Von Stefan Kaufmann
Logo der Blogreihe: Vulnerability von Daniel Kulinski von Daniel Kulinski unter CC BY-NC-SA 2.0
Wie das Nachhaltigkeitskonzept ist Resilienz alternativen Politikentwürfen entsprungen und schließlich in den politischen Mainstream und herrschende Politiken eingegangen. Wie für Nachhaltigkeit gilt für Resilienz: umstritten ist weniger das ob, denn die Frage der programmatischen Füllung.
Als alternative Strategie wurde Resilienz in einer Studie für das Pentagon als Antwort auf geopolitische Abhängigkeiten ins Spiel gebracht, die sich in der Ölkrise der 1970er Jahre manifestierten. Die Autoren, Armory und Hunter Lovins, zeigten, dass die enorme Störanfälligkeit der Energieinfrastruktur – durch Unfälle oder Anschläge – Effekt der dominanten Energie- und Infrastrukturpolitik sei. Ihre Analyse steht exemplarisch für ein Denken, das die prinzipiellen Grenzen der Sicherheit und Verlässlichkeit großtechnischer Systeme ins Zentrum stellt, das Monopolstrukturen, ob im Bereich Energie oder Informationstechnologie, als Sicherheitsrisiko ansieht; ein Denken, das zur prinzipiellen planerischen Vorsicht mahnt, das dazu anhält, Ungewissheit und Nicht-Kalkulierbares immer schon in Rechnung zu stellen. Entsprechend verbindet sich mit Resilienz die Programmatik der Suche nach alternativen Pfaden, nach kleinen, dezentralen, diversifizierten Lösungen, und nach Politiken, die sich jenseits dominanter ökonomischer Logik bewegen.
Überlegungen zu grundsätzlichen Alternativen scheinen in den gegenwärtigen Konjunkturen der Resilienzdebatte jedoch zunehmend von anderen Praktiken überlagert. Die Planungs- und Kontrollskepsis angesichts prinzipieller Ungewissheiten in komplexen Systemen wird durch avancierte Risikoanalysen und -modellierungen wie durch IT-gestützte Krisensimulationen und -lösungsangebote verdrängt. Ob in Stromnetzen, im Luftverkehr oder in Computernetzen: wo als alternative Vorbeugung gegen unliebsame Überraschungen Entkopplung und Entflechtung vorgeschlagen wurde, werden etablierte technische und ökonomische Pfade beibehalten; nicht auf eine Reduktion von Komplexität, sondern auf komplexere Kontrolle wird gesetzt. Ähnlich auch verkürzt das ingenieurstechnische „Security by design“ die Strukturfragen auf das Problem der „Härtung“ von Systemen durch avancierte Anlagendesigns, Materialien und Überwachungstechnologien. Wo die alternativ gespeiste Resilienzdiskussion Widersprüche zwischen Sicherheit und ökonomischer Effizienz im Infrastrukturbetrieb betonte, werden nun an betriebswirtschaftlichen Gesichtspunkten orientierte Leitlinien zur business continuity ausgegeben. Insofern scheinen auch Appelle, die Bevölkerung müsse sich mit neuen Risiken auseinandersetzen, in unterschiedliche Richtungen zu laufen. Resilienz wird bei Lovins und Lovins an eine ausdifferenzierte gesellschaftliche Diskussion und Partizipation an Entscheidungen über Technologiepolitik gebunden. Angesichts anhaltender Privatisierungsbestrebungen lässt sich der Appell an die Krisenresistenz der Bevölkerung hingegen im Kontext einer Umverteilungsstrategie von Schutzaufgaben lesen, die weder Staat noch Unternehmen zukünftig leisten wollen.
Pointiert könnte man sagen, dass Resilienz zum einen für eine sicherheitspolitisch begründete Kehrtwende gesellschaftlicher Entwicklungspfade motivieren soll, zum anderen für die Fortschreibung von klassischem Planungs- und Kontrolldenken, für die Ausweitung der Privatisierung von Gemeinschaftsaufgaben sowie für die Intensivierung von Überwachung und Kontrolle.