Popkulturexport als Soft Power Strategie
von Martin Schmetz
Wer in Deutschland an Korea denkt, dem fällt wahrscheinlich Samsung ein, Hyundai oder Kia. Danach aber wird die Luft dünn. Fragt man in Asien, fallen die Antworten anders aus: Girls Generation, TVXQ, Wonder Girls, Kara, Big Bang, Super Junior und 2NE1. Winter Sonata, Endless Love, Secret Garden, Boys Over Flowers oder Daejanggeum. Korea exportiert in Asien extrem erfolgreich Popkultur und fördert dies gezielt als strategische Ressource.
Südkorea führte in Ostasien lange ein Schattendasein. Eingezwängt zwischen China und Japan und in den Medien oftmals übertönt von schlechten Nachrichten aus dem Norden wurde der Staat bestenfalls peripher wahrgenommen. Mit dem wirtschaftlichen Aufstieg Südkoreas wurde aber auch das Verlangen nach internationaler Wahrnehmung größer. Im Gegensatz zu Deutschland mit seinen Goethe-Instituten oder China mit seinen Konfuzius-Instituten wurde dieses Thema anders angegangen: Mit dem Export von Popkultur in Form von Musik und Fernsehserien. Auf diese Weise sollte nicht nur das nationale Prestige gestärkt und Korea als Kulturexporteur wahrgenommen werden, man konnte damit auch gleich noch Geld verdienen (vgl. hier). Parallel zur wirtschaftlichen Komponente wurden Austauschprogramme aufgelegt, um Studenten aus anderen asiatischen Ländern nach Korea zu locken, ihnen vor Ort die Sprache beizubringen und sie so an das Land zu binden.
Koreanische Popkultur (auch bekannt als Hallyu) begann ihren Siegeszug Ende der 90er Jahre in China, Anfang der 2000er Jahre nahm Hallyu dann deutlich an Fahrt auf. Waren es zunächst vor allem koreanische Dramas (Fernsehserien) wie Winter Sonata oder Boys Over Flowers, die im asiatischen Ausland große Erfolge feierten ist dies inzwischen zunehmend auch koreanische Popmusik: K-Pop.
Interessant ist dabei, dass dieser Erfolg gezielt von staatlicher Seite gesteuert wird. Um das Ansehen Koreas im Ausland zu steigern und koreanische Kultur zu exportieren wurden erfolgreiche Entertainment-Unternehmen mit Tourismusunternehmen verschmolzen, an Botschaften und in Universitätsbibliotheken werden CDs und Leaflets auf Regierunskosten ausgelegt und Organisationen, die koreanische Kultur exportieren werden direkt von der koreanischen Regierung mit Millionen unterstützt. Das Vorhaben ist zumindest momentan höchst erfolgreich. Um den nachhaltigen Erfolg zu gewährleisten gibt das koreanische Tourismusministerium Studien in Auftrag um mögliche Schwächen aufzudecken.
Weiterhin fördert das Koreanische Ministerium für Kultur und Tourismus gezielt Musikfestivals mit koreanischen Künstlern im Ausland , ernennt bekannte Künstler zu kulturellen Botschaftern oder fördert Werbemaßnahmen wie Tanzwettbewerbe zu populären K-Pop-Liedern in anderen Ländern um die Gewinner dann nach Korea zu fliegen. Eine der größten Attraktionen auf der aktuellen Expo in Yeosu sind die regelmäßigen Auftritte bekannter K-Pop-Stars. Der Erfolg koreanischer Künstler im Ausland wird aber in Korea nicht nur mit Genugtuung beobachtet – weil die Künstler in Korea als Repräsentanten Koreas wahrgenommen werden, lastet auch erheblicher Druck auf ihnen und Fehlverhalten wird nicht toleriert. Fördert Korea die Künstler und feiert ihre Auslandserfolge sogar als Topmeldungen in den Abendnachrichten, so müssen diese auf der anderen Seite auch Korea positiv darstellen – für deutsche Verhältnisse eine einigermaßen seltsame Vorstellung: Es dürfte einige kritische Stimmen in Deutschland geben, wenn man versuchen würde Deutschland im Ausland primär über Scooter, Rammstein oder Tokyo Hotel zu repräsentieren.
Der Erfolg von Hallyu bekommt neben der wirtschaftlichen Komponente und dem Aspekt des Kulturexports aber auch eine sicherheitspolitische: Im Ausland regt sich inzwischen Widerstand gegen Hallyu. In China wird regelmäßig über Quoten für koreanische Künstler und Soaps nachgedacht. In Japan gab es Proteste mit Tausenden Teilnehmern gegen den wachsenden Erfolg koreanischer Künstler und im Falle der Schauspielerin Kim Tae-Hee gab es sogar Todesdrohungen von Seiten japanischer Nationalisten gegen sie, da sie sich vorher öffentlich zur Dokdo/Takeshima-Krise geäußert hatte. In Nordkorea sind Südkoreanische Soaps inzwischen so beliebt und bekannt, dass sie als ernsthafte Gefahr für den Staat angesehen werden. Der Schmuggel von DVDs mit Soaps steht inzwischen unter Todesstrafe.
Durch Popmusik und Soaps zur Soft Power? Es wäre wohl noch zu früh, dies im Falle Südkoreas zu bejahen. Aber es scheint eine gangbare Strategie zu sein, denn Korea ist durch Hallyu in der Region nicht nur bekannter geworden, das Image Koreas in der Region ist Dank Hallyu ist auch überwiegend positiv besetzt. Mit dem Ansehen Koreas steigt die Deutungshoheit nicht nur bei kulturellen, sondern auch bei politischen Themen. Drittstaaten könnten so beispielsweise später bei Territorialkonflikten wie etwa dem Dokdo/Takeshima-Fall eher auf Seiten Koreas stehen, da die allgemeinen Sympathien in der Bevölkerung auf der Seite Koreas liegen. Koreanische Unternehmen profitieren im Wettbewerb in diesen Staaten vom Imagegewinn ihrer Heimat und Studenten lernen Koreanisch anstatt anderer ostasiatischer Sprachen.
Hinzu kommt, dass damit ein inzwischen signifikanter Wirtschaftszweig entstanden ist. Korea kann, in der Öffentlichkeit scheinbar größtenteils unkritisch betrachtet, Werte exportieren und sich gesellschaftlich positionieren. Wie die propagierten Werte aussehen und ob diese tatsächlich willkommen sind, wird noch nicht umfassend diskutiert, es wird nur konsumiert. Und so umfasst eine neue Sicherheitskultur in Asien anscheinend nun auch Seifenopern und Girl Groups, bemisst sich sicherheitspolitischer Erfolg auch in Chartplatzierungen und Einschaltquoten.
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