von Gabi Schlag und Martin Schmetz
Wer Berichte über internationale Politik hört oder liest, wird schon einmal über solche Tropen gestolpert sein: Oft verkörpert der Staats- und Regierungschef symbolisch das Land, wenn in den Medien davon die Rede ist, dass Obama oder Merkel eine Entscheidung treffen. Schon der politische Philosoph Thomas Hobbes verband seine Abhandlung über den Leviathan mit der bildlichen Darstellung eines Herrschers, der symbolisch den Staat repräsentierte.1 Die Verkörperung der Herrschaft in einer Person hat sich dabei über Jahrhunderte als Darstellungsform erhalten, wenn auch die ikonographischen Insignien von Macht und Herrschaft sich gewandelt haben mögen. Das Herrscherbild ist in den Medien, gerade auch den digitalen Medien, präsenter denn je.2
Neben Barack Obama zählt sicherlich Putin zu den Politikern, die in besonderer Weise versuchen, ihr öffentliches und veröffentlichtes Image zu beeinflussen – die yellow press Debatten über Merkels Frisur und Farbwahl ihrer Blazer lassen wir getrost mal außen vor. Gerade in der Krimkrise kann man verfolgen, wie Putin als extrem männliches, dominantes Alphatier (re-)präsentiert wird, das sowohl die visuelle Narrative des Machos als auch des Zaren aufgreift. Putin ist bekannt für sein wohlkultiviertes Image als echter Kerl – es gibt sonst nicht viele Spitzenpolitiker, die sich mit wilden Tigern oder oberkörperfrei beim Fischen ablichten lassen. Zwar haben wir auch Obama schon in Badehose am Stand von Hawaii gesehen, doch dieses Bild bleibt ein privates Foto, das veröffentlicht wurde, während Putin das vermeintlich Private öffentlich als Teil seiner Herrschaftspolitik inszeniert. Die Bekanntgabe der Trennung von seiner Frau und die Gerüchte über Affären waren ihm durchaus weniger wert, medial verbreitet zu werden.
Dieses Image des starken Manns – führungskompetent, sportlich, no drugs (Vodka Yelzin!) – kommt an, denn es findet sich auch in der Berichterstattung in westlichen Medien wieder – und ebenso auch im zuweilen eher itterativen und eklektischen Internetdiskurs.
Putins erstes Treffen mit der Presse nach dem Beginn der Krimkrise etwa wurde in der Bild Zeitung als „Putins großer Macho Show“ bezeichnet, ähnlich, wenn auch in differenzierteren Worten wird das ganze auf Spiegel Online wiedergegeben. Auch sonst schreibt man gerne von Putin als Macho und Macher, selbst wenn ihm das Kritikpunkte einbringt, oder er von diesem Bild des starken Mannes gefangen genommen wird. Und wenn man über seine bisherigen Erfolge schreibt, schickt es sich schon fast, das ganze auch mit einem Bild von Putin ohne T-Shirt und mit Waffe zu garnieren, selbst wenn diese Aufnahmen mit der Krise in der Ukraine nichts zu tun haben.
Auch die Presse außerhalb Deutschlands greift diese Metapher und Bilder auf, egal ob sie nun von fragwürdiger Qualität ist oder nicht. Und wenn man überhaupt keinen Inhalt hat, kann man einfach eine Fotogallerie anlegen, die als Beweis dafür dienen soll, dass Putin „the most badass leader in the world“ ist.
Auch im Internet ist Putin zu einem Meme, vor allem aber Quasisynonym für Männlichkeit und knallharter Typ („badass“), geworden. Das ist durchaus bemerkenswert, denn die Ecken des Internets, in denen diese Memes kursieren, sind nicht für eine differenzierte Diskussionskultur bekannt und zudem primär englischsprachig. Das Publikum dort zeichnet sich sonst nicht dadurch aus, Russland besonders begeistert gegenüber zu stehen. Sollte Putins Imagepolitik sonst nirgendwo glaubwürdig und authentisch sein – hier war er erfolgreich und gilt als harter Kerl. Putin taucht auch nicht primär in politischen Kontexten auf. Er fungiert schlicht als Code für Überlegenheit, Macht und Männlichkeit. Diese äußert sich auch gerne in Kombination mit Bildern von ihm mit wilden Tieren – Putin mit Tiger, Putin mit Bär, aber eben auch mit einem Küken, dass er vorsichtig in seinen Händen hält. Und selbst wenn es politisch wird, bleibt das Image erhalten und das Diskussionsniveau erwartungsgemäß niedrig. Letzteres ist aber auch wenig überraschend, da Memes nicht das geeignete Vehikel für komplizierte Argumente sind.
Dass die Macho-Bilder allerdings nicht immer den intendierten Effekt erzielen, zeigt sich an der zeitweisen Begeisterung der gay-community für die "oben-ohne" Fotos von Putin.
Aber eben nicht nur dieses Bild des starken Mannes kommt deutlich zum Vorschein, sondern auch dessen Verbindung zum herrschaftlich-barocken Ambiente des Zarenreichs. Weder Krone noch Zepter schmücken den russischen Präsidenten; aber wenn er die langen Flure des Kreml entlang schreitet, durch die meterhohen Flügeltüren mit goldverzierten Beschlägen tritt, die Volksvertreter aufspringen und applaudieren, fühlt man sich doch unweigerlich an eine filmische Szene aus dem Leben von Peter dem Großen erinnert. Auch Bilder von Kabinettssitzungen machen unweigerlich klar, wer hier der uneingeschränkte Chef ist, der alle Fäden der Macht in den Händen hält. Selbst das TIME Magazine kürte ihn 2007 zur "Person of the Year" mit dem Titel: "Tsar of the New Russia".
Die Öffentlichkeit, auch im Westen, scheint Putin auf eine gewisse Art und Weise zu bewundern. Er mag als bedrohlich empfunden werden, aber er steht für „männliche“, harte Tugenden. Und die sind weiterhin in Sprache und individueller Wahrnehmung positiv belegt, im Gegensatz zu „weichen, weiblichen“.3 Auch im Feld der Internationalen Beziehungen wird „männliches“ Verhalten als Zeichen der Stärke gewertet. Möchte man in seiner Außenpolitik ernst genommen werden, dann sollte man diese männlichen Attribute zur Schau stellen, selbst als Frau wie es etwa Margaret Thatcher so erfolgreich getan hat.4 Auch in den persönlichen Beziehungen schlägt sich das nieder: Spätestens seit Putin bei einem persönlichen Treffen mit Merkel seinen schwarzen Labrador vorführte, obwohl allseits bekannt ist, dass Merkel Angst vor Hunden hat, scheint die persönliche Beziehung zwischen der deutschen Kanzlerin und dem russischen Präsidenten abgekühlt zu sein. Beide begegnen sich bestenfalls mit dem nötigen Respekt, Vertrauen und Zusammenarbeit sieht anders aus. Die Beziehung zwischen Obama und Putin scheint nicht viel besser zu sein. Und insbesondere von der konservativen Seite wird Obama im Verhältnis zum Macho Putin immer wieder gerne als verweichlichter Schwächling dargestellt.
All das wird sicherlich nicht der alleinige Grund für die bisherige außenpolitische Entwicklung sein. Es gibt viele andere politische, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren, die hier ins Spiel kommen. Aber es scheint als ob Putins Alphatiergehabe von Erfolg gekrönt ist – der Westen zeigt sich gleichzeitig fasziniert, eingeschüchtert und ringt um eine gemeinsame Position. Politiker wie Putin, die dank williger Medien ihr öffentliches Images bestens kontrollieren können, sind da leider oftmals im Vorteil.
- Bredekamp, Horst 2003: Thomas Hobbes, Der Leviathan: das Urbild des modernen Staates und seine Gegenbilder, Berlin. ↩
- Heck, Axel 2013: Visuelle Narrative in der Politik. Repräsentationen der Herrschaft Barack Obamas in der politischen Kunst, in: Gadinger, Frank/Jarzebski, Sebastian/Yildiz, Taylan (Hrsg.): Politische Narrative. Möglichkeiten eines politikwissenschaftlichen Analysekonzepts, Wiesbaden: VS-Verlag (Beitrag eingereicht, Band in Vorbereitung) ↩
- vgl. z.B. Eckert, Penelope/McConnell-Ginet, Sally 2003: Language and Gender, Cambridge. ↩
- Carol Cohn macht dieses Argument in: Cohn, Carol 1993: War, Wimps, and Women, in: Cooke, Miriam/Woollacott, Angela: Gendering War Talk, Princeton. ↩
netter Artikel und schöne Bilder!
Ob allerdings Putins zur Schau gestellte Maskulinität sein eigenes Stärkeempfinden widerspiegelt, kann man zumindest hinterfragen. Der Rubel fällt im vgl. zum Euro seit Monaten in unglaublicher Geschwindigkeit, die demographische Entwicklung zeigt eher unruhige Zeiten an und das russische Wirtschaftswachstum fällt klar ab. Von BRIC spricht heute niemand mehr! Der Plan, die russische Wirtschaft durch gezielte Investitionen von Rohstoffen unabhängiger zu machen und auf einen langfristigeren Wachstumspfad zu führen (Dutch Disease?!), hat bisher noch keine Ergebnisse gezeigt. Langfristig sind das sicher keine rosigen Aussichten für Putin und seine Partei!
Vielliecht möchte man unter diesen Umständen Putins Drohgebärden und Selbstdarstellung eher als Aufplustern aus Verzweiflung interpretieren und nicht als Demonstration der Stärke?!
Das sind durchaus gute Punkte. Ich denke, dass es noch nicht klar ist, ob Russland tatsächlich zum großen Verlierer der Krimkrise wird – momentan sieht es nicht rosig für die russische Wirtschaft aus. Man darf allerdings auch nicht vergessen, dass Russland sich zunehmend nach Asien orientiert, sowohl was es (Rohstoff)Exporte angeht, als auch, was das Anwerben von Investitionen angeht. Nichtsdestotrotz ist es, wie gesagt, vor allem kurzfristig wirtschaftspolitisch düster für Russland.
Ob das allerdings Putins persönliches Gebaren beeinflusst, wage ich zu bezweifeln – ich glaube nicht, dass er seine Maskulinität ausschließlich aus russischer wirtschaftspolitischer Stärke bezieht.
Aufplustern mag allerdings durchaus mit ein signifikanter Faktor sein. Allerdings war er dann ja durchaus erfolgreich, und, wenn die Krim bei Russland verbleibt, sogar dauerhaft. Selbst wenn es Russland wirtschaftlich dann schlechter geht, kann er darauf verweisen, Russland wieder als militärisch ernstzunehmende Regionalmacht etabliert zu haben.