Das Dabiq-Magazin als Rekrutierungswerkzeug des IS

Von Dr. Daniel H. Heinke und Hazim Fouad

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Teil XIV unserer Serie zum "Islamischen Staat"

Der „Islamische Staat“ veröffentlicht unter dem Na­­men „Dabiq“ eine eigene Propagandazeitschrift. Die mit zahlreichen großformatigen Fotos her­ge­stell­te Publikation mutet dabei wie ein mo­der­nes Ma­ga­zin an und ist optisch durch­aus mit dem seit meh­reren Jahren bekannten Ma­ga­zin „In­­spi­re“ der al-Qaida vergleichbar. Im Folgenden soll die deutsche Ausgabe in die Rekrutierungs- und Medienstrategie des IS eingeordnet und mögliche Folgerungen für die Si­cher­heits­la­­ge und die Tätigkeit der deutschen Si­cher­heits­­behörden vorgenommen werden.

Das Magazin ist im Internet ohne weiteres ver­fügbar. Seine Verbreitung dürfte zwar in der Bun­­desrepublik nunmehr dem durch den BMI ver­­fügten Betätigungsverbot zuwiderlaufen, doch ist nicht zu erwarten, dass dies die Zu­griffs­­möglichkeiten nachhaltig einschränkt.

Inhaltlich lässt sich die erste deutsche Aus­ga­be von Dabiq grob in folgende The­men­be­rei­che auf­teilen:

  1. Die endzeitliche Bedeutung des Ortes Dabiq
  2. Ausführungen zur vermeintlichen Legitimität des Kalifats
  3. Darstellung der Strategie des „Islamischen Staates“

Letzterer Punkt bildet den Fokus dieses Beitrages.

Die Strategie des „Islamischen Staates“

Das Magazin stellt ein fünfstufiges Modell vor, wel­ches den langfristigen Erfolg der Bewegung si­cherstellen soll.

Hiernach sollen die Mujahidin zunächst an ei­nen Ort auswandern, an welchem sie im phy­si­schen Sinne sicher sind, um sich dort zu einer Grup­pe (jama´a) zu konsolidieren. Durch ge­ziel­te Attacken gegen den Feind (nikaya) soll sich das Gebiet unter dessen Kontrolle in einen Zu­stand von Chaos (tawahhush) ver­setzt wer­den, in dem sich das Regime aus den länd­li­chen Gebieten zurückzieht. Diese frei­ge­wor­de­nen Gebiete sollen durch die Mujahidin mit dem Ziel besetzt werden, dort erste staats­ähn­liche Struk­turen aufzubauen. Sobald genug Ter­ri­to­ri­um erobert und konsolidiert werden konn­te (tam­kin), wird das Kalifat ausgerufen.

Diese Vorgehensweise fußt in weiten Teilen den ideologischen Überlegungen jihadistischer Vor­denker aus den Reihen al-Qaidas wie Abu Mus´ab al-Suri und Abu Bakr Naji. Der „Isla­mi­sche Staat“ kann in der aktuellen Situation für sich beanspruchen, diese Vorgaben bis zu ei­nem Niveau verwirklicht zu haben, das al-Qai­da selbst nie erreicht hat. Berichte über mi­li­tä­ri­sche Erfolge über „die Feinde Allahs“, die im Rah­men des Magazins mit äußerst brutalen Bil­dern illustriert werden, und eine erfolgreiche Ver­­sorgung der „Bürger“ des so genannten Is­la­mi­schen Staates sollen dazu beitragen, die bis­he­rige Entwicklung als „Erfolgsstory“ zu ver­kau­fen.

Die Zielgruppe des Magazins

Das Magazin wendet sich durchaus auch an be­­reits entschlossene Anhänger der Be­we­gung des „Islamischen Staates“, um diesen zu ver­deut­lichen, dass die angestrebten Zie­le ganz re­al verwirklicht werden können. Sie tragen so zur inneren Fes­ti­gung der Be­we­gung bei. Ihre vor­ran­gi­ge Be­deu­tung hat die Zeitschrift aber als In­stru­ment zur Re­krutierung von weiteren Kämp­fern für den „Is­lamischen Staat“. Dabei hat die Be­wegung ganz offensichtlich auch Islamisten in Europa, den Vereinigten Staaten von Ame­ri­ka sowie Russ­land respektive den Nachfolgestaaten der Sow­jet­union im Blick.

Der „Islamische Staat“ fordert die Muslime welt­­weit auf, sich dem IS anzuschließen und so das Kalifat auszubauen. Das Magazin „Da­biq“ ist dabei zwar als „Leitmedium“ der Pro­pa­gan­da des „Islamischen Staates“ zu bewerten. Es wird aber flankiert von zahlreichen weiteren Ein­­zelschriften sowie von Audio- und Vi­de­o­bot­schaf­ten des als „Kalif“ ausgerufenen Anführers al-Bag­h­­dadi und weiterer Vertreter der Be­­wegung. Eben­­so richten sich einzelne aus­län­di­sche Kämp­­fer, in ihren Auftritten ins­be­son­de­re an die Be­völ­ke­rung ihrer jeweiligen Hei­mat­staaten.

Bewertung für die Sicherheitslage

Die Argumentation des „Islamischen Staa­tes“ greift das aus der Radi­ka­li­sie­rungs­for­schung bekannte Narrativ des vom Wes­­ten geführten „Krieg gegen den Islam“ auf. Sein Erfolg bietet mit der Ausrufung des Ka­li­fats und der tat­säch­lichen Errichtung eines ter­ri­to­ri­a­len Herr­schafts­gebietes tat­säch­lich die Möglichkeit, die im ji­ha­dis­­ti­schen Salafismus angestrebte un­an­ge­foch­te­ne – und ausschließliche – Ober­herr­schaft Got­tes (hakimiyyat allah) zu ver­wirk­lichen. Die­se aus Sicht der Bewegung rea­lis­tische Möglichkeit stellt eine deutliche qua­litative Stei­ge­­­rung gegenüber den bloßen Ter­ror­o­pe­ra­ti­o­nen des al-Qaida-Netzwerkes dar, die zwar den ver­­meintlichen Feinden er­heb­lichen Schaden zu­­­zufügen vermochten, aber doch nicht ge­eig­net waren, den eigenen Er­folg her­bei­zu­füh­ren.

Die vom britischen International Centre for the Stu­dy of Radicalisation and Political Violence (ICSR) durchgeführte Aus­wertung der Inhalte von Beiträgen von rund 450 ausländischen Kämpfern in Syrien und im Irak in Medien und insbesondere in sozialen Netzwerken legt nahe, dass die Darstellung brutaler Ge­­­walthandlungen einschließlich der Tötung von Gefangenen – nicht zuletzt westlicher Na­ti­o­nen – zwar auf die allgemeine Bevölkerung ab­­stoßend wirken, innerhalb der ex­tre­mis­ti­schen Szene den „Islamischen Staat“ aber an At­­traktivität gewinnen lassen. Diese bereits ex­tre­­mistisch motivierten Personen werden durch den Beleg, dass es in der Möglichkeit des IS liegt, auch westliche, insbesondere ame­ri­ka­ni­sche und britische, Staatsangehörige zu töten, oh­­ne dass diese Staaten unmittelbar etwas zur Ver­­hinderung solcher Taten unternehmen kön­nen, aufgeheizt und motiviert, sich am be­waff­ne­­ten Kampf für die vermeintlich gemeinsame Sa­­che zu beteiligen.

Möglicherweise kann diese „Be­geis­te­rung“ gewaltbereiter Ex­tre­mis­ten auch zur in­di­vi­duellen Be­ge­hung von Anschlägen im Westen füh­­ren. Das in einer Viel­zahl von Sprachen ver­füg­bare Ma­­gazin „Da­biq“ stellt vor diesem Hin­ter­grund eine nicht un­er­heb­li­che Verschärfung der ab­strak­ten Ge­fähr­­dungs­lage dar. Es liefert wichtige Er­kennt­nisse über die Denk­weise der Or­ga­ni­sa­ti­on IS, welche wie­de­rum bei der Erarbeitung ei­ner effektiven Prä­ven­tions- wie aber auch Anti-Ter­rorstrategie Be­achtung finden sollten.

Dr. Daniel Heinke

Dr. Daniel H. Heinke ist Mitglied des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (IPoS) der HfÖV Bremen und Associate Fellow des International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR), King’s College London. Im Hauptberuf leitet er den Planungsstab beim Senator für Inneres und Sport, Bremen.

 

 

 

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Hazim Fouad studied Near and Middle Eastern studies in Bochum/Germany, Kairo/Egypt and London/UK. He currently works as an analyst for the Senator for the Interior and Sports Bremen. 2014 he published together with Behnam T. Said the anthology on Salafism “Salafismus. Auf der Suche nach dem wahren Islam.” Beside his work he is preparing his PhD on Muslim counter-narratives to Salafist ideology.

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