von Fabian Hanschen
Anfang der Woche hat Innenminister Hans-Peter Friedrich den Startschuss für das Nationale Waffenregister (NWR) für Januar 2013 angekündigt. Das sei ein sehr konkreter Beitrag zur öffentlichen Sicherheit, so Friedrich. Ob das Register wirklich „erheblich zur Verbesserung der Sicherheitslage“ beiträgt, daran bestehen allerdings berechtigte Zweifel. Die Argumente der Kritiker und Befürworter sind dabei zwar nicht neu, trotzdem lohnt ein Blick auf die Struktur der Diskussion – und einer nach Kanada, das Teile seines Waffenregisters Anfang des Jahres wieder abgeschafft hat.
Als am 11. März 2009 ein 17-Jähriger in einer Schule im baden-württembergischen Winnenden 15 Menschen und danach sich selbst tötete, erlebte der Ruf nach einer strikteren Waffenkontrolle neue Schubkraft. Effektive Maßnahmen zur Eindämmung des Waffenmissbrauchs sollten geschaffen werden, beispielsweise wurde das Mindestalter für Waffenbesitz heraufgesetzt.
Der Amoklauf von Winnenden und der von Erfurt 2002 dienen nun vielen Medien als Bezugspunkt in der Diskussion um ein verschärftes Waffenrecht. Ob taz, Welt oder Spiegel (der die Meldung gleich zur Themenseite „Winnenden“ zugeordnet hat), oft wurde die Entscheidung zum NWR „unter dem Eindruck von Amokläufen, etwa in Erfurt oder Winnenden, beschlossen“ (taz.de: Pistolen und Gewehre in einer Datei, 19.11.12). Dabei ist die Einrichtung des NWR lediglich die Antwort auf eine EU-Richtlinie, die bis 2014 die Einrichtung nationaler Zentralregister vorsieht.
Mit dem Bezug auf die Amokläufe wird der Beschluss für das Register in den Kontext von Ereignissen gestellt, die stark emotional aufgeladen sind und deren Verhinderung wünschenswert ist. Die Amokläufe als Teil des Waffenrechtsdiskurses liefern dabei sowohl Befürwortern als auch Kritikern des Registers Argumente. Erstere, etwa BKA-Chef Jörg Ziercke oder die Gewerkschaft der Polizei, freuen sich über schnelleren Datenzugriff und effektivere Möglichkeiten der Überprüfung potenzieller Täter. Kritiker meinen, wohl zu Recht, ein Amoklauf könne so nicht verhindert werden, das Register könne im besten Fall das subjektive Sicherheitsempfinden steigern, die objektive Sicherheitslage würde nicht verbessert. Beispiele dafür seien die hohe Zahl illegaler Waffen (die im NWR nicht erfasst werden werden) in Deutschland oder der geringe Anteil von Schusswaffendelikten.
Der Diskurs in Deutschland scheint sich also vor allem entlang der Effektivitätsfrage zu bewegen, obwohl auch datenschutzrechtliche Bedenken geltend gemacht werden könnten. Immerhin handelt es sich beim NWR um die Zusammenfassung von rund 550 dezentralen Registern zu einer großen Datenbank. Das sonst so sensible Thema Datenschutz spielt aber in diesem Fall kaum eine Rolle und wird vom Diskurs über individuelle körperliche Sicherheit und Effektivität überlagert. Parteipolitisch haben lediglich die Piraten datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet und sich für eine anonymisierte Datei ausgesprochen.
Effektivität spielt auch in Kanada eine Rolle, dort wird der Diskurs aber um das Element des klassischen Konflikts zwischen staatlicher Kontrolle und bürgerlicher Freiheit ergänzt. Das Land hat Anfang des Jahres Teile seines zentralen Waffenregisters gelöscht, die Datenbank für Langwaffen wurde nach 17-jährigem Bestehen abgeschafft (Ausnahme: Quebec). Die Begründung des kanadischen Ministers für öffentliche Sicherheit Vic Toews:
“It does nothing to help put an end to gun crimes, nor has it saved one Canadian life. It criminalizes hard-working and law-abiding citizens such as farmers and sport shooters, and it has been a billion-dollar boondoggle left to us by the previous Liberal government.”
Während hier also das Effektivitäts- und Kostenargument im Vordergrund steht, sehen andere Kommentatoren klassische Konfliktlinien als prägend:
„The rifles and shotguns I have locked up in my gun safe are nobody's business but mine.“
„Why is it that my records have not only been destroyed, but are actually still being accessed by various government snoops?”
Das in Kanada heiß diskutierte Thema wird also entlang beider Konfliktlinien aufgearbeitet. Natürlich gilt auch hier wieder, dass im Frame des Bürgerrechts sowohl für als auch gegen ein Register argumentiert werden kann.
Ob ein solches Register in Deutschland wieder abgeschafft wird wie in Kanada, ist (auch aufgrund der EU-Richtlinie) natürlich mehr als fraglich. Festzuhalten bleibt, dass der Diskurs hier entlang anderer Konfliktlinien verläuft als in Kanada, Effektivität aber ein zentrales diskursives Element in Begründungsstrategien für Regierungspolitiken zu sein scheint. Sie ist einfacher zu objektivieren und kann durch Zahlen und Fakten vermeintlich messbar gemacht werden. Vermeintlich.