von Regina Hack und Philip Wallmeier
Am 06.05.2014 tagte in Wien der Europarat zum Ukrainekonflikt. Dieses Gremium bringt einmal im Jahr Minister aus Europa zusammen, aus dem geographischen; damit schließt der Europarat auch Russland und die Ukraine ein. Es liegt also nahe, dass in einer Konfliktsituation, wie sie derzeit in der Ukraine vorherrscht, auch dieses – vielleicht sogar gerade dieses – Gremium ein Forum für den dringend notwendigen Dialog bereitstellt. Doch wer redet hier eigentlich mit wem und worüber? Zumindest wenn man den Medienberichten folgt, bekommt man schnell den Eindruck, dass sich hier vor allem Vertreter der USA, aus Russland und Europa (in diesem Fall das politische Europa, also die EU) unterhalten.
Wer in den letzten Tagen und Wochen die Berichterstattung zum Ukrainekonflikt verfolgt hat, mag sich mitunter durchaus gefragt haben, wo in dem „Ukraine-Konflikt“ eigentlich die Ukrainer sind. Ständig stehen russische oder pro-russische gegen „westliche“ Aussagen; manchmal auch russische gegen Europäische (wobei dann natürlich wieder die EU gemeint ist). Immerhin, die New York Times machte sich kürzlich die Mühe, einmal detaillierter nachzufragen, wer denn diese pro-russischen Kämpfer im Osten der Ukraine sind. Sie kam zu dem wenig überraschenden Ergebnis, dass es sich um eine heterogene Gruppe handelt mit ebenfalls heterogenen Vorstellungen von einer zukünftigen Ukraine. Ist also doch alles gar nicht so einfach und es bleibt die Frage nach „dem Rest“ der Ukrainer. Generell unterscheiden die Medien hier gern nach „pro-russischen Kräften“, „Anhängern der Übergangsregierung“ und „Anhängern der Föderalisierung“. Dass es sich hier nicht um trennscharfe Kategorien handelt, fällt schon ins Auge, da „Anhänger der Föderalisierung“ durchaus auch „pro-russisch“ auftreten.
Und da die Präsidentschaftswahlen am 25. Mai immer unwahrscheinlicher werden, hält sich auch die Berichterstattung zum ukrainischen Wahlkampf in Grenzen. So bezeichnet Spiegel-Online z.B. den laut Umfragewerten vorn liegenden Petro Poroschenko als „Schokoladenzar“: Wie es sich für die Narration eines Märchens gehört, wird Poroschenko denn auch als potentieller Retter der Ukraine präsentiert. Seiner Kontrahentin Julia Timoschenko spricht n-tv gleich komplett die Fähigkeit zur taktvollen Repräsentation eines Staates ab. Andere Kandidaten scheinen bis auf ihre bloße Erwähnung nicht weiter der Rede wert zu sein. Auch nicht die aktuelle Übergangsregierung. So erfährt man nicht viel über die Situation oder die politischen Diskussionen in der Ukraine – sondern lediglich etwas darüber, was andere über diese Situation denken. Wie aber erleben Menschen in der Ukraine die Verhandlungen? Wie denken sie über das Engagement der USA, Russlands und der EU?
Die Hauptaufgabe des Europarats besteht in der Wahrung der Menschenrechte in Europa (genau, das geographische): er hütet die Europäische Menschenrechtskonvention und wacht über andere Werte, wie demokratische Grundsätze und rechtsstaatliche Prinzipien. Dass also in diesem Rahmen ein „deutliches Statement der meisten Mitgliedsstaaten des Europarates für freie und faire Wahlen" (z.B. hier) gesendet wurde, dürfte dank der luftigen Formulierung nicht weiter überraschen. Leider wurde aber keine Deklaration verfasst. Und so dreht sich die Berichterstattung dann eben weiter um Vertreter internationaler Akteure – Russen, US-Amerikaner, „EU-Außenminsister“ – und große Konferenzen. Bei all den luftigen Formulierungen und Fotos von händeschüttelnden Außenministern bleibt die Frage: Wo sind eigentlich die Ukrainer?