von Stefan Engert
„Nun sag‘, wie hast du’s mit den Drohnen, lieber Thomas? Du bist ein herzlich guter Mann, allein ich glaub, du hältst sehr viel davon“. Sie sehen, Goethes Faust bleibt immer noch aktuell. Gerade jetzt, wo die „Gretchenfrage“ so schrittweise von der Regierung beantwortet wird: Man sei in einem „Planungsprozess“, so die Stimmen aus dem Verteidigungsministerium auf die Kleine Nachfrage im Bundestag, was den bundesdeutschen Einsatz von militärischen Drohnen beträfe. Bisher darf die Bundeswehr Drohnen ja nur zur Aufklärung einsetzen (Typ „Heron 1“ aus Israel), aber jetzt denkt sie auch über so etwas wie ‚bewaffnete Aufklärung‘ nach. Das favorisierte Modell für diese neue Art Einsätze hat den vielsagenden Namen „Predator“ (Raubtier oder Jäger). Na, da kommen wir der unangenehmen Wahrheit doch schon etwas näher. Drohnen seien „eine Fähigkeitserweiterung“, die die Soldaten bei Auslandseinsätzen schützen soll, so die Befürworter. Die Hemmschwelle zur Gewaltanwendung wird drastisch sinken; Drohnen seien daher ethisch – völkerrechtlich sowieso – höchst bedenklich. Diesem Disput will sich der heutige blog einmal widmen: Was ist denn so schlimm an Drohnen?
Nun ja, wenn Drohnen nicht als Aufklärungsflugobjekt eingesetzt werden, dann als ferngesteuerte, nicht-bemannte Marschflugkörper, die gezielt eine bestimmte Zielperson (oder mehrere) „eliminieren“ sollen. Das amerikanische Militär hat diesen sehr speziellen Verwendungszweck von Drohnen in der Terrorbekämpfung in Afghanistan berühmt und berüchtigt gemacht. Targeted killing nennt man das und die USA sagen, es sei legitim, da die Zielperson ja auch ein böser Mensch (z. B. ein Terrorist) sei, der/die schon andere Menschen ermordet hat. „Staatlicher Auftragsmord“ – das ist die unmittelbare Assoziation, die dem aufmerksamen, deutschen Zeitungsleser sofort in den Kopf kommt, wenn man über Killer-Drohnen liest. Die Amerikaner? Ja. Wir Deutsche? Keinesfalls! Das geht allein schon – sie ahnen es – geschichtlich nicht. Der Wehrbeauftragte des Bundestages Hellmut Königshaus beeilte sich daher auch schnell zu verkünden „Es geht ausdrücklich nicht darum, gezielte Tötungen zu ermöglichen: Das ist nicht beabsichtigt.“ Ein solcher Einsatz würde „allen Einsatzregeln und Vorgaben widersprechen, die bei der Bundeswehr in Afghanistan und in anderen Auslandseinsätzen gelten" (zitiert in der Zeitung „Die Welt“). Natürlich nicht – nicht in gegenwärtigen oder laufenden Einsätzen: Bundeswehreinsätze sind immer an ein Mandat des Bundestags gebunden und das ist wiederum grundgesetzlich (Artikel 24 GG) von einem ordentlichen UN- (oder auch NATO-) Mandat abhängig. Aber bei zukünftigen Einsätzen (das Jahr 2016 ist im Gespräch)? Vielleicht! Das hängt dann eben von der jeweiligen Bundestagsmehrheit ab. Die Regierung ist momentan dafür, die Opposition – auch die Kirchen– sind dagegen.
Die deutsche Sicherheitskultur hat historisch bedingt ein zurückhaltendes Verhältnis zur Gewalt und das ist auch gut so: Gerade wegen der deutschen Vergangenheit ist es legitim, Sinn und Zweck von Auslandseinsätzen, die mit Gewaltanwendung verbunden sind, doppelt, ja dreifach zu hinterfragen, v. a. wenn es um eine Waffe geht, die vielleicht gegen das Völkerrecht verstößt und es einem aufgrund ihrer Virtualität eventuell zu leicht macht, Gewalt anzuwenden. Verstößt sie eigentlich gegen das Völkerrecht? Naja, es gibt noch keine Anti-Drohnenkonvention wie z. B. gegen Landminen oder ein Verbot (wie bei C-Waffen/Giftgas). Exterritoriale Einsätze sind widerrechtlich, aber nicht, wenn die Regierung des Staates in dessen Hoheitsgebiet sie eingesetzt werden, ihre Zustimmung gegeben hat. Und man darf sie natürlich nur in Kriegszeiten einsetzten, sonst reden wir von Mord, was mich zur Frage bringt, ob der „Krieg gegen den Terror“ eigentlich schon beendet ist? Wohl nicht, so die auf die Spitze umgekehrte Logik, denn sonst würden die USA ja keine Drohnen einsetzen. Und wir Deutschen? Die Antwort ist einfacher als man denkt: Bewaffnete Kampfdrohneneinsätze der Bundeswehr werden kommen um die in Kriegsgebieten stationierten Soldaten besser verteidigen zu können: Sie seien „unbedingt erforderlich“, so Verteidigungsminister de Maizière. Die „Vorsprung durch Technik“-Antwort des Westens auf Heckenschützen oder Selbstmordattentate im Guerillakrieg – ein Vorteil, auf den der Westen kaum verzichten wollen wird.
Und sind sie jetzt ethisch bedenklich oder nicht? Nicht mehr als viele andere Waffen des Westens, die zurzeit im Einsatz sind. Das heißt, sie sind gleichermaßen so fair, unfair oder heimtückisch wie der Stealth-Bomber, der Panzer oder die damalige Erfindung des preußischen Zündnadelgewehrs. Das heißt aber nicht, dass die Frage ihres Einsatzes allein auf ihre (angebliche) Effektivität reduziert werden sollte. Ethisch entscheidend ist nicht bzw. nur selten die Technik, sondern die militärische Einsatzleitung, also der Mensch, der die Situation beurteilen muss und den Befehl zum Einsatz gibt. Darum muss zum einen das Mandat des Auslandseinsatzes klar (begrenzt) sein und zum anderen eine entsprechende Dienstanweisung oder ein „Code of Conduct“ ausformuliert werden, wie und wann bewaffnete Drohnen in der Bundeswehr zum Einsatz kommen (dürfen). Dabei gilt die Regel: Je verregelter oder klar umrissener, desto legaler wäre ihr Einsatz. Hier sollte m. E. die gesellschaftliche Debatte ansetzen, gerade weil manche Staaten sich bemühen werden, die Drohnen in der Grauzone des internationalen Rechts zu belassen. Da gilt die Regel: Je ungereglter, desto weniger illegitim. So jedenfalls sollte die ethische Grundposition der Bundesrepublik keinesfalls lauten.
Sg. Herr Engert,
zu behaupten, dass Drohnen genauso ethisch bedenklich sind wie andere Waffen ist m.E. eine interessante Ansicht. Warum gibt es dann Konventionen gegen manche Waffen.
In ein ähnliches Horn bläst die Ansicht, dass nicht die Waffen sondern die militärische Einsatzleitung entscheidend sind.
Das klingt danach, als wollten Sie das alte Lied von der Neutralität der Technik anstimmen. Ein Lied, das in der aktuellen Technikforschung schon längst ad acta gelegt ist.
Die Atombombe hat unsere Welt grundlegend verändert – ganz unabhängig von irgendwelchen militärischen Einsatzleitungen.
Mit Drohnen gibt es – bei angemessener Ausstattung mit Basen wie sie die USA haben – ganz neue Möglichkeiten globaler Interoperabilität, Überwachung und Bedrohung.
Und die Möglichkeit autonomer Drohnen stellt grundsätzliche Leitlinien der Genfer Konvention wie die Zurechenbarkeit von militärischen Schlägen und die Unterscheidungsmöglichkeit von Kämpfenden und ZivilistInnen in Frage.
Mit freundlichen Grüßen,
Jutta Weber, Universität Paderborn
Hallo Fr. Weber,
vielen Dank für Ihren Kommentar und die vorgebrachte Gegenposition.
Zu (1): Ich habe ein empirisches – kein normatives – Argument gemacht, was die ethische Neutralität oder Bedenklichkeit von Drohnen betrifft: Ja, natürlich gibt es Konventionen gegen manche Waffenarten. Warum? Weil sie ethisch höchst bedenklich sind (C-Waffen, Landmienen etc.). Aber es gibt eben (noch) keine gegen Drohnen. Von daher kann ich empirisch auch (noch) keine ethische Bedenklichkeit der Weltgemeinschaft feststellen; es ist ein inter-subjektives, kein objektives Argument, um was es mir hier geht. Dass Drohnen gegen ein Naturrecht verstoßen sollen (oder mehr als andere Waffen), sehe ich momentan noch nicht. Was ist an ihnen böse(r), unfair(er) oder unethisch(er als ein konventioneller Bombenangriff)? Dass es ein ungleiches Duell ist, weil wir kein Menschenleben direkt einsetzen müssen? Dann müssen wir auch auf einige andere Waffengattungen verzichten, die dem Westen zum Vorteil gereichen – aus fairness. Was die Anwendung der Atombombe betrifft, gibt es ebenfalls eine Konvention bzw. das NPT-Regime. Insofern ist hier die Frage der „Ethik“ klar verregelt. Die Kritik an der Technikneutralität ist also als solches berechtigt, entkräftet aber nicht mein Argument, da es kein normatives war.
Zu (2): Dass mit Drohen ganz neue Möglichkeiten und Problematiken auf uns zu kommen, bejahe ich unumschränkt. Hier teile ich absolut alle Legalitäts- und Legitimitätsargumente und -bedenken, die besagen, dass Drohnen bei der inneren Sicherheit aber auch gar nichts zu suchen haben (Stichwort: Überwachung).
Ihr Beispiel der autonomen Drohnen zeichnet m. E. allerdings ein falsches Bild, da es diese Art Drohnen noch nicht gibt, die selbst über Leben und Tod entscheiden. Das ist noch reine Zukunftsmusik und daher kein valides Argument; wohl aber ein richtiger und wichtiger Hinweis darauf (Stichwort: accountability), welche Diskussion da noch geführt werden muss, wenn sie denn kommen sollten. Daher auch der Grauzonenhinweis und die genaue Verregelungsnotwendigkeit. Die “Autonome Drohnen”-Frage aber geht an dem eigentlichen Kern der Debatte vorbei. Die Diskussion geht ja nicht darum, ob „wir“ bzw. die Bundeswehr autonome Drohnen wollen, sondern ob überhaupt „bewaffnete“.
Ich frage daher noch einmal etwas modifiziert nach, auch wenn die Reformulierung der Frage absichtlich etwas „herausfordernd“ und offen gewählt ist: Warum sind denn Drohnen schlimm/er?
Hallo Herr Engert,
zu den autonomen Drohnen:
“[i]n response to the Warfighter demand, the Department has continued to investigate aggressively in developing autonomous systems and technologies. That investment has seen unmanned systems turned from being primarily tele-operated, single-mission platforms to platforms into increasingly autonomous, multi-mission platforms. The fielding of increasingly sophisticated reconnaissance, targeting, and weapons delivery technology has not only allowed unmanned systems to participate in shortening ‘the sensor-to-shooter kill chain’, but it has also allowed them to complete the chain by delivering precision weapons on target”.Department of Defense(2009). Unmanned Systems Integrated Roadmap, 2009-2034. Quelle (14.10.2009): http://www.acq.osd.mil/uas/docs/UMSIntegratedRoadmap2009.pdf
Das war 2009. Ehrlich gesagt teile ich Ihre Einschätzung bzgl. autonomer Drohnen nicht. Ich gehe davon aus, dass es sie schon gibt oder in nicht allzu ferner Zeit geben wird. Damit sage ich nicht, dass sie ‘intelligent’ sind. Eher im Gegenteil. Aber auch tele-operierte Drohnen sind heute schon in vielen Hinsichten teilautomatisiert. Und warum sollte man die Kriterien für einen ‘signature strike’ nicht auch in eine autonome Drohne implementieren können?
Ihre letzte Frage habe ich schon beantwortet: Mit Drohnen können sie weltweite Überwachung perfektionieren, dynamische und flexible Reservoirs von Munition in der Luft stationieren, mit denen sie sehr schnell zuschlagen und damit Kriegsführung noch weiter beschleunigen und zudem durch die reine Präsenz die Zivilbevölkerung nachhaltig terrorisieren können (Beispiel Waziristan).
Soweit. Alles weitere gerne mal f2f.
Herzliche Grüße, Jutta Weber
Der heutige Beitrag von Spiegel Online…
http://www.spiegel.de/politik/ausland/drohnenangriffe-auf-terroristen-us-regierung-weicht-regeln-auf-a-881516.html
…zeigt sehr schön auf, dass die USA ihren “Code of Conduct”, was den Drohneneinsatz betrifft, erst einmal sehr großzügig auslegen, d. h. in einer rechtlich stark erweiterten Grauzone operieren – absichtlich.
“Bereits im vergangenen März hatte Justizminister Eric Holder die gezielte Tötung von mutmaßlichen Terroristen verteidigt. […] Voraussetzung sei,
– dass eine gründliche Überprüfung ergeben habe, dass der Betroffene “eine unmittelbare Gefahr eines Anschlags auf die USA” darstelle
– und zudem eine Gefangennahme nicht möglich sei.
– Außerdem müsse der Angriff in Übereinstimmung mit dem Kriegsrecht sein.”
Kleiner Tipp zur Diskussion: Einen weiteren Standpunkt mit anderer Perspektive steht ganz frisch im Bretterblog unter:
http://bretterblog.wordpress.com/2013/02/06/druckeberger-vom-dienst-das-bmvg-und-die-bagatellisierung-bewaffneter-drohnen/
Sg. Herr Engert, in der Schule haben wir das Thema Atomwaffen und die ethische Bedeutung. Ich habe mir ein paar Gedanken gemacht, aber komme nicht weiter. Warum gelten Atomwaffen ethisch als besonders bedenklich ?
In der Schule? Schön, dass Ihr da schon über so herausfordernde Themen diskutiert, also:
Wenn schon Krieg bzw. der Einsatz von Waffengewalt, dann sollte letztere unter anderem dazu geeignet sein, zwischen Kombattanten (Soldaten) und Nicht-Kombattanten (Zivilisten) in ihrer Zerstöungs- oder Tötungswirkung effektiv zu unterscheiden. Dies ist mit der unweigerlich verbundenen, massiven Tötung der Zivilbevölkerung bei Atomwaffen nicht mehr der Fall. Hier wird jeder – unterschiedslos – getötet.
Darüber hinaus soll der Einsatz einer Waffe immer dem Ziel der Beseitigung einer militärischen Funktionseinheit dienen. Bei Kernwaffen geht dieser Proportionalitätsaspekt ebenfalls verloren, indem gleich ganze Gebiete (und nicht nur militärischen Basen) für lange Zeit verstrahlt werden.
Habe ich damit die Frage ausreichend (und v. a. verständlich genug) beantwortet? BG; SE