von Andrea Jonjic
Diese Woche findet in Berlin die re:publica 2013 statt, eine internationale Konferenz auf der ein weit gefasstes Spektrum von politischen, wirtschaftlichen, kulturellen und gesellschaftlichen Fragestellungen thematisiert wird. Besonders erfreulich ist die Entwicklung hin zu einer Reihe von Vorträgen, Workshops und Diskussionen zu Open Science - der Öffnung von Wissenschaft für Gesellschaft und Medien, der Wissenschaftskommunikation und nicht zuletzt Themen wie Open Access. So fand gestern u.a. die Podiumsdikussion IN, SIDE, OUT of SCIENCE statt, bei der sich Solveig Wehking von der Fraunhofer-Gesellschaft, Wissenschaftsjournalist Lars Fischer und Klimatologe Anders Levermann moderiert von Ruth Schöllhammer mit Kommunikation, Finanzierung und Ort von Wissenschaft auseinandersetzten. Ihr Fazit: Experimente wagen!
Kommunikation
Lars Fischer betreut die Blogplattform SciLogs.de und ist seit 2010 Redakteur bei spektrum.de. Er, als Wissenschaftsjournalist, sieht zwar ein starkes Interesse darin, Wissenschaft an die Gesellschaft zu tragen, welches ihn mit Institutionen sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern verbindet - jedoch seien die Akteure in diesem "Kommunikations-Block" noch zu stark vermischt. Wissenschaftsjournalismus sei auch für eine Vermittlung zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zuständig. Dennoch rät er jeder Forscherin und jedem Forscher, sich selbst an neuen Medienformaten und offenen Lizenzen zu versuchen. Nach Solveig Wehking, die wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Fraunhofer-Gesellschaft ist, ist es jedoch für viele Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler schwierig, direkt mit der Öffentlichkeit zu kommunizieren und in Social Media Kanälen Gesicht zu zeigen. Wehking und auch Anders Levermann, der am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung arbeitet, beobachten in der deutschen Wissenschaftsszene vor allem im Gegensatz zur amerikanischen eine starke Zurückhaltung gegenüber dem Bloggen - etwas, worüber ich auch letztes Jahr von der republica geschrieben hatte und das auch auf anderen Tagungen immer wieder deutlich wurde. Populärwissenschaftliches Bloggen sei nicht gern gesehen, so Levermann. Stattdessen werde die Peer-Review durch bloggen umgangen und dieses Fehlen der wissenschaftlichen Selbstkontrolle könne schwerwiegende Folgen haben. Ich erinnere mich an die Geschichtswissenschaft-Tagung im Februar:
Das flüchtige Element des Bloggens kombiniert mit der ewigen Unfertigkeit eingestellter Artikel sorge dafür, dass wissenschaftliche Präzision verloren geht, so der Tenor.
Doch das Wissenschaftsbild ist im Umbruch, so Levermann, und es werde schon viel mehr mit Medien kommuniziert als noch vor wenigen Jahren. Umso wichtiger werde daher der Wissenschaftsjournalismus, der zwischen beiden Seiten vermittelt und übersetzt.
Finanzierung
Zur Frage der Finanzierung von Wissenschaft brachte Levermann ein aktuelles Beispiel ein: So habe sich bei einem Projekt an dem er mitarbeitet die Evaluierung der EU zu 50 Prozent danach gerichtet, wie die Ergebnisse der Forschung an die Öffentlichkeit kommuniziert werden. Hier scheiden sich die Geister dann: Während Fischer eine "Nutzwertfalle" für die Wissenschaft sieht und fordert, bei der Finanzierung weg von einer Rechtfertigungspflicht für Forschung zu kommen, sieht Wehking die Politik unter Legitimationsdruck: schließlich müssten die Mittel irgendwie auf Forschungsfelder und -projekte verteilt werden, und da sei es die Aufgabe für Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, ihre Themen zu promoten. Einig sind sich die drei Panelisten jedoch darin, dass Wissenschaft eine kulturelle Leistung darstellt und aus diesem Grund in die Welt getragen werden muss.
Wichtig sei daher, dass sich Forschende Gedanken darüber machen, welche Formate geeignet sein könnten um ihre Themen zu präsentieren und sie für Partizipation zu öffnen - schließlich können durch das Bloggen und die Partizipationsmöglichkeit dort auch neue Forschungsideen erschlossen werden.
Auf Crowdfunding als Möglichkeit der Finanzierung von Wissenschaft reagierte Lars Fischer mit einem "Jein". Das eigne sich eher für kleine Projekte, die "irgendwie sexy sind" - das bedeutet laut Fischer, dass das Projektthema entweder mit niedlichen Tieren zu tun hat oder medial stark aufgegriffen wird. Wehking sieht in Crowdfundingplattformen wie Sciencestarter ebenfalls eher eine Chance für kleinere Projekte, aber auch exotische, wenn sie denn interessant präsentiert werden. Levermann, der in der Diskussion immer wieder eine skeptische Haltung annahm, warf auch hier ein Beispiel (mit niedlichen Tieren) in den Raum: So wisse man mehr über die Pinguine in der Antarktis als über den Eisfluss - und es bleibe zu klären, ob das wünschenswert ist.
Ort von Forschung
Das Internet birgt die Möglichkeit, den Ort des Geschehens von Forschung für die Welt zu öffnen. Doch können "die Massen" mobilisiert werden, Daten zu generieren? Levermann, aus Sicht des Wissenschaftlers, sieht bei der Beteiligung von Laien das Risiko fehlender Kontrollmechanismen. Schließlich stecke niemand mehr hinter den Daten, der etwas so wichtiges wie seine oder ihre Reputation verlieren könne. Wie also könnten Daten durch eine solche Zusammenarbeit verifiziert werden? Fischer sieht die Partizipation von Laien hingegen als Erweiterung des wissenschaftsjournalistischen Horizonts, und er selbst wäre dann nicht mehr Vermittler zwischen Wissenschaft und Publikum, sondern Beobachter und kritischer Kommentator. Solveig Wehking rudert hier zurück und erinnert daran, das erst Strukturen etabliert werden müssen, in denen eine solche gemeinsame Arbeit stattfinden kann und die das Interesse der Öffentlichkeit wecken. Sie erlebe beim Blog der Frauenhofer-Gesellschaft bisher eher, dass das Kommentieren bereits eine hohe erste Hürde darstellt.
Aus dem Publikum kamen noch einige Stimmen, die u.a. darauf hinwiesen, die Unterscheidung zwischen Wissenschaft und Öffentlichkeit nicht als Gegensatz darzustellen, und 'Laien' lieber als 'Informanten' zu sehen. Petra Sitte, Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke wies noch einmal darauf hin, dass sich Forschung immer auch mit ihren sozialen Konsequenzen auseinandersetzen müsse und gesellschaftliche Partizipation daher umso wichtiger sei. Zum Schluss führte Levermann aus, dass nicht unbedingt interessant sei, worüber gerade geforscht wird, sondern vielmehr wie. Die Arbeitsweise von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sei das eigentlich interessante, das es zu vermittelt gilt. Daher solle unbedingt mit Formaten experementiert werden, und wenn das auch heißt, die eigene Doktorarbeit zu tanzen.
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