„Wie man in den Wald hineinruft…“: Die Überraschung über chinesische Hyperschallwaffen ist naiv

von Marco Fey

Letzte Woche hat China ein neues strategisches Trägersystem getestet. Dabei handelte es sich nicht um eine herkömmliche ballistische Rakete, sondern um einen Hyperschall-Flugkörper, der offenbar die zehnfache Schallgeschwindigkeit (etwa 12.350 km/h) erreichte. Die Aufregung in Washington war groß – zumindest in konservativen Kreisen. 

Drei führende Mitglieder des Streitkräftekomitees im Abgeordnetenhaus, „Buck“ McKeon, Randy Forbes und Mike Rogers, allesamt Republikaner, veröffentlichten nach dem chinesischen Test folgendes Statement:

While round after round of defense cuts have knocked America’s technological advantage on its back, the Chinese and other competitor nations push towards military parity with the United States; in some cases, as in this one, they appear to be leaping ahead of us. This situation does nothing to support peaceful coexistence in the Pacific. […] The Asia Pacific is fast becoming a powder keg. Allowing nations that do not share our respect for free and open avenues of commerce to gain a strategic advantage over the United States and her allies only brings us closer to lighting the fuse.

Dass China an der Entwicklung solcher Waffensysteme arbeitet, dürfte allerdings niemanden überraschen; die zwei strategischen Wettbewerber, Russland und Indien, haben eigene Hyperschall-Programme. Das Rennen um „Prompt Global Strike“ (PGS) haben jedoch die USA selbst eröffnet. Durch PGS soll die Bombardierung eines Ziels, egal wo auf der Erde, innerhalb von nur einer Stunde ermöglicht werden. Seit 2003 arbeiten Air Force und die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) sowie die Army zu diesem Zwecke an der Entwicklung von  Hyperschallträgersystemen. Drei Tests wurden seither durchgeführt, mindestens einer gilt als erfolgreich. Die Überraschung über das chinesische Programm im US-Streitkräfteausschuss ist daher allenfalls naiv.

Das chinesische Hyperschallprogramm muss jedoch auch im Kontext eines anderen Rüstungswettlaufs gesehen werden, nämlich als Reaktion auf US-Raketenabwehrpläne. Diese versetzten China schon in den 1990er Jahren, spätestens jedoch seit der Stationierung erster bodengestützter Abwehrraketen unter Präsident George W. Bush, in Sorge über die eigene Zweitschlagkapazität. Das chinesische Nukleararsenal ist relativ klein; es umfasst derzeit ca. 250 Sprengköpfe und davon können nur etwa 40 das Festland der USA erreichen. Die, so die Befürchtungen chinesischer Strategen, könnten selbst mit einem beschränkten Raketenabwehrsystem abgefangen werden. Hyperschall-Trägersysteme aber sind zu schnell für die gegenwärtige Generation amerikanischer Abwehrraketen und daher in der Lage, den Raketenabwehrschirm zu durchdringen.

Die FAZ schrieb gestern zwar zum chinesischen Test: „Hyperschallwaffen gelten als destabilisierende Systeme, weil Raketenabwehrsysteme nichts gegen sie ausrichten können.“ Tatsächlich ist jedoch die US-Raketenabwehr das destabilisierende System. Bei allen strategischen Implikationen, die Hyperschallwaffen mit sich bringen, ist es gerade die Fähigkeit, Raketenabwehrsysteme zu durchdringen, die ein Maß an strategischer Stabilität zwischen den USA und China gewährleisten könnte.

Marco Fey (@marco_fey) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung (HSFK). Er beschäftigt sich mit Rüstungskontrolle und amerikanischer Außen- und Sicherheitspolitik. [weiter]

4 Kommentare

  1. Guter Beitrag!
    Interessant, insbesondere der Hinweis das die Bedrohung von der neuen Raketenabwehr ausgeht. In wieweit spielen eigentlich Raketenabwehrwaffen auf Wellenbasis eine Rolle? Diese wären doch von der Geschwindigkeit (elektromagnetische Wellen) immernoch in der Lage anfliegende Hyperschallwaffen rechtzeitig zu vernichten.
    Wäre hier die Taktik mit einer unzahl von Geschossen vorzugehen eigentlich noch von Erfolg gekröhnt?

    • Vielen Dank!
      Die USA setzen derzeit ausschließlich auf “hit to kill”-Technologie, also die Zerstörung von Raketen durch die Übertragung kinetischer Energie beim Aufprall einer Abfangrakete.
      Einen guten Überblick über die aktuellen Raketenabwehrprogramme gibt:
      http://www.armscontrol.org/factsheets/usmissiledefense

      • Stimme der Antwort zu.

        Moskau hat ein Raketenabwehrsystem (gehabt?), das mit taktischen Nuklearsprengköpfen ausgestattet ist (war?) und somit nicht nur die explosive sondern auch die elektromagnetische Wirkung gegen Projektile und Sprengköpfe nutzen kann (konnte?).

        ( Ich finde aber bei Betrachtung neuester taktischer Neutronen- und Nuklearwaffen ist nicht auszuschließen, dass Kleinstsprengköpfe auf Abwehrraketen montiert werden (könnten). )

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