Jordanien hat gewählt, und die Wahl verlief nach Einschätzung der unabhängigen Wahlkommission und internationaler Beobachter weitestgehend transparent und erfolgreich. Die Wahlbeteiligung lag bei 56% und fiel damit höher als 2010 und 2007 aus - ein Ergebnis, mit dem im Vorfeld nur wenige gerechnet hatten. Bei der Zahl handelt es sich jedoch um 56% der registrierten Wähler und nicht der Wahlberechtigten insgesamt. Nur 70% der Wahlberechtigten hatten sich zuvor registriert. Und dennoch, das Regime sieht sich in Anbetracht der Zahlen als Gewinner der Wahl und in der Art und Weise, den politischen Reformprozess zu gestalten, bestätigt. Verlierer scheinen die Islamisten und weitere Oppositionsparteien zu sein, weil es ihnen nicht gelungen ist, den Boykott und ihre Kritik zum Hauptthema der Wahl zu machen.
Erst knapp eine Woche nach den Wahlen wurden die offiziellen Ergebnisse veröffentlicht. Königstreue, Stammesvertreter und loyale Geschäftsleute konnten beinahe 80% der Parlamentssitze gewinnen, über die Hälfte der Parlamentarier war bereits im alten Parlament vertreten. 19 Sitze (13%) gingen an Frauen. Interessant ist ein Blick auf die Wahlbeteiligung in den verschiedenen Bezirken des Landes, die die Aufspaltung der jordanischen Gesellschaft entlang ethnischer und geographischer Linien widerspiegelt. So war die Wahlbeteiligung insbesondere in den ländlichen, von Stämmen dominierten Gebieten hoch, die geringste Beteiligung verzeichneten die Städte Zarqa, Irbid und Amman, wo nur knapp 40% zur Wahl gingen. Die städtischen Bezirke sind im Parlament unterrepräsentiert, denn nur ein Drittel der Parlamentssitze werden durch die städtische Bevölkerung gewählt, wenngleich zwei Drittel der Jordanier in Städten lebt, in denen sich die Mehrheit der Jordanier palästinensischer Abstammung konzentriert (rund 60% der Gesamtbevölkerung).
Wirklich repräsentativ ist das neue Parlament auch deshalb nicht, weil die Opposition nicht vertreten ist. Für politische Parteien und Listen waren von 150 nur 27 Mandate reserviert, mit drei Mandaten gewann die moderat-islamische Partei Al Wasat die meisten Sitze, die Listen „Homeland“, „Stronger Jordan“ und „National Union“ jeweils zwei Sitze und 18 weitere Parteien jeweils einen Sitz. Die Zahlen zeigen, dass Koalitionen kaum realisierbar sind. 123 Sitze werden ohnehin durch unabhängige Kandidaten besetzt und die Wahl war auch diesmal höchst personalisiert. Vier der Kandidaten, die vor den Wahlen wegen Stimmenkauf festgenommen wurden, wurden ins Parlament gewählt.
Der König hat angekündigt, seine Minister zukünftig nicht mehr alleine, sondern in Konsultation mit einer Mehrheit des Parlaments zu bestimmen, wenngleich er sich das letzte Wort offen hält. In einem Brief an das Volk gratulierte er diese Woche zu dem erfolgreichen Wahlablauf und bezeichnete die Wahlen als „qualitative leap and shining milestone in Jordan’s political history and democratic process“. Anfang Februar soll das 17. Parlament seine Arbeit aufnehmen. Ob dieser Reformkurs des Herrscherhauses tatsächlich dieLage dauerhaft beruhigen kann, wird sich erst mit der Zeit zeigen.