von Gabi Schlag
Trotz aller Kritik - auch in diesem Blog - an einer oftmals defizitären und handlungsunfähigen gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik der EU wird derzeit in Brüssel über eine EU Mission in das Bürgerkriegsland Mali diskutiert. Die deutsche Bundesregierung will sich an diesem Einsatz beteiligen, wie Verteidigungsminister Thomas de Maizirère diese Woche mitteilte. Auslandseinsätze der EU gehören schon seit geraumer Zeit zum Handlungsrepertoir der Staats- und Regierungschefs und bilden zusammen mit der Europäischen Sicherheitsstrategie den Nukleus einer EUropäischen Sicherheitskultur.Während die gemeinsame Außenpolitik seit den 1970er Jahren im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit (EPZ) vorrangig als eine intergouvernementale Koordination stattfand, entwickelte sich die Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik (GASP) seit dem Maastrichter Vertrag (1992) zu einer neuen Form der sicherheitspolitischen Integration Europas. Insbesondere die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik (ESVP; heute: GSVP) wirft dabei zunehmend demokratietheoretische Probleme auf, deren Lösung die Möglichkeiten einer effektiven und legitimen Europäischen Außenpolitik entscheidend mitbestimmen wird.
Auf Grund der erhöhten Gefahrenlage sollte die Entscheidung, Soldaten zur Friedenssicherung zu entsenden, besonders gewissenhaft getroffen werden. Die Stärkung demokratischer Verfahren im Rahmen der ESVP steht dabei vor einem besonderen strukturellen Problem: da die Geheimhaltung von sensiblen Informationen als Voraussetzung für die Gewährleistung von Sicherheit gilt, werden meistens so wenig Akteure und Institutionen wie möglich in den Beratungs- und Entscheidungsprozesse über Auslandseinsätze eingebunden. Faktisch führt dies zu einem Übergewicht exekutiver Instanzen, so dass institutionelle checks-and-balance Verfahren außer Kraft gesetzt werden. Umso dringlicher stellt sich deshalb die Frage, wie eine demokratische Kontrolle der ESVP gestärkt werden kann, um eine legitimere, effizientere und leistungsfähigere Europäische Außenpolitik zu ermöglichen.
Betrachtet man Legitimität als Ergebnis eines bestimmten Verfahrens, dass sich durch die Prinzipien von Freiheit, Rationalität, Gleichheit und Öffentlichkeit auszeichnet, steht die EU zur Zeit vor der Herausforderung, neue Mechanismen demokratischer Kontrolle für die ESVP zu entwerfen. Wenn Sicherheitskultur demokratisch sein soll, muss sowohl die ex-ante als auch ex-post Kontrolle der Parlamente formell und informell gestärkt werden.
Dieses Zusammenspiel von nationalstaatlicher und EU-europäischer Ebene im Bereich der ESVP verursacht jedoch ein besonderes Effizienzproblem, das exemplarisch am Beispiel Deutschlands aufgezeigt werden kann. Während die parlamentarische Kontrolle der ESVP sich durch eine stärkere Vernetzung nationaler Parlamente mit dem Europäischen Parlament problemlos stärken ließe, könnten effiziente Entscheidungen sowohl am deutschen Parlamentsvorbehalt (für den Einsatz der Bundeswehr im Rahmen militärischer ESVP-Missionen) als auch an den deutschen Ländern (für den Einsatz von Polizeikräften im Rahmen ziviler ESVP-Missionen) scheitern. Schlussendlich wäre die ESVP somit zwar demokratisch kontrolliert, nicht aber leistungsfähiger geworden.
Aus diesem Dilemma – Legitimität oder Effizienz – muss die EU einen Ausweg finden, wenn Europa mehr sein soll als ein interessensbasierter Wirtschaftsraum. Die Vertragsreform von Lissabon hat einen kleinen Schritt getan: die nationalen Parlamente sollen früher und umfassender über EU-Entscheidungsverfahren informiert und ggf. beteiligt (vgl. Art. 8c neu) und das Europäischen Parlament soll regelmäßig über die Arbeit des Europäischen Rats informiert werden (vgl. Art. 9b neu).
Solche formal-rechtlichen Absicherungen richten den Blick jedoch nur auf eine Seite der Medaille. Die politischen Rechtfertigungen für und gegen EU-Missionen spiegeln die symbolische Dimension einer Sicherheitskultur im Wandel wieder: Was mag es wohl für die EU bedeuten, wenn ein deutscher Verteidigungsminister einen gemeinsamen Einsatz folgendermaßen begründet: "Wenn die EU eine solche Mission macht, müssen schon ein paar Staaten dabei sein. Sonst macht das keinen Sinn. Wir können nicht eine EU-Mission machen und dann sagen, das soll jetzt mal Finnland übernehmen."