von Marco Fey
Es war furchtbar heiß in Berlin gestern. Schon nach wenigen Sekunden hat Präsident Barack Obama bei seiner Berliner Rede vor geladenen Gästen vor dem Brandenburger Tor das Jackett ausgezogen. Die Ärmel hat er aber nur ein wenig hochgekrempelt – auch was seine nukleare Agenda betrifft. Nicht direkt eine Enttäuschung, so war seine Rede doch alles andere als der ersehnte große Wurf. Obama hatte 2010 nukleare Abrüstung zu einer seiner Prioritäten erklärt. In seiner ersten Amtszeit hat er, insbesondere zu Beginn, vieles von seiner Agenda umsetzen können. Seit 2011 aber ist sie ins Stocken geraten. An einem historischen Ort – dem Brandenburger Tor – wollte Obama nun einen neuen Anlauf verkünden.
Die wichtigste Botschaft lautete: Seine Administration strebt eine weitere Reduzierung der Sprengköpfe um bis zu ein Drittel weniger als unter New START erlaubt an, auf dann 1000 bis 1100 stationierte strategische Kernwaffen. Dies ist lange überfällig. Bereits in der diesjährigen Rede zur Lage der Nation war sie erwartet worden. Nun also hat er sie in Berlin gemacht.
Außerdem möchte er gemeinsam mit den NATO-Verbündeten und Russland darüber sprechen, wie man die noch verbliebenen taktischen Nuklearwaffen in Europa reduzieren kann. Schließlich will er auf dem Capitol Hill neuen Wind in die Ratifizierung des umfassenden Teststopp-Vertrags (Comprehensive Test-Ban Treaty, CTBT) bringen und in der Genfer Abrüstungskonferenz einen Durchbruch in den Verhandlungen eines Fissile Material Cut-off Treaty (FMCT) sehen.
Obama würde die Umsetzung der weiteren Reduzierung in einem rechtsverbindlichen Vertrag mit Russland – einem New START-Folgeabkommen – bevorzugen. Dass dies gelingt ist allerdings unrealistisch. Russland signalisiert, dass es an einem solchen Vertrag derzeit nicht interessiert ist. Der Kreml fordert den Einbezug konventioneller Waffen und der nach wie vor ungelösten Raketenabwehrproblematik in weitere Gespräche. Vermutlich wird die Obama-Administration die Reduzierung daher in Form „unilateraler Maßnahmen“ und nicht in Form eines New START-Nachfolgeabkommens implementieren müssen. Die USA würden dann ihr Arsenal verkleinern und hoffen, dass Russland nachziehen wird.
War die Rede eine Enttäuschung? Ja und nein. Es war wichtig, dass Obama das Thema nukleare Abrüstung auf seiner Agenda wieder weiter nach oben geschoben hat. Es war auch wichtig, dass er mit einer weiteren Reduzierung des Arsenals um ein Drittel ein Ziel benannt hat, das die Zahl der strategischen Sprengköpfe in einen Bereich rückt, in dem auch andere Kernwaffenstaaten in multilaterale Gespräche über weitere Abrüstung einsteigen könnten. Anderseits enthielt die Rede keine Überraschungsmomente, keine Verkündung neuer Initiativen und keine konkreten Ideen, wie er seine Ziele erreichen möchte. Überhaupt spielte nukleare Abrüstung eigentlich gar nicht die Rolle, die man zuvor nach Äußerungen des stellvertretenden Nationalen Sicherheitsberaters erwartet hatte. Nicht viel Neues also vom Brandenburger Tor. Es war ja auch heiß.