Kommunikativer Staat im Krisenfall

von Julian Junk

Im Verhältnis zwischen Staat und Öffentlichkeit ist Kommunikation immer wichtig; besonders zentral wird sie aber, wenn es um den Umgang mit Risiken geht. Risiken sind zumeist schwer abzuschätzen, schwer zu greifen. In einer Welt zunehmender medialer Vernetzung können selbst kleine oder weit entfernte Risiken zu großen Gefahren werden, welche die kommunikative Vertrauensbasis zwischen Staat und Öffentlichkeit massiv stören können.

Der Frage nach Erfahrungen und guten Standards staatlicher Risikokommunikation widmete sich eine Fachtagung des Bundesministeriums des Innern und des Forschungsforums Öffentliche Sicherheit unter dem Titel "Staatliche Risikokommunikation – Erwartungen, Transparenz, Vertrauen" am 17. Oktober 2011 in Berlin.

Was macht gute Risikokommunikation aus? Elmar Theveßen (ZDF) fasste zusammen, dass Kommunikation im Falle von Krisen in für staatliche Organe wie für Pressevertreter sehr ähnlichen Grundregeln folgt, die man auch auf Risikokommunikation im weiteren Sinne übertragen könne. Kommunikation bedarf weniger einer politik-strategischen Ausrichtung sondern einer Balance aus den folgenden Dimensionen: Geschwindigkeit, Verständlichkeit, Konsistenz und Wahrhaftigkeit. Dies bildet die Basis einer vertrauensvollen Kommunikationsbeziehung, welche während der gesamten Konferenz immer wieder als gleichermaßen zentral (zur Bewältigung von Krisen) wie fragil (Vertrauen ist deutlich schneller gestört als hergestellt) hervorgehoben wurde.

Weite Teile der Tagung befassten sich mit dem Zusammenspiel zwischen Krise und Risiko auf der einen Seite und Öffentlichkeit auf der anderen. Als gegenseitig abhängige Mittler sehen sich, laut den ersten Beiträgen der Tagung, sowohl der Staat als auch die Medien. Kritisch diskutiert wurde insbesondere, ob der Staat sich wirklich den Regeln der Mediengesellschaft unterwerfen soll, welcher Verantwortung Journalisten, Beamte und Politiker hinsichtlich der Selektion von Wichtigen und Unwichtigen unterliegen und welche Befähigungen hierzu notwendig sind. Prof. Dr. Christoph Gusy (Universität Bielefeld) stellte diese Schwierigkeit im Umgang mit der Ubiquität von Risiken ins Zentrum seiner Ausführungen.

Kontrovers diskutiert wurde in diesem Zusammenhang die Spannung zwischen einer top-down-Kommunikation eines beschützenden und kontrollierenden Staates und einer bottom-up-Kommunikation einer pluralen Öffentlichkeit. Die provokante These von Herrn Dr. Jens Peter Paul (Berlin), dass man sich im Krisenfall durchaus dem sich selbst ordnende Chaos der öffentlichen Einordnung der Gefahr unterwerfen sollte [Vortrag], wurde sehr kritisch aufgenommen. Die meisten Diskussionsteilnehmer nahmen dann doch eher eine top-down-Perspektive der aktiven Kommunikationssteuerung ein.

Es blieben jedoch einige Aspekte unterbelichtet (leider auch ein Spiegel der aktuellen empirischen Forschungslandschaft, wie Prof. Dr. Georg Ruhrmann (Universität Jena) in seinem Vortrag deutlich machte): wenig bis gar nicht thematisiert wurde einerseits, ob, wie und wann Medien und der Staat selbst zum Risiko werden (siehe die kontroversen Debatten um den Staatstrojaner oder das Leaking von Regierungsdokumenten), und andererseits, welche verstärkenden/abschwächenden oder beschleunigenden/verlangsamenden Effekte von dieser Krisen- und Risikokommunikation ausgehen kann. Selten kam es zu hier zu einer kritischen Selbstreflexion der Vortragenden über ihre eigenen Institutionen, seien sie das Bundesministerium des Innern oder seien es andere nachgeordnete Bundesbehörden.

Weiterhin gab es eine bemerkenswerte Tendenz, sich an tatsächlichen, eher schärfer konturierten Krisen und nicht an schwer zu greifenden Risiken abzuarbeiten; wohltuende Ausnahmen stellten hier die Vorträge von PD Dr. Gaby-Fleur Böl (Bundesinstitut für Risikobewertung) und  Wolfram König (Bundesamt für Strahlenschutz) dar. Zu guter Letzt fiel auf, dass einerseits die Schwierigkeiten des Handelns in einer immer globaler und enger vernetzten Welt beklagt wurden, andererseits der Blick selten über die bundesdeutsche Grenze hinausging: welche Erfahrungen gibt es eigentlichen in anderen Staaten? Welche Erfahrungen können Entscheidungsträger in Deutschland daraus ziehen? Diese Fragen blieben unbeantwortet. Dass die kommunikative Beziehung zwischen Krise/Risiko, Staat/Medien und pluraler Öffentlichkeit ein essentieller Baustein für die Legitimität eines jeden politischen Systems ist, wurde aber deutlich – kein neuer Befund, aber einer, der in einer sich schnell wandelnden, globalisierten Welt vermehrten Handlungsdruck erzeugen dürfte.

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