von Stefan Engert
So schnell ändert sich der Fokus und die Stimmung: Eben noch die Freude über die demokratische Machtübernahme des Maidan in Kiew, heute schon die Sorge um die Halbinsel Krim und viel mehr noch: der drohende Regionalkonflikt – vielleicht sogar Krieg – zwischen Russland und der Ukraine.
Zunächst zur Frage der Legalität der Intervention Russlands auf der Krim: Geschenkt ist geschenkt und wiederholen ist gestohlen – so einfach ist das. 1954 hat der „Oberste Sowjet“ in einem inner-sowjetischen Verwaltungsakt die Krim-Region aus der der Sowjetrepublik Russland aus- und in die Sowjetrepublik Ukraine eingegliedert. Hauptsächlich, so scheint es, aus rein verwaltungspragmatischen Gründen. Die Krim war historisch gesehen nach der Zeit der Osmanen immer eher russisch als ukrainisch geprägt. Und da sich Identitäten nur langsam ändern, spiegelt sich das auch heute noch in der Bevölkerungsverteilung auf der Krim wieder: Die Halbinsel bewohnen ca. 60 bis 70 Prozent Russen, 10 bis 20 Prozent Ukrainer und ca. 10 Prozent Tartaren.
Sewastopol, der strategisch wichtige Stützpunkt der russischen Schwarzmeerflotte war als Festung sowohl im Krimkrieg als auch im Zweiten Weltkrieg hart umkämpft und ist zu einem Symbol für die Resilienz Russlands gegenüber externen Invasoren und Einflussnehmern geworden. Aber – und das ist bei allem Verständnis für Geschichte und gewachsene Identitäten das Entscheidende: Seit dem Ende der Sowjetunion ist die Autonome Republik Krim mit ihrer Hauptstadt Simferopol nun mal Teil der unabhängigen Republik Ukraine – und nicht von Russland. Zwar hat Russland im April 2010 noch von der Ukraine unter Ex-Präsident Janukowitsch Teile der Krim um die Stadt Sewastopol herum bis zum Jahr 2042 als Marinestützpunkt weitergepachtet – im Gegenzug für einen substanziellen, 30 prozentigen Gaspreisrabatt –, aber das rechtfertigt keinerlei Truppenbewegungen oder Patrouillen auf ukrainischem Hoheitsgebiet wie z. B. dem Umstellen von ukrainischen Militärbasen, von „Grenzpunkten“, der Flughäfen oder des Regionalparlaments. Das ist eine eindeutige Verletzung des Völkerrechts sowie der nationalstaatlichen Souveränität der Ukraine. Die normative Bewertung der Angelegenheit ist sehr klar: Russland sollte seine Truppen (oder Milizen) zurück in die Mietkasernen von Sewastopol beordern. Aber so einfach ist diese berechtigte Forderung nicht durchzuführen, da diese sogenannten „pro-russischen Selbstverteidigungskräfte“ clever genug sind, keine Hoheitszeichen tragen. Offiziell kann man sie daher nicht hundertprozentig Russland zuordnen.
Russland bemüht sich natürlich sehr darum, die Intervention nicht als bloße machtpolitische Aktion, sondern als angemessene und legitime Reaktion erscheinen zu lassen. Das sicherheitspolitische Rechtfertigungsnarrativ Moskaus ist der Schutz der ethnischen Minderheit der Russen vor der Verfolgung durch nationalistische (ukrainische) Extremisten. Zwar stimmt es, dass es bei all der Heterogenität der Maidan-Bewegung noch nicht absehbar ist, ob die Nationalisten bei der kommenden (Präsidenten-)Wahl nicht vielleicht doch einen hohen Stimmenanteil bekommen, was eine ausländer- oder minderheitenfeindliche Politik zur Folge haben könnte, aber das sind nur vage Spekulationen. Bisher ist durch kein Verhalten der Ukraine eine solche invasive Präventionspolitik Russlands zu rechtfertigen. Eine akute Gefahr für Leib und Leben der russischen Staatsbürgerinnen und -bürger in der Ukraine besteht nicht. Zwar hat das Parlament letzte Woche ein Sprachengesetz verabschiedet, das die Gleichberechtigung der Sprache der russischen, rumänischen, krimtatarischen und den anderen Minderheitsgruppen aufheben will, aber „illegale Faschisten“, wie es die russische Führung behauptet, sind in Kiew nicht an der Macht. Der russische Premierminister Medwedew erkennt die neue Interimsregierung von PM Arsenij Jazenjuk jedoch erst gar nicht an, diffamiert sie als „Leute, die in schwarzen Masken und mit Kalaschnikow-Sturmgewehren durch Kiew schlendern“ und spricht von einer "realen Gefahr [für das] Leben und Gesundheit unserer Landsleute“. Der „willkürlich abgesetzte“ Janukowitsch, so Medwedew, sei immer noch der „legitime Staatschef“ des Landes. Dazu passt, dass der erst letzte Woche während einer Krisensitzung gewählte, pro-russische Premierminister der Autonomen Republik Krim, Sergey Aksjonov, Russland offiziell um Hilfe bzw. um eine Intervention zum Schutze der russisch-ethnischen Bevölkerung gebeten hat. Zudem kündigte er an, möglichst bald ein Unabhängigkeitsreferendum durchzuführen zu wollen. Krim-Parlamentschef Wladimir Konstantinow träumt sogar schon von einem eigenen Staat, einer souveränen und nicht mehr nur autonomen Krimrepublik. Putin selbst hat sich nach diesem „Hilferuf“ vom russischen Parlament wiederum offiziell die Handlungsfreiheit erteilen lassen, notfalls in der (ganzen!) Ukraine zum Schutz russischer Staatsbürgerinnen und -bürger eingreifen zu können – was für eine perfekte Inszenierung einer Politik der falschen Argumente!
Der Westen ist konsterniert: Hat Putin den Sinn für die Realität verloren, wie Angela Merkel – so wird in der Presse kolportiert – rätselt? Ist das der Rückfall in die Politik des 19. Jahrhunderts – wie US-Außenminister John Kerry sagt? Will Putin wirklich einen Krieg? Antwort: Nein! Damit würde er sich international zu einem kompletten „outlaw“ machen und die UN sowie die ganze internationale Staatengemeinschaft gegen sich aufbringen. So unstrategisch geht Putin nicht vor. Zudem garantiert das „Budapester Memorandum“ von 1994 die territoriale Unversehrtheit der Ukraine durch die USA und Großbritannien (sowie und Russland). Bei einem offenen oder direkten Einmarsch in die Ukraine mittels einer Invasion und Annexion müssten die UN und der Westen reagieren, sie könnten gar nicht anders. „This will not stand“ würde man vermutlich in Anlehnung an George Bush Sr. und die internationale Reaktion auf die irakischen Invasion Kuwaits im Jahr 1990 sagen.
Nein, Putins Spiel ist perfider: Eine militärische Invasion wäre zu direkt, zu offensichtlich „falsch“. Stattdessen setzt Russland auf eine mittel- bis längerfristige Aushöhlung der ukrainischen Souveränität in den Randgebieten. Hier geht es nicht um ein zweites Georgien 2008, sondern um ein erneutes Südossetien/Abchasien oder Transnistrien 2013. Das heißt: Zunächst um die de facto Kontrolle der Krim (oder weiterer, pro-russischer Bereiche im Osten mit russischen Minderheiten, vielleicht Charkow oder Donezk, in Abhängigkeit von der dortigen Entwicklung), um nachfolgend mittels demokratischen Referenden und ethnischen Massenprotesten eventuell eine Sezession unter dem Deckmantel des Selbstbestimmungsrechts zu legitimieren: Über das Protektorat irgendwann mal zu Unabhängigkeit bzw. zum Anschluss an Russland. Darum hat Putin auch kein Problem damit, eine internationale fact-finding- oder Beobachtermission zu akzeptieren – die spielt ihm eventuell sogar in die Hände und gibt ihm Zeit, die bis dahin eventuell notwendigen Fakten (Mehrheiten) zu schaffen. Einen full-scale war sehe ich trotz des bedenklichen Säbelrasselns noch nicht. Putin geht es vielmehr darum, nicht komplett die Kontrolle über die Ukraine zu verlieren. Mit der neuen Regierung in Kiew besteht für Moskau die Gefahr, dass sich das ganze Land dem Westen zuwendet und mittels EU-Assoziierungsabkommen und evtl. NATO-Mitgliedschaft dort auch fest verankert wird (und für immer dem russischen Einfluss verloren geht). Eine instabile oder auch zersplitterte Ukraine nützt Putin mehr. Die Luft aus der demokratischen, pro-westlichen Transformation hat er jedenfalls schon mal komplett herausgenommen und damit das kurzfristige Ziel schon erreicht.
Was tun bzw. quo vadis Westen? Mit seiner schnellen Vorgehensweise direkt nach dem Regierungswechsel in Kiew sowie der Olympia-Abschlussfeier hat Putin den Westen total überrascht. Sanktionen? Sind zumindest wegen der Energieabhängigkeit Europas von Russland zweischneidig und damit genauso kostenträchtig für die Sanktionierenden wie den Sanktionierten. Ausschluss aus der G8? Nicht ratsam, das beendet sofort jede Dialogmöglichkeit mit Moskau. Die Drohung mit einem Militäreinsatz oder Truppenaufmarsch des Westens (also traditionelles balancing)? Macht aufgrund der Atomwaffenpotenziale alles noch schlimmer und würde eventuell auf einen dritten Weltkrieg oder die verschärfte Neu-Aufnahme des Kalten Kriegs hinauslaufen. Es bleibt nur der Dialog innerhalb des OSZE-Rahmens. Ist das schon Appeasement? Hoffentlich nicht.
In sämtlichen Medienberichten und so leider auch in diesem Text, wird nie auf das russische Argument eingegangen, die Absetzung von Janukowitsch sei illegal gewesen. (Ja, das Argument wird erwähnt, aber ist es wirklich so abwegig, dass man es nichtmal widerlegen muss?)
Da fände ich es wirklich extrem spannend, wenn sich mal jemand dazu äußern würde, der sich mit ukrainischem Verfassungsrecht auskennt.
Also: Laut Artikel 111 der ukrainischen Verfassung kann der Präsident unter bestimmten Voraussetzungen (wie z. B. Staatsverrat oder dem Vorliegen anderer Verbrechen) im Rahmen eines Amtsenthebungsverfahrens vom Parlament mit 3/4-Mehrheit abgewählt werden (so ungefähr dem impeachment in den USA ähnlich).
328 Abgeordnete haben für seine Absetzung gestimmt, das sind meiner Rechnung nach ca. 10 zu wenig, da die Rada 450 Sitze hat (3/4 = 337,5). Zudem ist vor bzw. für die Entscheidung zunächst (1) der Bericht einer extra dafür vorher zu bildenden Untersuchungskommission, die die Vorwürfe untersucht, und (2) der Kommentar des höchten Gerichts der Ukraine abzuwarten. D. h. formaljuristisch hat die Abstimmung NICHT die notwendige Mehrheit erhalten und ist wg. eines gleich doppelten Formfehlers ungültig (m. E. gab es weder eine Untersuchungskommission noch ein Gerichtskommentar – dafür ging das ja alles zu “ratz-fatz”….Revolution eben).
ABER ABER ABER (!) das ändert natürlich überhaupt nichts daran, dass Russland sich NICHT in die inneren Angelegenheiten der Ukraine einzumischen hat. Das von Moskau implizit gemachte R2P-Argument (akute Gefährdung der russischen Minderheit) entbehrt auch jeder Grundlage.
Fazit: Wenn wir schon über Illegalität reden, sollten wir v. a. über Russlands illegales und illegitimes Eingreifen in die Souveränitätsrechte der Ukraine reden.
Aha…die ersten merken “schon”, dass Sanktionen auch uns etwas kosten können. Zum Glück ist der Winter schon fast rum ;-). Na, das teurere Gas wird zumindest einen erneuten Boom für Solarstrom in Deutschland auslösen (Energieautarkie von Russland).
Aus Konfliktforschersicht: Sanktionen sind (noch) zu früh – wie will man denn dann noch steigern, wenn Russland nicht reagiert? Mit einer milit. Intervention?
http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/krim-ukraine-eu-russland-und-die-angst-vor-sanktionen-a-956868.html
Das Problem mit Sanktionen sind imo ja weniger die Kosten und mehr die mangelnde Effektivität – wenn es um Sicherheitspolitik geht, versagen Sanktionen alleine. Um Policy-Entscheidungen in Russland zu beeinflussen, müssen russische Interessen gewahrt werden und gleichzeitig klare Signale gesendet werden – Sanktionen alleine, vor allem wirtschaftliche, die nicht direkt mit sicherheitspolitischen Interessen Russlands zusammenhängen, helfen nicht.
Guter Punkt; Stichwort mangelnde Effektivität von Sanktionen:
Sanktionen basieren wie coercive diplomacy auf einem asymmetrischen Verhältnis zwischen Sanktionierenden und Sanktionierten. Wenn Russland diese Asymmetrie anders ausgleichen – also quasi gegen-sanktionieren – kann (Öl, Gas), ist ihre Effektivität natürlich eingeschränkt und wird eher zu einer Frage, welche Seite zuerst aufgrund der steigenden Kosten einknickt. Das ist die Verbidung von Kosten und Effektivität. Untersuchungen zeigen auch, dass nicht alle Sanktionen gleichgut wirken, sondern vor allem diejenigen “Arten” Sanktionen, die die USA beschlossen hat (Kontosperrungen, Einreiseverbote). Diese Untersuchungen basieren allerdings empirisch zumeist auf Fallstudien, wo die Dyade meist sehr klar asymmetrisch ist (internat. Gemeinschaft ggü. Jugoslawien, Libyen…). Von daher gesehen, ist zu bezweifeln, ob Sanktionen überhaupt materiell besonders gut gegen Russland wirken werden. Eher nicht, so meine Vermutung. Ich denke, hier geht es primär um ein “social shaming”, also ein Zeichen an Russland, dass der Westen diese Intervention nicht akzeptiert. Es ist ein good cop/bad cop-“Spiel” mit der EU als der Seite, die sich noch besser für den Dialog geöffnet zeigt und den USA als den “hardlinern”. Sanktionen alleine, vollkommen richtig beobachtet, helfen nicht – absolut d’accord, so steht es ja auch oben in meinem Beitrag.
Alternative oder komplemetäre Strategien: “Dagegenhalten”/military balancing gegen Russland – also Krieg – ist nicht limitierbar und führt vielleicht in die atomare Konfrontation und ist damit für keine Seiten ein rationale Optionen (Betonung liegt auf “rational”). M. E. bleibt nur der Dialog und social shaming. Aber glauben wir wirklich, dass Putin sich aus der Krim einfach so wieder zurückzieht? Da ist doch der Gesichtsverlust zuhause viel zu groß. Es geht jetzt eher darum, schnell den Schaden zu begrenzen. D. h. EU-Gelder und -Perspektive für die Ukraine, um zu verhindern, dass kurzfristig noch mehr wankelmütige Gebiete im Osten abspringen (Charkow, Donezk) und weitreichende Autonomie- sowie kollektive Minderheitenschutzrechte für die russische Minderheit. Maximal realistisch ist es zurzeit nur, die weitere Sezession zu stoppen. Die Krim ist momentan de facto verloren und bekommt (bestenfalls) in 2-5 Jahren ein Unabhängigkeits-/Anschlussrefendum an Russland, um die Sezession de jure und ex post zu legitimieren. Und hoffen wir in der Zwischenzeit, dass keine Extremisten (auf allen Seiten: UKR, RUS, ARK) die Situation mit terroristischen Anschlägen oder lokalen Massakern weiter destabilisieren oder zum explodieren bringen…
Ich denke der gesamte Konflikt leidet in Europa unter einer einseitigen Berichterstattung. Selbstverständlich ist die Politik Russlands zu verurteilen, selbstverständlich nutzt Putin die derzeitigen innenpolitischen Schwierigkeiten der Ukraine aus und selbstvertständlich darf der Westen dass zumindest offiziell nicht einfach zulassen. Tatsache ist aber auch, dass sich seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion der Respekt des Westens vor dem wirtschaftlichen und militärischen Potential Russlands stets verringert hat. Mit Rücksicht auf die russische Position gilt auch zu beachten, dass sich die Nato in den letzten 20 Jahren zunehmend nach Osten ausgedehnt hat. Würde die Ukraine in ihrer jetzigen Form an den Westen gebunden, hätten die Nato und Russland eine gemeinsame Grenze. Die Frage muss daher lauten: Ist einer (wieder) aufsteigenden Großmacht wie Russland mit immensen wirtschaftlichen, atomarem und konventionellem Potential nicht auch eine zumindest offiziell neutrale “Pufferzone” zuzugestehen? Die Vereinigten Staaten betreiben eine ähnliche Politik seit Ende des. 2. Weltkrieges (Kuba, Grenada etc.)
Letztlich muss sicherlich auch nüchtern betrachtet werden, welchen “Wert” die Ukraine für den Westen hat. Wie bereits in anderen Posts erwähnt, halte ich Sanktionen ebenfalls für zweischneidig. Russische Rohstoffe sind einer der großen Stützpfeiler des Westens und im Zweifel ist Russland in der Lage andere Abnehmer zu finden. Hinzukommt die diffuse Verhaltensweise der Natopartner. Die USA verlegen eine handvoll Jagdbomber nach Polen während Angela Merkel der Bevölkerung händeringend verspricht, dass Krieg keine Option ist. Militärische Drohgebärden und Säbelrasseln wirken nur dann, wenn sie als glaubhaft zu bewerten sind. Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, dass die Nato bereit ist für die territoriale Integrität der Ukraine einen 3. Weltkrieg zu riskieren. Putin weis das und kann sich somit, durch den Rückhalt in der russ. Bevölkerung abgesichert, einfach nehmen was er möchte.
Danke für den Kommentar.
Drei Punkte:
1. Russland eine neutrale Pufferzone zugestehen? Das wäre m. E. das Einknicken des (Völker-)Rechts und der Demokratie vor der “Realpolitik”. Warum hat sich die NATO nach Osten erweitert? Nicht primär weil die NATO das so wollte – dann wäre das alles viel schneller und aggressiver passiert (jedenfalls deutlich früher als 1999 oder 2004; neo-realistisches Stichwort hier: preclusion) -, sondern weil die Völker der betreffenden Staaten der NATO beitreten wollten (als demokratische Entscheidung). Und warum wollten sie so schnell der NATO beitreten? Aus Angst vor einer möglichen russischen, territorial-hegemonialen Expansion. Zack…Kreis geschlossen!. Die Ukraine ist damit der q.e.d.-Fall, der belegt, dass diese Furcht zu Recht besteht. Hier sollte man nicht Ursache und Wirkung verwechseln. Russland ist der Agressor im Krimkonflikt, nicht die NATO oder die Ukraine (auch nicht passiv)!
2. Vollkommen richtig: Das mit den US-Jagdbombern in Polen ist Minimum eine sehr ungeschickte Reaktion und verstärt Russlands Selbstperzeption als ein von der NATO bedrängtes, fast umklammertes Land.
3. Dritter Weltkrieg? Nein, denke ich auch nicht: Aber Russland wird in einem globalisierten und vom Westen dominierten Markt langfristig wirtschaftlich den Preis für Putins Bodenpolitik bezahlen. Gaaaaaanz kurzsichtig gedacht, lieber Herr Putin. Der ist in 3-5 Jahren weg; und wenn “wir” (=der Westen) dann Pech haben, bringt die wirtschaftliche Isolation/Krise in Russland einen Extremisten an die Macht, der alles noch viel schlimmer macht.
Es steht außer Frage, dass Russland das Völkerrecht bricht, ich wundere mich nur über die Reaktionen des Westens darüber, die teilweise doch recht unterschiedlich ausfallen. 2001 und 2003 überfielen die USA Afghanistan und den Irak.( Es handelte sich hierbei um sorgfältig geplante Angriffskriege mit tausenden Toten. ). Ebenfalls völkerrechtswidrig. Dennoch wurden in Europa keine wirtschaftlichen Sanktionen und insbesondere keine Kontensperrungen von Ranghohen US-Regierungsmitgliedern beschlossen (allein der Gedanke daran Bush & Co die Konten zu sperren erscheint lächerlich). Die Art und Weise in der der Westen gegen Putin vorgeht, ist dem Umgang mit dem Diktator einer Bananenrepublik nicht unähnlich und in seiner absehbar schwachen Wirkung artverwandt.. Die betreffenden Personen besitzen meist ohnehin einen umfassenden Kapitalstock und können sich zumindest was den Anschluss der Krim betrifft auf breite Unterstützung der Bevölkerung stützen.
Es ist auch klar, dass die Ukraine gerne in die Nato aufgenommen werden würde.Wer würde das nicht? Trotzdem stellt sich die Frage, ob eine Aufnahme von Seiten der Nato tatsächlich sinnvoll ist. Meiner Ansicht nach bestärkt es das Bedrohungsgefühl der Russen und wird so zumindest teilweise zur selbsterfüllenden Prophezeiung. Warum hat Russland gerade jetzt diesen Schritt unternommen? Meiner Überzeugung nach, weil eine Annäherung der Ukraine an den Westen nach dem Umsturz drohte. Das widerrum muss zu dem Schluss führen, dass die Ukraine ihre Sicherheit selbst gefährdet sobald sie den Anschluss an den Westen sucht. Ein neutrales Verhalten wäre hier sicherlich klüger gewesen.
Außerdem kommt erschwerend hinzu, dass sich weltweit immer mehr das Bild eines schwachen und uneinigen Westens manifestieren kann, nicht zuletzt, weil dies oft auch in den letzten Jahren bewiesen wurde. (bspw. Irak, Lybien, Mali – alles Fälle in denen die Uneinigkeit besonders innerhalb Europas deutlich wurde). Sowohl Russland als auch China, sehen ein zu deutlichen Handlungen unfähiges Europa unter Führung der von der Wirtschaftskrise schwer getroffenen USA – wobei alle betreffenden Staaten schwerst verschuldet sind. Dies sind sicherlich alles einflussnehmende Faktoren und motivieren Russland zusätzlich in seinem Kurs.
Die Einschätzung über den Verbleib von Putin in den nächsten 3-5 Jahren sehe ich kritisch. Putin regiert Russland de facto bereits 14 Jahre ohne dass ihn dabei Verfassungsregelungen über begrenzte Amtszeiten sonderlich gestört hätten. Zusätzlich sichert er sich durch seinen Kurs die Unterstützung der Bevölkerung, die wieder von einem ‘starken Russland’ träumt. Noch viel wichtiger: er sichert sich dadurch die nachhaltige Unterstützung der konservativen Kreise, da Expansion bei diesen häufig gern gesehen wird. Ich denke die Welt wird sich mit einem unbequemen Putin über einen längeren Zeitraum arrangieren müssen – vorrausgesetzt es kommt zu keinen eklatanten innenpolitischen Zwischenfällen. Was die zur Zeit umgesetzten wirtschaftlichen Sanktionen bringen, lässt sich nur schwer einschätzen, aber ich denke es schweißt Putin mit seinen Anhängern noch fester zusammen als dass es sie zum Umschwenken bewegt. Europa wird sich vermehrt mit ähnlichen Problemen auch in Zukunft beschäftigen müssen, wenn es nicht lernt klare Positionen zu beziehen und diese auch zu schützen. (z.B. zum Demokratieverständnis der türk. Regierung.) Die Krim zeigt nur erneut, dass der Westen moralische Überlegenheit nur dann besitzt, wenn er nicht selbst involviert ist. Hierbei handelt es sich um einen Luxus, den sich niemand leisten kann, der glaubhafte Politik betreiben möchte.
Danke für das Nachhaken.
Die „Völkerrechtwidrigkeit“ liegt m. E. bei Afghanistan klar NICHT vor, bei der Irak-Invasion ist sie schon fraglicher: Bei Afghanistan (UNSCR 1368) gab es einstimmig die Haltung, dass die USA das Recht besitzt, sich im Rahmen von „9/11“ selbst verteidigen dürfen, was den Krieg gegen Afghanistan legitimiert hat. Im Irak ist diese Legitimitätskonstruktion nicht vorhanden; das war ein Präventiv- und Angriffskrieg ohne UN-Mandat. Aber absolut richtig erkannt, da wurde/wird im Westen mit zweierlei Maß gemessen.
Ihr Satz… „Das wiederum muss zu dem Schluss führen, dass die Ukraine ihre Sicherheit selbst gefährdet sobald sie den Anschluss an den Westen sucht. […] und motivieren Russland zusätzlich in seinem Kurs.“ …macht die russische Sichtweise ganz gut nachvollziehbar und zeigt dadurch auch die deutliche realistische (als IB-Schule) bzw. machtpolitische Brille oder Logik, nach der die russ. Regierung gehandelt hat. Diese Machtlogik darf man allerdings Moskau eben nicht durchgehen lassen.
„Putin Ade?1“ in 3-5 Jahren ist als Prognose natürlich äußerst gewagt, halte ich aber für denkbar, wenn er nicht einlenkt und der Westen tatsächlich die Wirtschaftssanktionen etc. konsequent durchsetzt. Russland ist nicht so unverwundbar, wie es scheint. Ob nach Putin allerdings was Besseres folgt, ist zweifelhaft.
@ Stefan Engert: Der Bezug auf die korrekte Durchsetzung des Völkerrechts im Falle Afghanistans ist sicherlich historisch betrachtet absolut korrekt. Ich frage mich aber im Bezug auf diesen Fall inwiefern die ‘Schockwirkung’ des 11. Septembers diesen Entscheid beeinflusst hat. Ob aber eine Entscheidung gerechtfertigt ist nur weil sie juristisch einwandfrei ist, wage ich zu bezweifeln. Nach der gleichen Logik hätte die BRD nach dem ‘München Massaker’ 1972 den Gazastreifen bombardieren können.
Ich fürchte zum Leid aller, dass diese Machtlogik Russlands sich bis zu einem bestimmten Punkt (der meiner Meinung leider noch lange nicht erreicht sein dürfte) durchsetzen wird. Wie Sie bereits in einem anderen Post geschrieben haben, kann man nur hoffen, dass es sich nicht bereits um Appeasement handelt, ich fürchte aber dass es genau dies ist. Ich glaube diese Machtpolitik wird international sogar geduldet. Die USA drohen mit Wirtschaftssanktionen, während gleichzeitig die amerikanische Wirtschaft aufschreit und klarmacht, dass es den USA mehr schaden würde als Russland. Das große Problem mit machtfixierten Regierungen wie der russischen ist, dass sie eben auch nur Stärke anerkennen und verstehen. Dieses Signal bleibt vom Westen jedoch aus. Wie sonst kann man es sich erklären, dass sich die Ost-Ukraine immer noch vor einer russischen Invasion fürchtet und vom Westen nichts anderes kommt als ein hohles und bisher folgenloses”wehe wenn..!.” Nur um das klarzustellen, ich halte eine bewaffnete Lösung des Konfliktes für undurchsetzbar, bzw. nicht sinnvoll. Aber eine Möglichkeit bestünde doch sicherlich darin eine internationale Mission von Soldaten in zahlenmäßig sehr geringer Stärke aus allen NATO-Mitgliedsstaaten in die Ost-Ukraine zu entsenden um wenigstens Zusammenhalt zu demonstrieren und aktiv für das Völkerrecht einzutreten.
@Peter R.
Ich stimme dir zu, dass Russland sich auf internationaler Ebene oft sehr direkt und macht-fixiert verhält. Das hierbei auch oft furchtbare persönliche Schicksale entstanden, bestreitet auch niemand. Dies wird auch nie wieder gut zumachen sein. Die Frage die sich jetzt aber stellt ist: Wie machen wir weiter? Unsere Berichterstattung und viele der Medien hängen immer noch im kalten Krieg. Der Russe ist der Böse. Punkt. Das ist keine Perspektive für eine nachhalte Lösung des Konfliktes. Offensichtlich genießt Putin jetzt größeren Rückhalt in der Bevölkerung denn je. Von 70% ist die Rede. Ich frage mich: Warum? Offensichtlich gefällt den Russen diese Politik der Stärke, welcher Nation würde das nicht die dadurch ihr Staatsgebiet erweitert?
Blickt man außerdem auf die letzten 50 Jahre zurück, so muss festgehalten werden, dass sowohl Europa, als auch die USA ähnliche Außenpolitik betrieben haben. Die Russen bevorzugen lediglich die Variante des Hammers und der offensichtlichen Machtdarstellung anstelle von geheimdienstoperationen zum Umsturz von Regierungen. Südamkerika ist hier sicherlich ein Beispiel für die USA. Auch der Westen ist darauf bedacht seine Interessen zu wahren. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. die bis 2006 gültige Zuckermarktordnung der EU. (Teurer EU-Zucker wurde durch EU-Subventionen im Preis gedrückt und auf den Weltmarkt geworfen, um so aufstrebenden Ländern wie Brasilien den Weltmarktpreis zu ruinieren.) Was ich damit sagen will: Keiner der Akteure in dieser Krise ist unschuldig und jeder der Beteiligten hat ganz bewusst Leid über jemand anderen gebracht. In dieser Zeit sind viele der Konflikte entstanden, wurden aber durch die allgegenwärtige atomare Bedrohung im kalten Krieg überlagert. Diese ganzen Konflikte brechen jetzt auf (Irak, Iran, Afghanistan, Ägypten, Lybien, etc.) Für eine vernünftige Lösung müssen sich die Beteiligten endlich gegenseitig respektieren und auf Augenhöhe miteinander reden ohne in alte Propagandamuster zu verfallen. Zum jetzigen Zeitpunkt, muss sich aber besonders Europa dies noch verdienen und beweisen, dass Völkerrecht nicht nur auf dem Papier steht, sondern von allen Nationen notfalls auch militärisch gegen einen Aggressor getragen wird. Nur so ist Russland wirklich zum einlenken zu bewegen.
Zu Stefan Engert: Der Bezug auf die korrekte Durchsetzung des Völkerrechts im Falle Afghanistans ist sicherlich historisch betrachtet absolut korrekt. Ich frage mich aber im Bezug auf diesen Fall inwiefern die ‘Schockwirkung’ des 11. Septembers diesen Entscheid beeinflusst hat. Ob aber eine Entscheidung gerechtfertigt ist nur weil sie juristisch einwandfrei ist, wage ich zu bezweifeln. Nach der gleichen Logik hätte die BRD nach dem ‘München Massaker’ 1972 den Gazastreifen bombardieren können.
Ich fürchte zum Leid aller, dass diese Machtlogik Russlands sich bis zu einem bestimmten Punkt (der meiner Meinung leider noch lange nicht erreicht sein dürfte) durchsetzen wird. Wie Sie bereits in einem anderen Post geschrieben haben, kann man nur hoffen, dass es sich nicht bereits um Appeasement handelt, ich fürchte aber dass es genau dies ist. Ich glaube diese Machtpolitik wird international sogar geduldet. Die USA drohen mit Wirtschaftssanktionen, während gleichzeitig die amerikanische Wirtschaft aufschreit und klarmacht, dass es den USA mehr schaden würde als Russland. Das große Problem mit machtfixierten Regierungen wie der russischen ist, dass sie eben auch nur Stärke anerkennen und verstehen. Dieses Signal bleibt vom Westen jedoch aus. Wie sonst kann man es sich erklären, dass sich die Ost-Ukraine immer noch vor einer russischen Invasion fürchtet und vom Westen nichts anderes kommt als ein hohles und bisher folgenloses”wehe wenn..!.” Nur um das klarzustellen, ich halte eine bewaffnete Lösung des Konfliktes für undurchsetzbar, bzw. nicht sinnvoll. Aber eine Möglichkeit bestünde doch sicherlich darin eine internationale Mission von Soldaten in zahlenmäßig sehr geringer Stärke aus allen NATO-Mitgliedsstaaten in die Ost-Ukraine zu entsenden um wenigstens Zusammenhalt zu demonstrieren und aktiv für das Völkerrecht einzutreten.
Zu Peter R.:
Ich stimme dir zu, dass Russland sich auf internationaler Ebene oft sehr direkt und macht-fixiert verhält. Das hierbei auch oft furchtbare persönliche Schicksale entstanden, bestreitet auch niemand. Dies wird auch nie wieder gut zumachen sein. Die Frage die sich jetzt aber stellt ist: Wie machen wir weiter? Unsere Berichterstattung und viele der Medien hängen immer noch im kalten Krieg. Der Russe ist der Böse. Punkt. Das ist keine Perspektive für eine nachhalte Lösung des Konfliktes. Offensichtlich genießt Putin jetzt größeren Rückhalt in der Bevölkerung denn je. Von 70% ist die Rede. Ich frage mich: Warum? Offensichtlich gefällt den Russen diese Politik der Stärke, welcher Nation würde das nicht die dadurch ihr Staatsgebiet erweitert?
Blickt man außerdem auf die letzten 50 Jahre zurück, so muss festgehalten werden, dass sowohl Europa, als auch die USA ähnliche Außenpolitik betrieben haben. Die Russen bevorzugen lediglich die Variante des Hammers und der offensichtlichen Machtdarstellung anstelle von geheimdienstoperationen zum Umsturz von Regierungen. Südamkerika ist hier sicherlich ein Beispiel für die USA. Auch der Westen ist darauf bedacht seine Interessen zu wahren. Ein gutes Beispiel hierfür ist z.B. die bis 2006 gültige Zuckermarktordnung der EU. (Teurer EU-Zucker wurde durch EU-Subventionen im Preis gedrückt und auf den Weltmarkt geworfen, um so aufstrebenden Ländern wie Brasilien den Weltmarktpreis zu ruinieren.) Was ich damit sagen will: Keiner der Akteure in dieser Krise ist unschuldig und jeder der Beteiligten hat ganz bewusst Leid über jemand anderen gebracht. In dieser Zeit sind viele der Konflikte entstanden, wurden aber durch die allgegenwärtige atomare Bedrohung im kalten Krieg überlagert. Diese ganzen Konflikte brechen jetzt auf (Irak, Iran, Afghanistan, Ägypten, Lybien, etc.) Für eine vernünftige Lösung müssen sich die Beteiligten endlich gegenseitig respektieren und auf Augenhöhe miteinander reden ohne in alte Propagandamuster zu verfallen. Zum jetzigen Zeitpunkt, muss sich aber besonders Europa dies noch verdienen und beweisen, dass Völkerrecht nicht nur auf dem Papier steht, sondern von allen Nationen notfalls auch militärisch gegen einen Aggressor getragen wird. Nur so ist Russland wirklich zum einlenken zu bewegen.
Hallo Gerd.
Ich wollte nur was richtig stellen , denke mal nach warum sind die Russen nach Afghanistan Einmarschiert das war vorher vor der USA. Weil die Russen das nicht wollten das sich Afghanistan von Russland los sagt. Und da haben die Russen in Afghanistan den Arsch richtig voll bekommen.
Und Du schreibst die USA hätte Afghanistan überfallen .Wie kommst Du darauf. Wie viel Länder haben den Soldaten da hin geschickt nach Afghanistan wegen die Taliban. Was war zum Prager Frühling da sind die Russen auch in der CSSR einmarschiert . Was war zum Volks Aufstand in der DDR ,da sind auch die Russen aufmarschiert. Für was mussten unsere Leute aus der DDR Uran ab bauen für die Russen. Und sind jetzt alle Krebskrank. Und wieso war der Putin bei uns in der DDR von 1985 bis 1990 als Russischer Agent . Wie Putin zur Pressekonferenz sagte das sind keine Russischen Soldaten auf der Krim. Diese Uniformen gibt es im Laden zu kaufen. Ja das stimmt aber ich habe noch keine Waffen gesehen die es da auch im Laden gibt. Und die LKWs und Schützenpanzer. Wenn es die Kalaschnikow ,Leichte Maschinengewehre und das andere was die angebliche Bürgerwehr haben im Laden gibt, ich weis nicht ob da jetzt der Putin und seine Bande noch auf der Welt wären