Die Anschläge in diesem Sommer in ganz Europa sowie der andauernde Kampf gegen den Islamischen Staat haben das Thema der Terrorbekämpfung auch in der Öffentlichkeit wieder ganz nach oben auf die Tagesordnung gesetzt. Ob nun auf Länderebene oder durch neue Maßnahmen auf Bundesebene und International - eine ganze Reihe weiterer Maßnahmen wurden beschlossen um die Terrorbekämpfung in Deutschland zu verbessern. Ebenso wurden auch in anderen Ländern neue Maßnahmen beschlossen, in Frankreich sogar der Ausnahmezustand bis Anfang 2017 verlängert. Gleichzeitig brachten die neuen Maßnahmen auch eine Diskussion über die Sinnhaftigkeit, Effizienz und Effektivität dieser Maßnahmen mit sich - und ebenso, wie weit eine demokratische Gesellschaft in ihrem Sicherheitsbedürfnis überhaupt gehen soll. An diese Diskussion soll diese von Prof. Daniel Heinke und Martin Schmetz konzipierte und organisierte Blogserie anschließen.
Die Bedrohungslage durch den islamistischen Terror scheint in vielen (westlichen) Ländern durchaus ähnlich. Daher soll zum einen ein Blick auf die Antiterrorstrategien in anderen Ländern geworfen werden, um Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszuarbeiten und einen Überblick zu geben: Wie handhaben andere Länder die Sicherheitsherausforderungen, die sich durch Terrorismus ergeben? Welche Strategien haben sich bewährt und welche bedürfen eines zweiten, kritischeren Blicks? Im Rahmen der Reihe werden unter anderem Erika Brady vom Handa Centre for the Study of Terrorism and Political Violence an der University of St Andrews über die englische und Milena Uhlmann über die französische Antiterrorstrategie schreiben. Barbara Korte von der Goethe-Universität Frankfurt am Main schreibt über die Antiterrorstrategie Chinas und ihre Entwicklung über die Zeit und Fabien Merz vom Center for Security Studies an der ETH Zürich analysiert die Antiterrormaßnahmen in der Schweiz.
Ebenso soll in der Reihe aber auch auf Herausforderungen und Aspekte der Terrorbekämpfung eingegangen werden, die sonst weniger Aufmerksamkeit in der öffentlichen Debatte erhalten: Martin Kahl vom Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik an der Universität Hamburg diskutiert in seinem Beitrag, ob sich eine weitere, europaweite Vernetzung von polizeilichen Datenbanken überhaupt lohnen. Holger Marcks von der Goethe-Universität Frankfurt am Main wird in seinem Beitrag das Problem der "lone wolf"-Terroristen, also von scheinbar isoliert handelnden Tätern, diskutieren. Martin Schmetz, ebenfalls von der Goethe-Universität Frankfurt am Main, schreibt über die Thematik von Cyberterror und der Sicherheit ziviler Infrastruktur.
Zusammen mit weiteren Beiträgen soll die Reihe so einen Überblick über Terrorbekämpfung in verschiedenen nationalen Kontexten bieten und so zusammen mit der Diskussion weiterer Herausforderungen die Debatte in Deutschland bereichern.
An analysis of the UK’s Counter-Terrorism Strategy, CONTEST, and the challenges in its evaluation
by Erika Brady
The UK’s Counter-Terrorism strategy, known as CONTEST, is recognized as one of the most successful soft-focus strategies in the world, with an intended emphasis on community support and what have become known as ‘Prevent’ (or counter-extremism) measures. In all, there are four limbs to CONTEST: PREVENT, PROTECT, PURSUE and PREPARE. While there is much crossover between these areas, for example policing activities take place in all four limbs, each one has a specific focus with its own intrinsic goals. This article intends to provide an overview of CONTEST, and to explore the challenges of evaluating counter-terrorism strategies in general. In doing so, I intend to show that while robust and independent evaluation of CONTEST has not been undertaken from a quantitative approach, some level of evaluation has taken place and can be taken into consideration when moving forward with future analysis of the strategy.
Wird schon helfen – Datenbankfusion zur Terrorbekämpfung
von Martin Kahl
Mehr Geld für BND und Verfassungsschutz, bessere Vernetzung der europäischen Datenbanken, die Schaffung eines Ein- und Ausreiseregisters, die Übermittlung von europäischen Fluggastdaten an die Sicherheitsbehörden der EU-Mitgliedsstaaten, mehr Videoüberwachung, Kennzeichenlesesysteme, Biometrie – und vieles mehr. Detaillierte Angaben dazu, ob die angepeilten Maßnahmen überhaupt wirksam sind, werden selten gegeben. Politische Entscheidungsträger denken sich in der Regel nicht selbst aus, was gebraucht wird, vielmehr werden von den Sicherheitsbehörden Bedarfe angemeldet, die ihrer Arbeitslogik entsprechen. Und die sagt im Zweifelsfall: mehr hilft mehr. So sind im Zuge der Bekämpfung des Terrorismus im Laufe der letzten 15 Jahre unzählige verdachtsabhängige und verdachtsunabhängige Maßnahmen ergriffen worden. Allein auf Ebene der EU waren es mehr als 250.
Chinas interner Kampf gegen den Terrorismus
von Barbara Korte
Am 27. Dezember 2015 verabschiedete der Ständige Ausschuss des Nationalen Volkskongresses das erste Antiterrorgesetz in der Geschichte der Volksrepublik China (VRC). Damit wurde eine über 25 Jahre erarbeitete umfangreiche Antiterrorstrategie zu Papier gebracht und mit ihr endlich eine verbindliche rechtliche Definition von „Terrorismus.“ Bereits gängige Praktiken wie öffentliche Medienzensur oder die Verpflichtung von Telekommunikationsunternehmen und Internetprovidern zur Bereitstellung von Inhaltsdaten wurden formalisiert und verschärft, sowie auch die Mobilisierung zivilgesellschaftlicher Organisationen auf eine rechtliche Grundlage gestellt. Allerdings stellt das Gesetz nur den finalen, formalen Schritt einer fünfundzwanzigjährigen Entwicklung dar. Tatsächlich kämpft Beijing seit Anfang der 1990er Jahre in der Provinz Xinjiang mit einer Mischung aus separatistisch und islamistisch motivierter politischer Gewalt, an deren Spitze seit spätestens 2008 das East Turkestan Independence Movement (ETIM) steht. ETIM weist ideell und organisatorisch eine Nähe zu Al Qaeda auf, und arbeitet transnational mit der Islamischen Bewegung Usbekistans, Tehrik-i-Taliban (Pakistan) und der al-Nusra Front (Syrien) zusammen.
Switzerland’s response to the new terrorist threat
by Fabien Merz
Since 2013, the Swiss Federal Intelligence Service (FIS) has warned of a heightened threat emanating from jihadi terrorism in Switzerland. According to FIS’s assessment, the threat has continuously risen since then and reached a new high in 2016. This is a new situation for a country that has, since the two attacks conducted by Palestinian groups targeting an El Al airplane in Kloten in 1969 and the bombing of a Swissair machine in 1970, remained largely unscathed by terrorism. This has remained true even in the decade after 9/11 when a wave of jihadi terrorism inspired and often directed by al-Qaeda struck urban centers in Europe and elsewhere on multiple occasions.
Impulse aus dem Fall Jabir al-Bakr: Flüchtlinge in neue Sicherheitsstrategien mit einbinden!
von Philipp Holtmann
Flüchtlinge in eine neue Sicherheitsarchitektur einzubinden ist billiger und effektiver als ein Überwachungsstaat oder der Einsatz der GSG 9 bei jedem Verdachtsfall. Der Fall des Terrorverdächtigen von Chemnitz hat auf deutlichste Weise gezeigt, dass Behörden große Schwierigkeiten damit haben, die Bildung von Kleinst-Terrorzellen zu verhindern. Sie bekommen ihre Informationen zu oft ex-post, oder warten zu lange mit dem Zugriff. Daher muss an besseren Präventions- und Notfallmechanismen gearbeitet werden. Dies hat allerdings viele Facetten : Jugend- und Informationsprogramme, eine effektive Bekämpfung der Jihad Online Propaganda und die aktive Einbindung von Flüchtlingen und ihren Netzwerken in die Terrorismusprävention und in Notfall-Strategien.
Terrorismusbekämpfung in muslimischen Staaten: zwei Fallbeispiele
von Rüdiger Lohlker
Wird von Terrorismusbekämpfung gesprochen, ist der Fokus auf nationale Problemlösungen gerichtet. Bei modernen Formen des Terrorismus handelt es sich zumeist um transnationale Phänomene, denen auch transnational begegnet werden muss. Zwei Beispiele zeigen die Probleme, die aus einer nationalen Beschränkung entstehen.
Hacker sind Terroristen oder wieso die Debatte um IT-Sicherheit in Deutschland schief läuft
von Martin Schmetz
Der angebliche Hack von etwa 900.000 Telekomroutern hat in Deutschland das Thema IT-Sicherheit wieder einmal auf die Tagesordnung gesetzt. In den folgenden Tagen kristallisierte sich heraus, dass der Ausfall der Router mit Internetkriminalität in Verbindung stand. Dabei hätte es bleiben können, aber es sollte nicht lange dauern, bis das ebenfalls immer aktuelle Reizthema Terrorismus mit den Vorfällen in Verbindung gebracht wurde: Rainer Wendt, Bundesvorsitzender der Deutschen Polizeigewerkschaft, ließ im Zuge des angeblichen Hackerangriffs folgendes verlautbaren: "Cyber-Kriminalität ist Terrorismus."