Schlag
Sicherheitskultur ist immer auch Medienkultur, deren Aufmerksamkeit für gewaltsame Konflikte oftmals Konjunkturzyklen folgt. Je grausamer die Bilder und je prominenter die Kritiker, desto eher berichten Zeitungen und Fernsehsender über Bürgerkriege in Afrika, Aufstände in der arabischen Welt oder Katastrophen in Asien. Das Nachrichtenmonopol der klassischen Medien Print und TV ist jedoch seit geraumer Zeit im Wanken.
Youtube, Facebook und Twitter haben sich zu Produzenten und Lieferanten von weltweit abrufbaren News entwickelt: allein das Video KONY 2012 - eine Kampagne von Invisible Children gegen den Kriegsverbrecher und Anführer der Lord's Resistance Army in Uganda Joseph Kony - wurde auf Youtube 88.263.136 mal aufgerufen.
George Clooney, der sich schon seit langem aktiv für den Sudan einsetzt, wurde kürzlich als Experte im US-Kongress angehört. Sein neues Video lenkt den Blick nun auf die gewaltsamen Auseinandersetzungen im Nuba Gebirge. In einem Kommentar für das TIME Magazine Mitte April wagte er sogar eine realpolitische Analyse des Sudan-Konfliktes: es läge im Interesse der USA und China, die Konfliktparteien wieder an den Verhandlungstisch zu bekommen, um einem steigenden Ölpreis entgegen zu wirken. Selten unternehmen Prominente jedoch den Versuch, den Ursachen von Gewalt und Konflikten auf den Grund zu gehen - vielleicht auch, weil sie dann feststellen müssten, dass ihre eigenen Regierungen und ihr Wohlstand in einer globalisierten Welt oftmals von den menschenverachtenden Verhältnissen in anderen Ländern profitieren. Um das schlechte Gewissen zu beruhigen, engagiert man sich für Kinder in Afrika - The White Savior Industrial Complex - so die Kritik des Schriftstellers Teju Cole.
Auch die internationale Politik hat die Macht von Videokampagnen im Internet entdeckt. Die Ehefrauen des deutschen und britischen UN-Botschafters haben sich zusammengetan und einen Brief an Asma al-Assad verfasst. Darin fordern sie die Gattin des syrischen Machthabers Bashar al-Assad auf, ihren Mann "zu stoppen". Die Online-Petition wurde bereits von über 30.000 Menschen unterzeichnet.
All diese Kampagnen nutzen eine drastische Sprache in Worten und Bildern - ihre suggestive Kraft ist groß, aber vielleicht auch ihre Schwäche. Denn zu verstehen, warum die Dinge so sind, wie sie sind, ist ein wichtiger Schritt, um sie zu langfristig zu verändern. Gewaltsame Konflikte weisen oftmals eine komplexes Gemisch aus Ursachen-und-Wirkungen auf, unterscheiden sich in ihren lokalen, politischen und kulturellen Begebenheiten. Konflikt- und Gewaltkulturen können dabei so tief in eine Gesellschaft eingeschrieben sein, dass der interessierten Beobachterin die Antwort auf die Frage "Was können wir tun?" schwerfällt. Die Videokampagnen auf Youtube und das Engagement von Prominenten wie Clooney schaffen globale Aufmerksamkeit und erhöhen den Druck auf Regierungen, an Lösungen zu arbeiten. Aber manchmal werden wir uns wohl damit begnügen müssen, Schlimmeres zu verhindern. Stand up for Peace ist nur der Anfang.
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