Cyberwar und Cybersicherheit scheint inzwischen als Schlagwort fast überall zu ziehen. Für die einen ist es die nächste große Sicherheitsherausforderung, für andere einfach ein großes Geschäft. Die Netzgemeinde wiederum sucht nach Sicherheit für den individuellen Nutzer, sei es nun vor Kriminellen, staatlichen Organen oder Firmen, deren Geschäftsmodell auf der Sammlung und Verwertung von Daten beruht. Einige suchen auch einfach Sicherheit vor einem Diskurs, in dem das Präfix Cyber vor jedes Wort gestellt wird. Vertreter dieser Position beklagen den unnötigen Hype, der durch durch das anhaltende Verwendung dieser Worte erzeugt wird, aber wenig zur Lösung beiträgt.
Wir teilen wenigstens diese Meinung nicht, auch wenn die Eskalation der Cyber-irgendwas Begriffe teilweise komische Züge annimmt. Nichtsdestotrotz weisen sie auf einen Themenbereich hin, in dem offensichtlich großes Diskussionspotenzial besteht. Dieses umfasst aber nicht nur die Diskussion möglicher Lösungen, sondern überhaupt erst einmal die Bestimmung der Probleme im weiteren gesellschaftlichen und politischen Kontext. Und aus dieser Sicht haben derartige Wortschöpfungen durchaus eine wichtige Aufgabe.
Es fällt aber auf, dass das Präfix Cyber fast immer von bedrohlichen Worten gefolgt wird. Krieg, Sicherheit (es besteht also eine implizite Bedrohung), Kriminalität, usw., man darf es sich aussuchen. Die in den 90er Jahren existente utopische Idee eines freien Internets ist auch begrifflich an vielen Stellen einer unsicheren, bedrohlichen Welt im Netz gewichen. So wird der Diskurs begrifflich eingeengt, positive Lösungsansätze erscheinen vor allem reaktiv auf wie auch immer geartete Bedrohungsszenarien. Deshalb werden wir, als Gegenentwurf, in diesem Blogfokus Cyberpeace diskutieren.
Wir schließen damit an die Kampagne des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) an, die Cyberpeace als Begriff in Deutschland etabliert und auf einer Konferenz erste Ideen dazu gesammelt hat. In diesem Blogforum sollen verschiedene Aspekte von Cyberpeace betrachtet werden. Unter anderem:
- Was ist Cyberpeace eigentlich?
- Macht der Begriff Sinn?
- Erfüllt er eine positive Aufgabe?
- Wie könnte er technisch oder institutionell aussehen?
- Für wen soll der Frieden gelten und wer soll ihn gestalten?
Diese und andere Fragen werden in den kommenden Wochen auf diesem Blog diskutiert. Wir freuen uns, dafür viele Autorinnen und Autoren mit unterschiedlichen Hintergründen gewonnen zu haben. Schreiben für uns werden unter anderem: Myriam Dunn Cavelty von der ETH Zürich, Matthias Schulze von der Universität Jena, Verena Diersch von der Universität Köln, Thorsten Reinhold vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg, Matthias Englert, Ben Kamis und Thorsten Thiel von der Universität Frankfurt, weitere Autoren, die im Januar Beiträge beisteuern werden und selbstverständlich auch Mitglieder der Redaktion des Sicherheitspolitik-Blogs.
Ziel dieses Blogforums soll vor allem eine umfangreichere Diskussion um den Begriff Cyberpeace sein. Deshalb wünschen wir uns Rückmeldung in jeder Form, sei es durch Kommentare im Blog oder Antwortposts auf anderen Seiten - wo alle möglichen Cyber-Wortschöpfungen für die "Gefahren aus dem Internet" herhalten müssen, sollte dem etwas optimistischeres, zuversichtlicheres entgegengesetzt werden. Und vielleicht schaffen wir das in den nächsten Wochen genau hier.