von Christopher Daase
Bild: Drone, Green Light von Truthout.org unter CC BY-NC-SA 2.0
Zu jedem Krieg, den die USA geführt haben, gibt es mindestens eine Rede, mit der der jeweilige Präsident die Kriegsgründe erläutert, die militärischen Ziele beschreibt und den Gewalteinsatz rechtfertigt. Zum Drohnenkrieg, den US-Präsident Obama drastisch ausgeweitet hat, gibt es so eine Rede nicht. Das mag daran liegen, dass Drohnen in ganz unterschiedlichen Konflikten eingesetzt werden und es sich mehr um eine neue Form der Kriegsführung handelt, als um einen bestimmten Krieg. Es könnte aber auch daran liegen, dass die normative Rechtfertigung des Drohnenkrieges schwerfallen und einer öffentlichen Debatte nicht standhalten würde – oder der Präsident und seine Berater dies glauben – und sie deshalb die Publizität scheuen.
Auch in Deutschland ist die Debatte um Drohnen merkwürdig ruhig und eher von apodiktischen Statements geprägt als von normativen Problematisierungen. Ein Problem scheint zu sein, dass viele Theoretiker – auch in diesem Forum – der Kraft des besseren (normativen) Arguments nicht mehr viel zutrauen. Herfried Münkler meint, dass in postheroischen Gesellschaften moralische Argumente gegen den Siegeszug der Drohnen als „Waffe des 21. Jahrunderts“ keine Chance haben. Auch Niklas Schörnig befürchtet, dass mit einigen klaren Worten der Regierung „die deutsche Debatte über die ethische Dimension von Drohnen im Sande verlaufen“ würde. Besonders problematisch scheint mir, dass auch von (potentiell) kritischer Seite – wie von Detlef Buch – die Schwelle für eine breite Beteiligung an der öffentlichen Diskussion wegen der angeblichen Komplexität der Materie so hoch gesetzt wird, dass nur noch eine kleine Gruppe von Experten qualifiziert über den Einsatz von Drohnen diskutieren darf.
Keine Frage, die Drohnenproblematik ist komplex. Aber Komplexität darf nicht dazu herhalten, den öffentlichen Diskurs einzuschränken oder den politischen Entscheidungsträgern die Rechtfertigungspflicht zu erlassen. Rechtfertigungspflicht besteht auf drei Ebenen, der rechtlichen, der ethischen und der politischen.
Auf der rechtlichen ist die Frage: was ist völkerrechtlich legal? Hier hat Niklas Schörning zu Recht darauf hingewiesen, dass Drohnen im Rahmen geltenden Kriegsrechts zulässig sind. Das gilt freilich nicht für ihren völkerrechtswidrigen Einsatz zur gezielten Tötung von Kämpfern und Zivilisten in dritten Ländern, wie es gegenwärtige Praxis der USA ist. Allerdings scheinen mir die Argumente, dass der Besitz bewaffneter Drohnen über kurz oder lang auch die Bundeswehr dazu zwingen würde, sich an dieser Praxis zu beteiligen, wenig stichhaltig, jedenfalls nicht zwingend, zu sein.
Auf der ethischen Ebene geht es um die Frage politischer Verantwortung. Ist es legitim, mit Hilfe von Drohnen die Risiken der Kriegführung für die eigenen Soldaten auf Null zu minimieren und die einzelnen Kampfhandlungen dabei zunehmend Maschinen zu überlassen, die für ihre „Handlungen“ – und eventuelle Fehler und Opfer unter der Zivilbevölkerung – nicht verantwortlich gemacht werden können? Es mag zutreffen, dass mit jeder neuen Generation von Drohnen ihr Grad an Autonomie zugenommen hat, wie Christian Weidlich schreibt. Aber dies ist kein Automatismus, sondern politisch gewollt – und deshalb auch politisch bestreitbar. Tatsächlich stellt sich die Frage der Verantwortung beim Einsatz von Drohnen in besonderer Weise, weil die Zurechnung auf menschliche Handlungen schwieriger wird und die Verantwortungsdiffusion in der Sicherheitspolitik zunimmt. Man könnte allerdings (und sollte vermutlich) im gleichen Maße, in dem die rechtliche Verantwortung einzelner Soldaten sich verflüchtigt, die politische Verantwortung von sicherheitspolitischen Entscheidungsträgern einklagen. Vielleicht ist Barack Obama auch deswegen so schweigsam, weil er weiß, dass letztlich er selber für die gezielten Tötungen durch Drohnen verantwortlich ist.
Auf politischer Ebene stellt sich nicht die Frage nach Legalität oder Legitimität, sondern die nach Klugheit. Ist es klug, den Krieg durch den Einsatz von Drohnen so weit zu vereinseitigen – oder zu re-symmetrisieren, wie Münkler sagt – dass er auch Nicht-Muslimen als ungerecht erscheinen muss? Es ist müßig, die Diskussion um Henne und Ei aufzunehmen und zu fragen, wer den Krieg zuerst asymmetrisch geführt hat und wer ihn „re-symmetrisiert“, die Terroristen oder die USA (wenn ich einmal hier so verkürzt sprechen darf). Klar ist, dass der asymmetrische Drohnenkrieg den asymmetrischen Terror zu rechtfertigen in der Lage ist – was in den USA zumindest von der Filmindustrie bereits erkannt worden ist – und den radikalen Gruppen neuen Zulauf beschert.
Auf allen drei Ebenen, der rechtlichen, der ethischen und der politischen, muss differenziert (und differenzierter als hier) argumentiert werden. Dabei können sich die Argumente auf den unterschiedlichen Ebenen widersprechen. Was legal und legitim ist, muss nicht klug sein; was legitim und klug ist, kann illegal sein; und was klug und legal ist, kann sich als illegitim herausstellen. In welcher Weise das die Entwicklung und den Einsatz von Drohnen beeinflussen sollte, muss zum Gegenstand einer breiten öffentlichen Debatte gemacht werden. Barack Obama schuldet uns eine Rede zum Drohnenkrieg. Und an uns selbst liegt es, die Rechtfertigungen der amerikanischen, der deutschen oder jeder anderen Regierung anzunehmen oder zurückzuweisen.
Um eine gehaltvolle Debatte zu führen, braucht man etwas Glaube am System und an die Informationen, die einem zur Verfügung stehen. Aber ich bin mir nicht sicher, dass diese Bedingungen gegeben sind. Zu den Infos: die App, die die Drohnenangriffe aufzeigen sollte, würde warum auch immer aus dem Verkehr gehalten; der Krieg im Irak (und ja, es ist noch im Diskurs mit Drohnen eng verbunden) wurde aufgrund Massenvernichtungswaffen geführt, die es nicht gibt; Pakistan ist irgendwie Alliierte und gleichzeitig Heimat für einige der Schlimmsten von Denen da Drüben; Lybien & Ägypten sind “frei” aber trotzdem ziemlich unfreundlich. Die Lage ist zu komplex – oder zu verschwommen dargestellt – oder einfach nicht logisch verständlich, was zu Desorientierung führt. Womit soll man mit der Debatte anfangen, wenn man weiß, dass wichtige Infos fehlen werden, einige vorhandene Infos wahrscheinlich falsch sind (welche?), und es weder ein klarer Feind Drüben, noch ein deutliches Gefühl, wer zu Uns gehört, noch ein klares Ziel Unserseits gibt.
Zum System gibt es auch gute Gründe für Missvertrauen. Die Parlamente armer Europäer stimmen ab, und deren Wille wird abgelehnt. Die heimische *Geheim*dienste scheinen so gut es geht heimische Naziterror verheimlichen zu wollen. Zahlen für Flughäfen und Bahnhöfen werden scheinbar mit Absicht falsch angegeben und erst richtig bekanntgegeben wenn die Lage schon die Station der Alternativlosigkeit erreicht hat. Das Fleisch ist nicht mal richtiges Fleisch, und die Täuschung wird erst Monaten nach der Entdeckung bekannt gegeben. Das scheinen zwar sehr unterschiedliche Phänomenen zu sein, aber was für Glaube kann dieses Gesamtbild noch erzeugen? Wie hier gesagt wird, gibt es bereits Gesetze gegen den tödlichen Einsatz von Drohnen außerhalb eines Krieges, aber das Recht gilt nicht gleichermassen für alle, und hat wenig rechtliche Character (kein sic). Selbst wenn man die richtigen “faktischen” Koordinaten für eine Debatte über den Einsatz von Drohnen hätte, kann man noch daran Glauben, dass eine breite öffentliche Meinung partikulärer Interessen noch trumpfen kann?
Eine öffentliche Debatte als dezentralisiertes Deliberationsverfahren in einem demokratischen Kontext ist eine tolle Idee, aber can you get there from here?