Von Valentin Rauer
In einem der letzten Blogposts hat Martin Haase „humanitäre Interventionen“ als Neusprech bezeichnet, da sie eigentlich „Krieg“ meinen. Dem wird in der Regel entgegen gehalten, dass diese Subdifferenzierung sich nicht auf die Praxis des Krieges, des „Bombenwerfens, Tötens und Besetzens“ bezieht, sondern auf die Kriegsmotivation. Es handelt sich nicht um einen Angriffkrieg um Ölfelder zu erobern, sondern um einen Krieg um Genoziden Einhalt zu gebieten. Die Bezeichnung „humanitäre Interventionen“ hat nur den Anspruch eine Motivlage zu benennen, nicht die Praxis des Kriegführens selbst.
Tom Koenigs reagierte in einem Twitter-Kommentar:
Gleichwohl erzeugt dieses begriffliche Auslassen des „Krieges“ möglicherweise ein Problem. Dieses Problem erweist sich jedoch nicht nur als ein Dilemma der Neusprech, sondern auch als eines der Neutech wie sich an der öffentlichen Wahrnehmung von Drohnenkriegen zeigt.
Im aktuellen „Drohnenkrieges gegen den Terror“ wird die Praxis zwar als Krieg benannt, dies scheint jedoch auch nicht zu garantieren, dass die Öffentlichkeit einen Krieg auch „als Krieg“ wahrnimmt, auch wenn tagtäglich Menschen sterben. Wie das Projekt http://livingunderdrones.org argumentiert, stelle der Drohneneinsatz die westlichen Öffentlichkeiten vor völlig ungekannte neue Probleme. Die Informationslage in Drohnenkriegen oder, aufgrund der aktuellen noch asymmetrischen Kriegsführung, der von Drohnen heimgesuchten Gebiete, tendiert gegen Null. Die Effekte der Drohnen sind geheimdienstlich verifiziert, wie auch der Einsatz geheimdienstlich entschieden wird. Die Balance zwischen Geheimnis und Öffentlichkeit ist extrem zugunsten des „Geheimnisses“ verschoben. Die eigene Öffentlichkeit als Ressource des Protestes und als Korrektiv von Kriegen wird technisch genauso auf Distanz gehalten wie der Kriegsgegner.
Dass der Begriff „Drohnenkrieg“ geeignet sein wird, diese Balance wieder herzustellen, erscheint immer fragwürdiger. Vielleicht ist der Kriegsbegriff in Zukunft angesichts der technologisch zunehmend differenzierten Autonomie der Technologien zu unterkomplex? Wie wird das bezeichnet, wenn bald zum ersten Mal zwei „Unterwasser-Drohnenverbände“ gegeneinander interagieren? „Kampf?“ Sind die Unterwasserdrohnen im „Gefecht“, wenn diese sich beim Angriff auf die Internet-Seekabel gegenseitig mit Eisenpuder bestäuben, um die Elektronik des gegnerischen Drohnenverbandes „unschädlich“ zu machen? Wie werden die Öffentlichkeiten dieses Ereignis taufen, wenn keine Menschen am unmittelbaren, sondern nur am mittelbaren Geschehen beteiligt sind, ist dass dann eine „humanoide Intervention“?
Offenbar bleibt dann doch nur eine begriffliche Differenzierung qua Motivation. Irgendjemand bedient schließlich den Laptop oder lädt die Batterien, und hatte dabei ein Motiv – die Praxis der Kriege wird immer diffuser und ihre Begrifflichkeit stolpert hinterher.