von Philipp Offermann
Die neuen sozialen Medien demokratisieren die Berichterstattung. Über Ereignisse wird häufig erst bei Twitter, Google+ und Facebook berichtet, bevor es offizielle Informationen von öffentlichen Stellen oder den konventionellen Medien gibt. Doch das heißt auch: Jeder kann Inhalte anders darstellen, verändern und zu eigenen Zwecken nutzen. Und mehr denn je sind wir darauf angewiesen, dass auch solche direkt kommunizierten Inhalte in den richtigen Zusammenhang gestellt werden. Dafür haben wir die 'alten', etablierten Medien mit ihren Redaktionen.
Besonders deren Arbeit hat sich durch diese neuen Informationskanäle deutlich gewandelt, meistens sogar stark vereinfacht, so geht jedenfalls der gängige Narrativ. Per Tweet etwa bekommt eine Journalistin frei Haus sehr, sehr viele Informationen auf ihren Arbeitsplatz, die sie für relevant erachtet - sie muss nur die entsprechenden Kanäle abboniert haben. Twitter hat sich so zu einer wichtigen (der?) Quelle für journalistisch arbeitende Menschen gemausert: Die Informationen sind kurz (140 Zeichen) und verweisen auf die weiterführende Information, die dann bei Bedarf angeklickt werden kann. Sogar das filter bubble-Problem wird dabei zumindest abgemildert, da über Re-Tweets eine gewisse Dynamik eingebaut ist. Außerdem, und das ist in diesem Zusammenhang das Entscheidende, bedeutet das ja nicht die ausschließliche Quelle für journalistische Neugierde. Diese kann weiterhin sehr gut auf Pressekonferenzen, über Medienverteiler, in Hintergrundgesprächen befriedigt und dann völlig eigenständig in einen Beitrag der Wahl überführt werden.
So weit, so praktisch. Nur: Woher kommen eigentlich die ganzen Informationen? Richtig, die gleichen Menschen, die sonst Pressekonferenzen geben, Medienverteiler bestücken, ... (böse Zungen behaupten gar, auf Twitter würden ohnehin nur PR-Abteilungen mit anderen PR-Abteilungen in Kontakt treten). Das hat sehr viele, sehr interessante Nebeneffekte, gewissermaßen wird nämlich die Pressearbeit demokratisiert: Um den wöchentlichen Video-Podcast der Bundeskanzlerin zu sehen, muss ich eben nicht in einen Presseverteiler aufgenommen sein, den kann ich einfach so im Internet anschauen. Dass Frau Merkel offenbar vier weitere Jahre lang Kanzlerin bleiben möchte, auch das erfahre ich direkt von Regierungssprecher Seibert:
https://twitter.com/RegSprecher/status/323766939585495041
Das große Vorbild für Regierungen ist dabei natürlich die Obama-Administration, die ja nicht zuletzt ihre Existenz als Administration einer gelungenen Wahlkampagne quer durch alle Social Media Kanäle verdankt. Über einen weiteren Aspekt dieser direkten PR bin ich heute bei... hmm... Twitter gestoßen. Auf politik-digital.de schreibt Erik Meyer über die Audio-Podcasts der US-Administration und beklagt am Schluss:
Das macht mich stutzig. Offensichtlich scheint das ja ein etablierter Diskussionsstrang zu sein, der keiner weiteren Erläuterung bedarf. Nur kann ich mir darunter überhaupt nichts vorstellen. Eine schnelle Blitz-Umfrage im Büro ergibt auch keine klaren Hinweise. Der "meinungsbildende Einfluss" speist sich ja wohl eher aus einer (hoffentlich) fundierten Analyse solcher Pressearbeit, nicht der originalgetreuen Wiedergabe. Und eine solche ist auch keinesfalls überflüssig, wenn alle Menschen nun (zumindest theoretisch) Merkel- und Obama-Podcasts hören. Ich frage mich eher: Sind nicht gerade die USA mit ihrer unmöglichen sehr polarisierenden Medienlandschaft dringend angewiesen auf die Möglichkeit, hinter die Medienberichte zu blicken? Und auch in Deutschland könnte ein wenig Einblick hinter die Kulissen der Arbeit unserer Alpha-Journalisten nicht schaden, folgt man Uwe Krügers Arbeit von der Meinungsmacht. Wo ist also das Problem? Ich verstehe es wirklich nicht...