von Maya Hatsukano und Martin Schmetz
Wie viele Länder kümmert sich auch Japan verstärkt um sein Image im Ausland – man sorgt sich um die sogenannte „soft power“. Wer gemocht wird, (pop)kulturell global einflussreich ist und viele Freunde hat, hat Einfluss auch ohne Waffen. Zu diesem Zweck fährt Japan seit 2002 eine Strategie, die unter dem Term „Cool Japan“ zusammengefasst wird. Seit 2010 gibt es dafür im japanischen Wirtschaftsministerium sogar ein eigens eingerichtetes Büro, dessen Zweck es ist, Japanische soft power im Ausland zu erhöhen, indem man Japans Image weiter in Richtung Popkultur drückt. Dieses Büro hat nun vor, 65 Milliarden Yen (633 Millionen Dollar) in eine „Japan Mall“ in Ningbo, Zhejiang Provinz zu investieren. Die Frage ist: Ist das eine gute Idee?
Denn die Bedingungen dafür sind nicht die einfachsten: Die Beziehungen zwischen Japan und China sind historisch seit dem zweiten Weltkrieg angespannt. Bis heute hat Japan sich für die Greueltaten im zweiten Weltkrieg aus Sicht Chinas nicht adäquat entschuldigt. Die konstante Relativierung oder sogar Glorifizierung durch ultranationalistische Kräfte in Japan tut ihr übriges, damit dieser Konflikt andauert. Zusätzlich streiten sich Japan und China um die Senkaku/Diaoyu-Inseln. Seitdem die Präfektur Tokio die drei unbewohnten Inseln im Jahr 2012 von einem privaten Besitzer gekauft hat ist dieser Streit weiter eskaliert. Im Zuge dieser Eskalation um den Inselverkauf kam es daraufhin in China zu Protesten, Plünderungen und Werksschließungen japanischer Unternehmen. Um die Insel findet sich seitdem häufiger eine Konzentration von japanischen und chinesischen Schiffen, militärischer wie ziviler Natur, die sich extrem kritisch beäugen.
Die nationalistische Rhetorik hat sich seitdem in beiden Staaten weiter verstärkt. Und das Image des anderen ist in der Bevölkerung von China und Japan unterirdisch: Nur 17% der chinesischen Bevölkerung glaubt, dass Japan einen positiven Einfluss auf die Welt hat, 74% hingegen glauben, dass Japans Einfluss negativ ist. Noch schlimmer sieht es umgekehrt aus: 5% der Japaner schreiben China einen positiven Einfluss zu, immerhin nur 64% sehen Chinas Einfluss als negativ an (Quelle).
„Cool Japan“, dass vor allem auf japanische Popkultur wie J-Pop, Computerspiele, Anime und Mangas und damit assoziierte Phänomene wie Cosplay (sich wie Charaktere aus Manga oder Anime zu verkleiden) setzt, sieht sich inzwischen auch mit erheblichen Problemen konfrontiert. Es gibt zunehmende Konkurrenz aus benachbarten Ländern, insbesondere Südkorea, und die Kombination aus Anime und steifen politischen Würdenträgern wirkte bisher alles andere als cool. Wobei man sich vielleicht berechtigt die Frage stellen sollte, wie cool man überhaupt sein kann, wenn man sich selbst als cool bezeichnet.
Vor dem historischen und politischen Hintergrund darf sich man sich also über die Sinnhaftigkeit dieser Shopping Mall wundern. Denn ob man mit einem Konglomerat aus japanischem Kommerz wirklich die positiven Gefühle gegenüber Japan steigern kann, kann man in Frage stellen. Solange in Japan weiterhin Spitzenpolitiker regelmäßig den Yasukuni-Schrein besuchen, in dem unter anderem auch Kriegsverbrechern gedacht wird, der Schulbuchstreit – in dem es um die Darstellung japanischer Verbrechen im zweiten Weltkrieg in japanischen Schulbüchern geht – immer wieder hochkocht und die Situation um die Senkaku/Diaoyu-Inseln nicht entschärft ist, wird soft power wohl nicht allzu viel ausrichten können. Momentan ist es eher Zeit für hochrangige Diplomatie, als zu versuchen, die Beziehungen durch den Verkauf japanische Kosmetikprodukte zu bessern. Nicht, dass dies zwingend funktionieren würde: Der Verkauf von japanischen Produkten an Endverbraucher in China ist extrem anfällig für außenpolitische Schocks: Nachdem der Streit um die Senkaku/Diaoyu-Inseln 2012 eskalierte, brach etwa der Verkauf japanischer Autos in China signifikant ein.
Und nun soll also eine riesige Shopping Mall gebaut werden, in der ausschließlich japanische Firmen zu finden sein werden und deren explizites Ziel es ist, japanische Kultur in China zu bewerben, während hochpolitische Konfliktthemen weiter schwelen, ohne realistische Chance, demnächst gelöst werden zu können. So bleibt dem zynischen Betrachter nur zu vermerken, dass wenn man im Zuge einer gewaltsamen Demonstration also das nächste Mal auf der Suche nach Geschäften ist die man verwüsten kann, man sie praktischerweise alle in einem Gebäude findet. Cool, Japan.
China ist groß. Wie kommt man auf die Idee das eine einzelne Shoppingmall signifikanten Einfluss ausüben könnte? Wäre, sofern man dem Ansatz überhaupt folgt, nicht ein Angagement in der Fläche viel sinnvoller?
Insgesamt kann das aber auch dahingestellt bleiben. Ohne eine diplomatische Annäherung würde auch jede andere Strategie mit der nächsten nationalistischen Aufwallung scheitern. Selbst wenn man unterstellt, der chinesische Nationalismus sei von der Regierung noch kontrollierbar.