von Valentin Rauer
Human Rights Watch hat eine von den Medien zitierte Kampagne gegen "Killerroboter" gestartet. Gefordert wird ein weltweites Verbot von vollständig autonomen Waffensystemen. Nach Expertenschätzung, so der Bericht, werden solche vollautonomen Waffensysteme in spätestens 20 bis 30 Jahren Realität sein. Zwar wird behauptet, dass stets noch ein Mensch an der remote control sitzen werde, so der Report, doch dies sei keineswegs gesichert. Auch in der zivilen Nutzung von Drohnensystemen zu Überwachung von Pipelines, Bahnstrecken etc. ringen die Hersteller inzwischen um die Frage, inwieweit die autonomen Roboter tatsächlich von der Leine gelassen werden dürfen. Diese Entwicklung sollte nicht nur zivilgesellschaftliche Akteure beschäftigen, sondern auch die Sozialwissenschaften selbst. Liebgewonnene Unterscheidungen wie Konstruktivismus/Realismus können bald der Vergangenheit angehören.
Die Effizienz semiautonom handelnder Roboter steigt mit ihrer Autonomie, und damit steigen die gesellschaftlichen Gefahren. Insbesondere ist laut Kritiker nicht klar, wer denn zur Verantwortung gezogen wird, wenn ein autonomer Kampfroboter "handelt". So heißt es in der Meldung bei Human Rights Watch:
Wir haben hier im Blog schon öfter darauf hingewiesen, dass die Sozialwissenschaften auf dem technischen Auge zu lange blind waren (Kategorie "Drohnen"). Verantwortung können stets nur menschliche Akteure übernehmen, nicht der Gegenstand, den sie im Handlungsvollzug verwendeten. Damit war für die Sozialwissenschaften das Problem erledigt. Nun sind wir damit konfrontiert, dass die Anteile des menschlichen Akteurs an der Handlung immer geringer werden bei gleichzeitig vergrößertem Anteil der autonom entscheidenden Technologie. Es ist zu begrüßen, dass aktuell die öffentliche und zivilgesellschaftliche Debatte zu diesen neuen Gefahren zu beginnen scheint. Bisher hören wir die Stimmen der "Human Rights Watch", die Position des Kontrahenten in dieser Debatte ist bisher unbesetzt. Die autonomen Waffensysteme handeln, aber sie sprechen nicht zu uns. Ihre Effizienz ist in ihrer öffentlichen Unsichtbarkeit begündet. Über den Einsatz amerikanischer Kampfdrohnen entscheidet der Geheimdienst und der Präsident.
Vielleicht würde es der öffentlichen Sichtbarkeit und der zivilgesellschaftlichen Debatte zuträglich sein, wenn die autonomen Roboter nicht nur mit Waffen und Handlungsalgorithmen ausgestattet werden, sondern auch mit einem Algorithmus für public communication? Sie könnten sich 'autonom' zu einer zivilgesellschaftlichen ‚Non-Human Rights Watch’ zusammenschließen, ihre Rechte vertreten und ihre Pflichten artikulieren. Sie wären gezwungen, sich öffentliche zu äußern, statt stets so zu tun, als seien sie bloße unschuldige Handlanger der menschlichen Akteure.
Der Soziologe Bruno Latour hat einst ein "Parlament der Dinge" vorgeschlagen, eine Idee, die unter Soziologen als eine der unverständlichsten Ideen überhaupt gilt. Sie räumt vor allem mit der Trennung von Konstruktivisten und Realisten auf. Der britische Soziologe John Law hat Latours Ansatz dementsprechend kommentiert:
Angesichts der zukünftig zu erwartenden Debatte um vollautonome Roboter erscheint es noch notwendiger als bisher, alte lieb gewonnene Dichotomien der Sozialwissenschaften – wie die zwischen Realismus und Konstruktivismus – neu zu überdenken.