von Stefan Engert
Die "größte Sicherheitsoperation [Groß]Britanniens seit dem Zweiten Weltkrieg"? Afghanistan? Nein. Die Falkland Inseln? Auch nicht. Es ist Olympia 2012 in London [Welt online]. Die Sicherheitsmaßnahmen kosten den britischen Steuerzahlen eine Menge: 1 Mrd. GBP für Prävention [taz]. Noch beeindruckender als diese Zahlen sind allerdings die Maßnahmen, die angewendet werden, um Terroranschlägen vorzusorgen. Die Liste liest sich tatsächlich ein bisschen wie aus einem Kriegsgebiet kommend: Seit Samstag gilt – außer für Linienflüge – eine komplette Sperrung des Londoner Luftraums. Die Royal Navy darf mit ihren Typhoon-Kampfdüsenjägern und Lynx-Hubschraubern, die auf dem Flugzeugträger HMS Ocean in Mitten der Themse liegen, (als letztes Mittel) alle Flugobjekte abschießen, die sich absichtlich oder unabsichtlich in dieses Sperrgebiet verirren. Getreu dem zutiefst britischen Motto "My home is my castle" wird London sukzessive in eine Festung verwandelt, um die Sicherheit der Athleten und Zuschauer während der Spiele zu garantieren: Allein sechs Batterien Luftabwehrraketen wurden in der City aufgestellt; die Segelwettbewerbe werden durch amphibische Ladungsschiffe vor Terroranschlägen geschützt. Insgesamt 17.000 Soldaten, 12.000 Polizisten und 500 Geheimdienstler des MI-5 sind im Einsatz – das sind mehr Soldaten als das britische Kontingent in Afghanistan, wobei letzteres ohne Zweifel ein "echtes" Kriegs- bzw. Krisengebiet ist.
Übertrieben das Ganze? Nicht unbedingt: Seit dem Terroranschlag auf die Olympischen Spiele in München 1972 durch die PLO-Gruppe "Schwarzer September" sind Sicherheitsmaßnahmen leider auch von den Spielen nicht mehr wegzudenken und laut IOC-Präsident Jacques Rogge "Priorität Nummer eins" [FOCUS]. Sind die o. g. Anti-Terror-Maßnahmen effektiv? D. h. lösen sie wirklich ("objektiv") die projektierten Sicherheitsprobleme? Eine Frage für Experten. Diese sagen: Gegen ein kriegsähnlichen Terrorakt wie z. B. von Al-Quaida am 11. September 2001 in New York wirken sie vermutlich schon, nicht aber gegen einen Selbstmordanschlag durch die Bombe eines Einzeltäters wie z. B. auf die U-Bahnen und Busse am 7. Juli 2005 in London ("Rucksackbomber"). Darüber hinaus darf auch aus einer ganz anderen – "inter-subjektiven" – Perspektive bezweifelt werden, dass der Wunsch von Organisationschef Sebastian Coe in Erfüllung gehen wird, dass sich die Besucher der Spiele nicht wie in einem öffentlichen "Hochsicherheitstrakt" fühlen [FOCUS]. Die öffentlich breitgetretene Diskussion um die Anti-Terror-Maßnahmen und Bodenluftraketenstellungen scheint eher eine allgemeine Verunsicherung zu bewirken: Der private Sicherheitsdienstleister G4S, der für 284 Millionen GBP eigentlich die Organisation der allgemeinen Sicherheit garantieren wollte, musste letzte Woche überraschend kapitulieren: Das dazu notwendige (Zivil-)Personal konnte leider nicht rechtzeitig rekrutiert werden – trotz Einstellungsgesprächen, die teilweise nur 2 Minuten dauerten [Telegraph]. Coe beeilte sich zu versichern: "We will work very hard, we will remedy this. Security will not be compromised" [Guardian]. Die Konsequenz ist nun, dass kurzfristig sowie für alle sichtbar, die Army einspringen muss, um die entstandene Sicherheitslücke zu schließen. Wie immer, der Staat als der Restversicherer. Das schließt die Kontrolle der Taschen der Zuschauer durch Soldaten beim Einlass in die Wettkämpfe mit ein – das gab es noch nicht einmal bei den Spielen im autoritären China vier Jahre vorher.
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