Wie die US-Entertainment-Industrie über Botschaften ihre Interessen durchsetzt
von Martin Schmetz
Es ist allgemein bekannt, dass Botschaften als Repräsentanten ihrer jeweiligen Länder nicht nur politische sondern auch handfeste ökonomische Interessen vertreten. Die US-Entertainment-Industrie zeichnete sich hierbei in der Vergangenheit durch besondere Aktivität auf internationaler Ebene aus (es sei hier nur auf ACTA verwiesen). WikiLeaks macht es nun möglich, den Umfang dieser Lobbyarbeit nachzuvollziehen.In Spanien wurde Ende 2011 nach langem Kampf ein Gesetz verabschiedet, dass es ermöglicht Seiten, auf denen Filme, Musik o.Ä. zum Download angeboten werden, zu sperren. Dieses Gesetz kam überhaupt nur zu Stande durch eine Kombination geschickter Lobbyarbeit der Entertainment-Industrie in Spanien und tatkräftiger Beihilfe durch die USA, vor allem koordiniert über die amerikanische Botschaft in Madrid. Ars Technica bietet dazu bereits einen hervorragenden Überblick.
Spanien ist aber nur eins von vielen Beispielen für diese Taktik, wenn auch ein besonders krasses im Resultat (man könnte auch sagen: ein aus US-Sicht besonders erfolgreiches).
Italien etwa sieht sich ebenfalls reichlich amerikanischer Kritik ausgesetzt und das Thema Online-Piraterie wird als besondere Problemzone hervorgehoben: „For any ongoing collaboration to effectively deal with U.S. interests, however, copyright protection, particularly the issue of online piracy, will need to be included“ [Quelle]. Allerdings war auch das Vorstelligwerden von hohen amerikanischen Vertretern des Handelsministeriums oder des Patentamts bisher nicht von Erfolg gekrönt.
Und so befindet sich Italien auf der Special 301 Watch List, einem jährlich durch das Büro des US-Handelsvertreter angefertigten Reports, der eine Auflistung von Staaten enthält, die aus US-Sicht geistiges Eigentum nicht ausreichend schützen. Eine Liste, auf der übrigens auch Spanien steht – was im Vorlauf zur Verabschiedung des neuen Gesetzes angedroht (und umgesetzt) wurde, wohl um der Verabschiedung des Gesetzes auf die Sprünge zu helfen. Wird ein Staat auf diese Liste gesetzt, wird von amerikanischer Seite entschieden, ob der betroffene Staat genug tut, um von dieser zu verschwinden. Ist dies aus amerikanischer Sicht nicht der Fall, können Handelsstrafen verhängt werden oder vor der WTO gegen den Staat vorgegangen werden.
Auch in Taiwan wurde auf amerikanisches Betreiben hin aktiv gegen Onlinepiraterie vorgegangen. Als Problemzonen wurden dort vor allem Universitäten ausgemacht, aus deren Netz sich Studenten mit illegalen Downloads versorgen und innerhalb deren Netzen (spezifisch im TANet, dass alle Universitäten im Land verbindet) ebenfalls rege getauscht wurde.
Nachdem ein erster Versuch im Jahre 2001 gegen Studenten vorzugehen in massiven Protesten und der Versetzung der Ermittler endete, konzentrierte sich die Lobbyarbeit daher seitdem auf das Bildungsministerium, dass den „Campus Intellectual Property Action Plan“ verabschiedete, der Dateitauschen in den Netzwerken verbot und Industrievertretern die schnelle Entfernung entsprechender Inhalte ermöglichte. Nach weiterer Lobbyarbeit wurde dieser ursprünglich nur zeitlich begrenzte Plan dann 2010 ohne Auslaufdatum verlängert, allerdings noch nicht zur vollen Zufriedenheit:
Nicht nur Onlinepiraterie wird dabei beklagt, auch Open Source kann im Zuge dessen ins Fadenkreuz geraten; so geschehen in Thailand. Nachdem die Regierung dort bekannt gab, den IT Sektor fördern zu wollen und dies auf positives Echo aus den USA stieß, wurden entsprechende Treffen anberaumt, bei denen nicht nur Regierungs- sondern auch Unternehmens- und Lobbyverbandsvertreter von beiden Seiten zugegen waren.
Bei diesen Treffen wurde betont, dass die Pirateriebekämpfung scheinbar erfolgreich sei (denn die Quote der gestohlenen Software ging zurück), dies aber nicht dazu führen dürfe, jetzt Open Source zu unterstützen damit dies eine Alternative zu kostenpflichtiger Software würde, die man dann nicht mehr illegal beschaffen müsste:
und weiter:
Interessanterweise ist aber nicht jedes Vorgehen gegen Onlinepiraterie willkommen: Frankreich, sonst hoch gelobt als Land mit noch strikterem Vorgehen gegen Onlinepiraterie als die USA selbst [Quelle] machte sich erheblich unbeliebt mit dem Vorschlag, die Werbeeinnahmen von Google und anderen Anbietern zu besteuern. Die Begründung dahinter, nämlich dass diese Werbung auf Seiten mit illegalen Angeboten angezeigt und damit Geld verdient würde und mit dieser Steuer die Entertainment-Industrie ausgleichsfinanziert werden könnte, überzeugte scheinbar nicht:
Insofern ist der spanische Fall höchstens in seinem Erfolg überraschend, nicht aber im grundsätzlichen Ziel oder der Vorgehensweise. Und inzwischen scheint die Zeit ja auch reif für Webseitensperren in den USA selbst (siehe z.B. SOPA). Und wenn diese nicht kommen sollten, könnte das französische Three-Strikes-Gesetz als schönes Vorbild dienen, denn: „France is at the forefront of IPR protection in Europe and may, in the case of aggressive three strikes laws, may be more stringent than the U.S.“ [Quelle]
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