Jg. 43, H. 3 – Themenheft „Thomas Manns transatlantische Autorschaft“, hg. von Tobias Boes und Kai Sina. Mit Beiträgen von Roman Seebeck, Veronika Fuechtner, Todd Kontje, Maryann Piel, Paulo Soethe, Morten Høi Jensen und Nikolai Blaumer

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Tobias Boes (Notre Dame) / Kai Sina (Münster)
Editorial, S. 175-180

Roman Seebeck (Münster)
Verkörperung des Intermediären. Überlegungen zu Thomas Manns amerikanischer Vortragskunst, S. 181-188

Abstract
Thomas Mann wurde in den Vereinigten Staaten innerhalb kürzester Zeit zum gefeierten public intellectual. Einzen trales und bisher kaum untersuchtes Element des Amerikaner-Werdens des Autors war sein Engagement als Redner auf dem lecture circuit, einer institutionell und gesellschaftlich fundierten genuinen amerikanischen Vortragskultur. In meinem Beitrag argumentiere ich, dass Thomas Manns Agieren auf den Vortragsbühnen des Landes einerseits als Medium des Autors zur kulturellen Annäherung an die Vereinigten Staaten diente und andererseits entschieden dazu beitrug, dass Thomas Mann zu einer gewichtigen Stimme im transatlantischen Diskurs der Kriegsjahre werden konnte.

Veronika Fuechtner (Hanover, USA)
Die Welten der Manns, S. 189-196

Abstract
„Die Welten der Manns“ zeichnet die öffentliche Faszination für die Familienbiografie der Manns und ihre politische Relevanz über die Jahrzehnte hinweg nach. Die Manns selbst bastelten schon an einer Familienfiktion, die ihr Leben und ihre Literatur als exemplarisch deutsch positionieren sollte. Doch die vielen Migrationen in dieser Familienbiografie, und auch die Weise, in der die Manns im Ausland gelesen werden, zeigen, wie sehr diese Familie auch in anderen Heimaten und Sprachen lebte und schrieb und ihnen letztlich auch heute noch zugehört.

Todd Kontje (San Diego)
Joseph in America, S. 197-204

Abstract
This short essay focuses on the most “American” of Mann’s novels in the larger context of his fictional universe. Joseph der Ernährer offers an oblique response to Nazi Germany refracted through the lens of ancient Egypt, but it also reflects Mann’s ongoing engagement with the meaning of America. Mann creates a comic counterpart to historical tragedy, granting humanity a vision of redemption in an utterly debased world. The laudable cosmopolitanism of Mann’s world view unfortunately goes hand in hand with a less admirable tendency to project racial difference and sexual desires onto “dark” continents in his literary works.

Maryann Piel (Chicago)
Celebrity and the Cultural Nation. Thomas Mann’s Lotte in Weimar, S. 205-212

Abstract
Mann’s 1939 Goethe novel, Lotte in Weimar, is a valuable text through which to understand the role of celebrity in the literary and political landscape of the early 20th century. I explore the ways in which an engagement with the field of Celebrity Studies makes possible a reading of Mann’s Goethe as a palimpsest of the historical celebrity author, Mann, a 20th century celebrity author, and Hitler, Germany’s most famous politician in the media age. Mann’s own experiences in the spotlight, especially those gathered in his exile years, inform the social and familial relationships at the center of the novel. Furthermore, Mann takes an ironic stance towards the “Goethe Mythos,” thereby undermining the validity of the cult of genius and inviting a reading that recognizes its shared features with the cult of modern celebrity that made possible Hitler’s rise to power.

Paulo Soethe (Curitiba)
Der Zauberer im Netz. Literatur und Leben in der brasilianischen Rezeption des Zauberberg, S. 213-220

Abstract
Der Beitrag befasst sich mit der neueren Rezeption von Thomas Manns Der Zauberberg in seinem ‚Mutterland‘ Brasilien. Der familiengeschichtliche Hintergrund wird kurz dargelegt, aktuelle Daten zur Zirkulation und Rezeption der brasilianischen Übersetzung des Romans in der Neuausgabe von 2016 werden besprochen. Der Sichtbarmachung von individuellen Leseerfahrungen und der Entstehung literarischer Diskurse in den Sozialnetzwerken schenkt der Text besondere Aufmerksamkeit: Das Beispiel aus Brasilien macht erstens deutlich, dass der mittlerweile hundert Jahre alt werdende Roman von Thomas Mann gerade jetzt unter vielen, auch jüngeren Leserinnen und Lesern großen Anklang findet, und zweitens, dass durch Digitalisierung und neue Herangehensweisen wie die Netnography auch zum Werk des ‚Zauberers‘ ein neues, ergiebiges Areal der international und interdisziplinär ausgerichteten Forschung entsteht.

Morten Høi Jensen (Brooklyn, New York)
The Question of Why. Der Zauberberg and the Meaning of Life. An Essay, S. 221-226

Abstract
This essay examines why ordinary readers, even a hundred years after its publication, are still drawn to Der Zauberberg not just for its formal appeal, but also for its revelatory potential, its promise of holding deep significance. The “novel of ideas” has been repeatedly discredited throughout the twentieth century, and Thomas Mann has sometimes been discredited as a fusty practitioner of the genre. Yet something about Der Zauberberg seems to transcend the limitations of this form.

Nikolai Blaumer (Berlin)
Selbstprüfung. Versuch über Thomas Mann und eine vergessene politische Tugend, S. 227-231

Abstract
Seit seiner Hinwendung zur Demokratie kultivierte Thomas Mann eine politische Tugend, die gerade für einen Intellektuellen seiner Generation alles andere als selbstverständlich war. Er scheute sich nicht, sein eigenes Denken fortwährend kritisch zu prüfen und Positionen auch öffentlich zu korrigieren. Jene bemerkenswerte Qualität Thomas Manns ist lange übersehen worden. Sie sollte gerade angesichts der politischen ‚Zeitenwende‘ unserer Tage Vorbild sein.

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