von Martin Schmetz
So die Frage im Interview von John Oliver mit Edward Snowden. Vorher war es um die Enthüllungen Snowdens gegangen, die angeblich so große Wellen gemacht und das Thema Überwachung und Privatsphäre in den Köpfen der Menschen verankert hatten. In einer nicht unbedingt repräsentativen Umfrage für Olivers Sendung „Last Week Tonight“ auf den Straßen New Yorks wurde diese Idee gänzlich demontiert: Kaum jemand erinnerte sich an Snowden – und wenn, dann nicht im richtigen Kontext. Privatsphäre und Überwachung waren und sind schlicht zu sperrige Themen.
Gebetsmühlenartig wiederholen zwar die Vertreter der Netzgemeinde, dass diese sperrigen Themen sehr konkrete Auswirkungen auf die einzelne Person haben, doch es brauchte scheinbar einen Comedian um das Thema auf eine für die Öffentlichkeit relevante Frage runterzubrechen: Kann die NSA meinen Penis sehen? Passender, und geschlechterneutraler, formuliert wäre es wohl: Kann die NSA meine Nacktbilder sehen. Snowdens Antwort war eindeutig: Ja. Das war sogar deutschen Medien eine Meldung wert – und das obwohl auch hierzulande der Diskurs zu diesem Thema eingeschlafen ist.
Erinnert sich noch jemand: Im Januar, nach den Anschlägen auf die Redaktion von Charlie Hebdo, wurde die Vorratsdatenspeicherung als unverzichtbares Instrument der Terrorbekämpfung wieder in die Diskussion gebracht. Vermutlich erinnert man sich eher nicht, denn Google Trend zeigt uns recht klar, dass das Thema Vorratsdatenspeicherung insgesamt erledigt ist:
Und es ist nicht nur das Thema Vorratsdatenspeicherung, was uns eigentlich weiter beschäftigen sollte. Der NSA Ausschuss tagt auch weiter. Ende März wurde uns dort eröffnet, dass der BND am zentralen Internetknoten DE-CIX in Frankfurt bis zu 20% des Traffics abhört. Spätestens da müsste man sich als Bundesbürger fragen: Hat etwa nicht nur die NSA, sondern auch der BND Nacktbilder von mir? Und möchte ich das?
Absurderweise ist die Frage, ob deutsche Behörden Nacktbilder speichern könnten schwerer zu beantworten als die Frage, ob die NSA potenziell Nacktbilder hat. Letzteres wurde von Snowden bestätigt. Ersteres ist nicht wirklich klar. Im Rahmen der Vorratsdatenspeicherung kann man sich noch recht sicher sein, dass dem nicht so ist. Diese Daten werden dort schlicht nicht erfasst. Die Enthüllung im NSA-Untersuchungsausschuss, dass der BND jedoch auch Daten am DE-CIX abgriff, könnte da schon anderes nahelegen. Wie Netzpolitik dazu schrieb:
Inwiefern davon am Ende nur Verbindungsdaten übrig bleiben ist nicht klar. Insbesondere wenn man die manchmal kreative Auslegung der gesetzlichen Regelung durch die Geheimdienste in diesem Fall bedenkt, wie etwa die Diskussion um die Frage zeigt, was 20% des Traffics nun seien. Auf jeden Fall werden dort nicht nur Metadaten abgegriffen, sondern auch Kommunikationsinhalte. Und das könnten eben auch Nacktbilder sein, etwa wenn sie in einem wie auch immer gearteten „sicherheitsrelevanten“ Kontext auftauchen.
Diskutiert wird das Thema in der deutschen Öffentlichkeit aber trotzdem erstaunlich wenig. Google Trends zeigt uns, dass auch das Thema NSA-Untersuchungsausschuss an Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit verliert, mit und ohne Nacktbilder. Das sollte jedem, der die momentanen Programme der Geheimdienste kritisch sieht zu denken geben: Gerade in den USA, immerhin die eigentliche Zielgruppe von John Olivers Sendung, erregte die Frage der Nacktbilder durchaus Aufmerksamkeit. Und es wäre auch nicht das erste mal, dass John Oliver es über eine unterhaltsame Zuspitzung schafft, ein komplexes Thema der Netzgemeinde einer breiteren Öffentlichkeit zu vermitteln. Ähnliches gelang ihm im Fall des Themas Netzneutralität. Wenn nun also auf die Warnung vor dem Verlust der Privatsphäre und zunehmender Überwachung die Antwort kommt, man habe nichts zu verbergen, gibt es nun die Gegenfrage: Gilt das auch für deine Nacktbilder? Vielleicht bringt diese Zuspitzung auch im deutschen Diskurs das Thema zurück auf Tagesordnung.