von Julia Mayer
Logo der Blogreihe: Vulnerability von Daniel Kulinski von Daniel Kulinski unter CC BY-NC-SA 2.0
Das Thema Resilienz gewinnt in zahlreichen wissenschaftlichen und politischen Debatten immer weiter an Bedeutung, so auch im Bereich Bevölkerungsschutz. Deutet man Resilienz als Widerstandsfähigkeit einer Gesellschaft gegenüber Katastrophenrisiken, liegt der Zusammenhang zwischen Bevölkerungsschutz und Resilienz auf der Hand. Eine resiliente Bevölkerung trägt – in Verbindung mit weiteren Kernelementen – erheblich dazu bei, Risiken zu minimieren und Schadensereignisse erfolgreich zu meistern. Unstrittig ist ebenfalls, dass der Aufbau und die Stärkung einer resilienten Gesellschaft übergeordnetes Ziel staatlichen Handelns im Bevölkerungsschutz ist.
Weniger eindeutig ist die Frage, wie Resilienz aufgebaut und in den verschiedenen Kernelementen – Bevölkerung, Kritische Infrastrukturen, Stadtplanung, Krisenmanagement – verankert werden kann. Hierzu ist nicht nur eine enge Kooperation und ein fachlicher Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis geboten, vielmehr sind die Bevölkerungsschützer darauf angewiesen, von Wissenschaft und Forschung praktikable Konzepte und Lösungen angeboten zu bekommen, wie Resilienz operationalisierbar ist, also wie ein schlüssiges und vor allem handhabbares Resilienzkonzept in konkrete Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung einfließen kann.
Kernelement einer resilienten Gesellschaft sind die Bürgerinnen und Bürger als Individuen und in gestärkten Gemeinschaften. Selbstschutz- und Selbsthilfefähigkeit werden damit zu entscheidenden Variablen für eine widerstandsfähige und damit resiliente Gesellschaft. Diese individuelle oder persönliche Notfallvorsorge, die Kenntnisse des Eigenschutzes vor Gefahren ebenso umfasst, wie Kenntnisse der medizinischen Ersten Hilfe und vorsorgende Maßnahmen zum Zweck der Notversorgung mit Lebensmitteln, Trinkwasser und Energie, gewährleisten ein Überleben in Extremsituationen. Darüber hinaus schafft persönliche Notfallvorsorge zusätzliche Ressourcen bei professionellen und ehrenamtlichen Einsatzkontingenten. Eine durch Selbsthilfe- und Selbstschutz gestärkte Gesellschaft setzt eine entsprechende in der Gesellschaft verankerte und gelebte Kultur voraus. Eine solche Kultur kann nicht Top-Down implementiert werden, vielmehr muss sie über Einstellungen und Haltungen von Individuen wachsen. Ein Ansatzpunkt hierfür sind Konzepte für resiliente Gemeinschaften (Community Resilience) wie sie bereits insbesondere in angelsächsischen Ländern angewendet werden. Wirksame Mittel, um diese kulturelle Veränderung von staatlicher Seite aus zu fördern, ist die Entwicklung von Konzepten und Angeboten, den gesellschaftlichen Umgang mit Risiken, Selbstschutz und Selbsthilfe bereits in den Vorschulen und Schulen zu thematisieren. Darüber hinaus braucht es Aus-, Fort-, und Weiterbildungsangebote sowie Trainings für Erwachsene beispielsweise in Erster Hilfe. Bürgerinnen und Bürger sind also das zentrale Element der resilienten Gesellschaft. Mit der Betonung von Selbstschutz und Selbsthilfefähigkeit stiehlt sich nicht etwa der Staat aus seiner Schutzverantwortung, vielmehr steigt der Anspruch an staatliche Koordinierungsaktivitäten zwischen den verschiedenen Akteuren und Ebenen, die eben durch Stärkung von Selbstschutz und Selbsthilfe eine resiliente Gesellschaft gegenüber Risiken fordern und fördern.
Die vieldiskutierte Frage nach dem Mehrwert oder dem „Neuen“ im Konzept der Resilienz ist – betrachtet man die konkrete Ebene der Operationalisierung und Anwendung – eher zweitrangig, denn so war es auch schon vor der „Resilienz-Mode“ das Ziel eine widerstandsfähige Bevölkerung zu stärken und vor Katastrophenfolgen zu schützen. Dennoch eröffnet die aktuelle Debatte die Möglichkeit, den Blick für den Bevölkerungsschutz noch einmal zu fokussieren, die Bevölkerung als Akteur noch ernster zu nehmen und die Zivilgesellschaft zu stärken. Wenn dies ein Nebeneffekt der aktuellen Debatte ist, dann ist sie schon jetzt erfolgreich gewesen.