Für Deutschland sind die gewinnbringendsten Aspekte der Reise von Kanzlerin Angela Merkel nach Argentinien und Mexiko klar politisch definiert

von Emmanuel Gómez Farías Mata und Iván Farías Pelcastre

Die Wahl des US Präsidenten Donald Trump im November 2016 brachte der Welt politische sowie wirtschaftliche Unsicherheiten. Diese wurden durch seine Ankündigung verstärkt, eine Regierung mit der Zielsetzung „America First“ zu formen und radikale Veränderungen in der US Innen- und Außenpolitik durchzusetzen.

Der populistische und isolationistische Ansatz des US Präsidenten Trump (speziell während seines Wahlkampfs) führte auf beiden Seiten des Atlantiks zu politischen Schlussfolgerungen und Kommentaren von Experten, dass die Vereinigten Staaten von Amerika ihre Position an der Spitze der globalen Politik aufgeben würden. Dieselben Experten fanden in Deutschland das Land, welches nach Ihrer Meinung, die Voraussetzung mit sich bringt und, nicht minder wichtig, sich auch dazu bereit erklärt, die industrielle und liberaldemokratische Welt in das 21. Jahrhundert zu führen.

Deutschland und seine Kanzlerin Merkel stellen sich dieser neuen Rolle enthusiastisch gegenüber. Auf einer Wahlveranstaltung in München am 28. Mai diesen Jahres erklärte Merkel: „Die Zeiten, in denen wir uns auf andere völlig verlassen konnten, die sind ein Stück vorbei.“ Zu Zeiten des Brexits und der Wahl Trumps zum US Präsidenten sagt sie: „Wir Europäer müssen unser Schicksal wirklich in unsere eigene Hand nehmen.“ Aus ihrer Sicht können Europa und der Rest der Welt nicht mehr auf die USA oder Großbritannien zählen wie sie es vor der Trump- und Brexit-Ära taten. Die transatlantischen Bündnisse, um gemeinsamen Wohlstand und Sicherheit zu gewährleisten, sieht Merkel nicht mehr als zuverlässig an.

Diese Einschätzungen kommen für Interessierte, die die Ereignisse in den USA und Großbritannien verfolgen, nicht überraschend. Diesbezüglich ist anzumerken, dass Merkels Visionen für Deutschland und die EU sich nicht ausschließlich auf den europäischen Raum beziehen.

REISE NACH ARGENTINIEN UND MEXIKO

Deutschland kennt die Herausforderungen einer instabilen und unsicheren wirtschaftlichen und politischen Lage nur zu gut. Nach zwei verheerenden Weltkriegen hat das Land seinen politischen und wirtschaftlichen Einfluss in Europa wiedererlangt und die deutsche Regierung setzt sich seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs stetig für die Schaffung von Freihandelszonen und der Öffnung der heimischen und globalen Märkte ein um zwischen den Ländern innerhalb und außerhalb Europas Vertrauen zu fördern. Angesichts der herrschenden Unsicherheit, die durch den US-Rückzug aus globalen Angelegenheiten entstanden ist, nutzt Deutschland seine Erfahrung und seine starke Position auf der globalen politischen Weltbühne um den Platz einzunehmen, den Washington in Lateinamerika, mit seinem traditionell stärksten Einfluss, zurückgelassen hat.

Mit ihrer offiziellen Reise nach Argentinien und Mexiko im Juni 2017 förderte Merkel die wirtschaftlichen und politischen Beziehungen zu beiden Ländern. Deutsche Welle kommentierte zur offiziellen Erklärung, „Merkels Stationen in Argentinien und Mexiko waren vereinfacht gesehen [und tatsächlich] die letzten Aufenthalte auf ihrer Liste der zu besuchenden Länder, vor dem G20 Gipfel“ in Hamburg am 07. und 8. Juli 2017. Inoffiziell war Merkels Besuch zum Teil darauf ausgerichtet, neue globale Bündnisse zu explorieren und zu etablieren, die sich nicht an Verbindungen mit den USA orientieren.

Mit dem argentinischen Präsidenten Mauricio Macri besprach Kanzlerin Merkel unter anderem Themen wie Handelsabkommen, Klimawandel sowie soziale und kulturelle Beziehungen zwischen Deutschland und der größten jüdischen Gemeinde Argentiniens. Auch der zu erwartenden Abschluss des Freihandelsabkommens mit der Europäischen Union und dem Staatenbund Mercosur waren ein Gesprächsthema.

Die Hauptthemen mit dem mexikanischen Präsidenten, Enrique Peña Nieto waren Handels- und Kulturfragen, einschließlich der Modernisierung des Freihandelsabkommens zwischen der EU und Mexiko. Auch die bisherige Bilanz, der auf zwei Jahre angesetzten bilateralen Initiative zwischen Deutschland und Mexiko zur Förderung eines besseren gegenseitigen Verständnisses zwischen den Völkern und deren Kulturen beider Länder, wurde besprochen.

Der deutsche Botschafter in Mexiko, Viktor Elbling, merkte an „der Besuch steht auch als Demonstration der Führungsqualitäten seiner Nation auf der politischen Weltbühne.“ Argentinien und Mexiko sind nicht nur wichtige Handelspartner für Deutschland, sondern nehmen auch wesentliche Rollen als politische Akteure in Lateinamerika ein, die seit langem mit der US dominierenden Führung in ihrer Region unzufrieden sind und eine Veränderung in der globalen Politikarena positiv gegenüberstehen – fern vom Protektionismus der Trump Regierung, hin zu einem offeneren Markt zentriert in Deutschland und der EU.

Iris Gleicke, Beauftragte der Bundesregierung für die neuen Bundesländer und für Mittelstand und Tourismus, erklärte kürzlich während eines Treffens mit ihrem mexikanischen Pendant, Enrique de la Madrid Cordero, Berlin sei überzeugt, dass „offene Märkte und zuverlässige Handelsbedingungen der richtige Ansatz sind anstatt Protektionismus.“ Ähnliche Stellungnahmen und Aussagen wurden während Treffen zwischen hochrangigen deutschen und mexikanischen Regierungsbeamten gemacht, unter anderem auch von Kanzlerin Merkel.

WARUM MEXIKO?

Deutschland und Mexiko verbindet mehr als nur ihre gemeinsame Kritik an Trumps protektionistische Politik. Beide Länder bemühen sich, ihre bilateralen wirtschaftlichen Beziehungen sowie kulturellen und sozialen Verbindungen zu stärken und vielfältig zu gestalten. Gleicke sieht die Entwicklung „in beiden Ländern sehr positiv und enormes Potential für Firmen auf beiden Seiten.“ Mexikos Appell an Deutschland ist bedeutend und keineswegs kurzfristig.

Regierungen und Unternehmen in Deutschland und der EU sehen Mexiko auf dem richtigen Weg, ein noch attraktiverer Standort für ausländische Investitionen von Investoren zu werden. Mexikos privilegierte geographische Position und ein starkes Entwicklungsmodell, macht das Land zu einen wichtigen Akteur im nordamerikanischen Freihandelsabkommen (NAFTA) und der entstehenden pazifischen Beziehungen – sogar, wenn NAFTA von der Trump Regierung stark kritisiert wird bzw. wurde.

Mexikos stetiges Wachstum, mit zahlreichen innenpolitischen Strategien zur Nachhaltigkeit, sowie die Liberalisierung des Energiesektors weckten das Interesse Deutschlands und der EU ihre wirtschaftlichen Investitionen im Land zu expandieren. Der Markt etablierte sich als außerordentlicher Standort für die Industrie, speziell zur Produktion deutscher Produkte von und für Lateinamerika.  Laut offizieller Seite des Bundesministeriums für Wirtschaft und Energie machen diese Rahmenbedingungen Mexiko für deutsche und europäische Investoren und Unternehmen interessanter als Standorte in Nachbarländern wie Brasilien und Argentinien.

Deutsche Investoren haben allerdings darauf hingewiesen, dass Mexiko kontinuierlich weitere Schritte unternehmen sollte, um seine Handelsinitiativen und Entwicklungsprogramme weiter auszubauen und zu verbessern. Dazu gehören insbesondere die Maßnahmen zur Verbesserung der Infrastruktur, die Förderung eines offenen Binnenmarktes und die Gewährleistung Vorschriften und Konditionen für ausländische Unternehmen transparent zu gestalten. Diese Anmerkungen verstärken die vergangenen Aufrufe, wie im Jahr 2016, die laufenden Verhandlungen für ein aktualisiertes Freihandelsabkommen zwischen der EU und Mexiko schnell und erfolgreich abzuschließen.

Derzeit werden rund 80% des mexikanischen Außenhandels mit anderen NAFTA-Ländern geführt. Merkel sowie andere hochrangige deutsche Regierungsvertreter sehen darin eine Chance, ein neues Abkommen zwischen der EU und Mexiko auszuhandeln und „das Land in der globalen Industrie Szene“ zu platzieren, nicht nur fokussiert auf den nordamerikanischen Markt. Die positiven wirtschaftlichen Möglichkeiten für Mexiko durch eine enge Beziehung mit Deutschland sind offensichtlich.

MERKELS WEG

Der größte Gewinn für Deutschland hingegen ist klar politisch orientiert. Kanzlerin Merkels Besuch in Argentinien und Mexiko wurde als „eine Darstellung Deutschlands politischer Bedeutung direkt vor Trumps Nase“ tituliert, und das nur einige Wochen vor seiner Teilnahme am G20 Gipfel. Der Zeitpunkt des Besuchs – und die offen dargestellte Solidarität mit Lateinamerika, speziell mit Mexiko – scheinen zeigen zu wollen, wie ernst die Meinungsverschiedenheiten Deutschlands und der EU mit der Regierung Trumps sind.

Deutschlands Angebot, Mexiko und Argentinien zu unterstützen, signalisiert die Entstehung einer engen, wirtschaftlichen Beziehung zwischen Europa und Lateinamerika, welche potenziell den nicht besonders freundlichen Einfluss der USA auf die Region ersetzen kann. Im Gegenzug ist es wahrscheinlich, dass von den lateinamerikanischen Staaten eine loyale Position gegenüber Deutschland und der EU bei Veränderungen an dem ehemals US-geführten internationalen politischen System erwartet wird.

Sollte nun Lateinamerika applaudieren oder von den Absichten und Maßnahmen der großen (übermächtigen) europäischen Macht verdächtig gegenüberstehen? Kommt Zeit, kommt Rat – eines ist sicher, die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ist auf dem besten Weg „der neue Führer der freien Welt“ zu werden und Argentinien und Mexiko waren sicherlich zwei würdige Stationen.

Dr. Emmanuel Gómez Farías Mata hat einen PhD in Regierung und öffentliche Verwaltung mit europäischen Erwähnung von der Universität Complutense Madrid, sowie einen Abschluss in Internationalen Beziehungen und Master in der öffentlichen Verwaltung und Public Policy von der Tecnológico de Monterrey, wo er den Master mit Auszeichnung absolvierte. Er hat zudem einen Abschluss in Jura (mit Auszeichnung) von der Universität Emilio Cardenas im Bundesstaat Mexiko sowie einen Master-Abschluss in Regierung und öffentlicher Verwaltung mit einem Fokus auf Public Management von der Universität Menéndez Pelayo-International.
Dr. Iván Farías Pelcastre ist ein Vacation Visiting Research Fellow am Rothermere American Institute an der Universität Oxford. Er war zuvor Gastwissenschaftler im Nordamerikanischen Studienprogramm am St. Antony's College, Universität Oxford, und Postdoktorand und Visiting Fellow an der Southern California Universität und ein Praktikant bei den Vereinten Nationen in New York, beide in den Vereinigten Staaten. Er promovierte in Politikwissenschaft und Internationale Studien und MSc Stadt- und Regionalstudien, beide von der University of Birmingham, Großbritannien und hat ein BA in Internationalen Beziehungen vom Tecnológico de Monterrey in Mexiko.
Die Autoren danken der freundlichen Hilfe von Katharina Wensauer, Bianca Mai und Martin Schmetz gerne für die Korrektur und Überprüfung der Übersetzung dieses Artikels ins Deutsch.

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