von Philip Wallmeier
Der dritte Teilbericht des Weltklimarats ist eingeschlagen wie eine Bombe; eine Wasserbombe; in einem Schwimmbecken. Sätze wie „Es kostet nicht die Welt, den Planeten zu retten“ bewegen sich wie kleine Wellen durch die Medien, mit dem einzigen Ziel, schnell über den Rand des Beckens abzulaufen. Zeitgleich mit der Veröffentlichung des Berichts lief in den USA die neue Star-gespickte $200 Millionen Serie zum Thema Klimawandel an: „Years of living dangerously“. In bester Blockbuster-Qualität wollen die Macher des mehrfach ausgezeichneten Formats „60 minutes“, Joel Bach und David Gelber, den Klimawandel neu thematisieren. Die gleichzeitigen „Medienereignisse“ zeigen, dass öffentliche Diskurse über den Klimawandel leerlaufen. Eine neue Rückbindung an politische Praxis scheint geboten.
Die Kamera zoomt heran: Grimmig schaut Harrison Ford in Militäruniform aus einem Hubschrauber und verspricht, mit dem Agrarminister von Indonesien ein ernstes Wörtchen zu reden. Unter ihm brennt der Regenwald. „Years of living dangrously“ funktioniert wie jeder Hollywood-Schinken: die Serie, die der Guardian „perhaps the most important climate change multimedia communication endeavor in history” nennt, wartet mit berührenden Geschichten, Bränden, Affenbabys und einer Menge Stars auf. Und doch geht es hier nicht nur um Unterhaltung. Bei „years“ geht es auch darum, politische Grenzen zwischen Republikanern und Demokraten, Diskurse zwischen gläubigen und nicht-gläubigen zu verschieben. Schließlich glaubt die Mehrheit der Demokraten in den USA an anthropogenen Klimawandel, während das nur für ein Drittel der Republikaner gilt (und für weniger als 10% der Tea Party Anhängern).
Trotzdem ist „years“ nicht einfach ein Partei-Programm. Der republikanische Politiker und Filmstar Arnold Schwarzenegger ist ebenso mit von der Partie wie Produzent Jerry Weintraub, der für die Dokumentation „41“ über seinen langjährigen Freund, G. W. Bush Senior, berühmt ist. Der NYT Journalist und Star von „years“, Thomas Friedman, erklärt die Mission der Serie folgendermaßen: „We’re going in the wrong direction and I think the only way to counter that is to bring the story home in really concrete ways to people, vivid ways that kids can understand”. Um dieses Programm glaubwürdiger zu machen, setzt der Regisseur von “Avatar”, James Cameron, nicht einfach auf bekannte Gesichter. Vielmehr treten in der Serie Stars auf, die für ihre Engagement um den Klimaschutz bekannt sind: Matt Damon hat water.org mitgegründet, Harrison Ford ist Mitglied des Boards von Conservation International, Don Cheadle fungiert als Botschafter des UN Environmental Program und Ian Somerhalder hat die nach ihm benannte Bildungsstiftung zu Umweltfragen gegründet. So soll auch massiven Lobbykampagnen begegnet werden, die klimaskeptisch auf die Medien einwirken.
Der Versuch, Glaubwürdigkeit herzustellen, zeigt sich auch in den Geschichten der Pilotfolge der Serie. Im Zentrum der Geschichte steht einerseits die Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe, die nicht nur an die anthropogene Veränderung glaubt, sondern auch an Gott: sie ist praktizierende Evangelikale Christin. Die Serie folgt ihr in eine kleine texanische Stadt, in der viele Menschen ihre Jobs wegen einer langen Dürre verloren haben. Dort präsentiert sie die Ergebnisse ihrer Forschung. Denn schließlich ist ja ein Thermometer weder Republikaner noch Demokrat, wie uns ein Priester in der Serie aufklärt. Neben diesem Erzählungsstrang, folgt „years“ Harrison Ford nach Indonesien, wo dieser Brandrodung im großen Stil miterlebt und Thomas Friedman nach Syrien, wo der Journalist den Grund für den Bürgerkrieg in einer Dürreperiode findet. Es ergibt sich ein Bild: Klimawandel und Arbeitslosigkeit, Bürgerkrieg und Korruption hängen zusammen. Folgerichtig fragt sich Don Cheadle am Ende der Serie: “Is there a way to discuss climate change without politics or religion getting in the way?”.
Na klar, denkt man, das macht doch der Weltklimarat auf mehreren tausend Seiten – und erinnert sich an die Wasserbombe im Schwimmbecken. Denn so wünschenswert diese wissenschaftliche Diskussion auf den ersten Blick erscheinen mag, so klar zeigen doch die Reaktionen auf den neuen IPCC-Teilbericht, dass es mit dieser Diskussion auch nicht getan ist: Während sich die Protagonisten von „years“ nach einer wissenschaftlichen Diskussion über Klimawandel sehnen, suchen die Forscher des IPCC-Berichts die mediale Aufmerksamkeit durch Sätze wie „Es kostet nicht die Welt den Planeten zu retten“. Wer in dieser Gegenüberstellung nur eine befremdliche Klimaskepsis „der Amerikaner“ sieht, ist blind. Vielmehr zeigt die Gleichzeitigkeit der beiden „Medienereignisse“, dass die gesellschaftliche Debatte um den Klimawandel leer läuft.
Für diejenigen, die an die wissenschaftlichen Ergebnisse glauben, ist das ein schwerer Schlag. Schließlich zeigt der neue IPCC-Bericht, dass Handeln dringend geboten wäre. Erstens, stellt der Bericht heraus, dass selbst wenn alle Staaten die in Cancún vereinbarten Ziele erreichen, wenig geschafft ist. Denn mit “high confidence” erklärt der Bericht “Estimated global GHG emissions levels in 2020 based on the Cancún pledges are not consistent with cost-effective long-term mitigation trajectories“. Zweitens, weist der Bericht erneut darauf hin, dass der Klimawandel unterschiedliche Folgen in den Regionen der Welt zeitigen wird. Nicht-Handeln führt also de-facto zu prognostizierbar ungleichen Folgen. Der IPCC Bericht stellt die prognostizierten Entwicklungen in den unterschiedlichen Weltregionen sogar dar – dieser Teil des Berichts hat es aber im politisch hart umkämpften Veröffentlichungsprozess nicht ins „executive Summary“ geschafft. Drittens, wiegt dieses Nicht-Handeln umso schwerer, als die Forscher klar aufzeigen („robust evidence, high agreement“), dass „[i]nfrastructure developments and long-lived products that lock societies into GHG-intensive emissions pathways may be difficult or very costly to change, reinforcing the importance of early action for ambitious mitigation”.
Während also Filmemacher über neue Wege der Vermittlung des Klimawandels nachdenken und sich IPCC-Forscher um knackige Formulierungen bemühen, schwappt der Inhalt ihrer Botschaften wellenartig über den Beckenrand – und läuft dort ab. Gleichzeitig werden Fakten geschaffen. So performativ Diskurse auch sein mögen, dem Klimawandel scheinen sie bislang noch nichts engegen setzen zu können. Die Rückbindung der Diskurse fehlt. Vielleicht bedarf es doch eines erneuten Nachdenkens über politische Praxis. Oder wir gucken noch ein bisschen Harrison Ford zu, wie er sich über Waldrodung ärgert und mit Affenbabys knuddelt.
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