Nochmals: Nationale Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Extremismus

von Daniel H. Heinke

Manche Ideen brauchen ja ein wenig, bis sie sich durchsetzen können – aber für die an dieser Stelle vor einem halben Jahr geforderte Nationale Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Extremismus bestehen jetzt gute Voraussetzungen.

Als der Innensenator der Freien Hansestadt Bremen, Ulrich Mäurer, die Forderung nach einer Nationalen Präventionsstrategie gemeinsam mit dem Direktor des International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR) am King’s College London, Peter Neumann, im April dieses Jahres auf die bundespolitische Agenda hob, fand er sich zunächst in einer sehr einsamen Rolle wieder. Sein Vorstoß stieß bei der Frühjahrstagung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder (Innenministerkonferenz) am 24./25. Juni – obschon zwischenzeitlich auch der Präsident des Bundeskriminalamtes, Holger Münch, in einem Interview einen bundesweiten „Masterplan“ zur Koordinierung der bestehenden Initiativen und Projekte im Bereich von Prävention und Deradikalisierung gefordert hatte – auf wenig Begeisterung. Zwar ist das Axiom, dass eine wirksame Prävention, also die Verhinderung der Radikalisierung von potentiellen Extremisten, das erstrebenswerteste Mittel ist, um die Gefahr durch Terroranschläge nachhaltig zu reduzieren, inzwischen wohl Allgemeingut, doch trat in der begleitenden Diskussion noch deutlich zutage, was bereits an dieser Stelle befürchtet worden war: Der Versuch, die unterschiedlichen Tätigkeiten des Bundes, der Länder und nicht zuletzt auch zahlreicher Kommunen inhaltlich zu koordinieren – wenn schon nicht zu steuern –, wird von nicht wenigen als Angriff auf die jeweils bestehende Zuständigkeits- und Kompetenzverteilung verstanden.

Seitdem haben aber zum einen die furchtbaren Terroranschläge in Paris am 13. November noch einmal sehr deutlich gemacht, welche Folge die jihadistische Radikalisierung auch nur weniger Extremisten haben kann. Zum anderen hat die durch die Sicherheitsbehörden vorgenommene Analyse der bekannt gewordenen Umfeldinformationen zu 677 der bislang rund 760 Personen, die aus islamistischer Motivation aus Deutschland nach Syrien und in den Irak gereist sind, herausgearbeitet, welch hohe Bedeutung unterschiedliche externe Faktoren für den Radikalisierungsprozess des Einzelnen haben – dass sich Radikalisierung eben im Regelfall nicht „einsam“ ereignet. Die Analyse hat darüber hinaus erneut den bereits seit längerem bekannten Befund bestätigt, dass für die eigentlichen Sicherheitsbehörden im Regelfall nur ein sehr kurzer Zeitraum für tatsächliche Interventionsmaßnahmen besteht und dass eine frühzeitige Unterbrechung des Radikalisierungsprozesses eine sehr viel höhere Erfolgswahrscheinlich hat.

Deshalb ist nunmehr neuer Schwung in die Diskussion gekommen: Die Innenministerkonferenz hat Anfang Dezember nunmehr doch die Bremer Initiative aufgegriffen und sich für eine Nationale Präventionsstrategie ausgesprochen, um alle bereits beteiligten Akteure wirkungsvoll zu vernetzen und die jeweiligen Maßnahmen unbeschadet re­gi­o­nal­spe­zi­fi­scher, besonderer Handlungsanforderungen in einen kohärenten bundesweiten Aktionsplan ein­zubinden. Am 14.12. hat sich auch die CDU – immerhin die „Kanzlerinnenpartei“ – auf ihrem Bundesparteitag in einem Leitantrag zur inneren Sicherheit dieser Forderung angeschlossen.

Diese Willensbekundungen gilt es jetzt in konkrete Schritte umzusetzen. Eine Nationale Präventionsstrategie gegen gewaltbereiten Extremismus muss den Rahmen für die Umsetzung von Präventions- und Deradikalisierungs­maß­nahmen auf allen Ebenen bilden. Innerhalb dieses Rahmens sollen die jeweils zuständigen Stellen dann unter Berück­sich­ti­gung regionaler Besonderheiten die geeigneten Maßnahmen er­arbeiten und durchführen. Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Ziel muss es sein, alle beteiligten Stellen – sowohl vertikal (Bund, Länder, Kommunen) als auch horizontal (unter Einschluss aller betroffenen Ressortbereich, also neben den Innenministerien mindestens auch die Sozial-, Bildungs und Justizbehörden) – an einen Tisch zu bringen, um eine abgestimmte bundesweite Präventionsstrategie gegen ge­walt­bereiten Extremismus zu entwickeln. Dabei ist die Einbeziehung wissenschaftlicher Expertise und die Berücksichtigung der Erfahrungen in anderen westeuropäischen Staaten meines Erachtens unerlässlich.

Der Psychologe und Präventionsberater Ahmad Mansour hat zur Bedeutung der Präventionsarbeit gegen jihadistischen Islamismus jüngst von einer Generationen-, ja sogar von einer Jahrhundertaufgabe gesprochen.

Klar dürfte sein: Wir haben jedenfalls keine Zeit mehr zu verlieren.

Dr. Daniel HeinkeDr. Daniel H. Heinke ist Mitglied des Instituts für Polizei- und Sicherheitsforschung (IPoS) der HfÖV Bremen und Associate Fellow des International Centre for the Study of Radicalisation and Political Violence (ICSR), King’s College London. Im Hauptberuf leitet er den Planungsstab beim Senator für Inneres, Bremen. In dieser Funktion ist er für die Initiative ‚Nationale Präventionsstrategie‘ verantwortlich.

Der Beitrag repräsentiert nicht notwendigerweise den Standpunkt oder die Bewertung der Freien Hansestadt Bremen.

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