OpenCourse 2011

Zukunft des Lernens

Virtuelle 3D-Seminare bieten durchaus viel Präsenz

Publiziert am von Dörte Giebel

Erfahrungsbericht zu Second Life – mein Beitrag zur 3. Woche des OpenCourse 2011

Der Open Course 2011 ist in vollem Gange, und weil es in dieser Woche um Lerntechnologien geht, hätte ich gern ein wenig mehr Zeit gehabt, um über meine wirklich positiven Erfahrungen mit Veranstaltungen in Second Life zu schreiben, denn ich habe dem Blog-Post von KhPape durchaus etwas entgegen zu setzen. Doch ich schaffe es iin diesen Tagen nicht (und warum nicht, lest Ihr morgen in meiner Wochenrückschau…). Und deshalb bleibt mir hier grad nur, auf meinen Erfahrungsbericht zurückzugreifen, den ich schon vor einer guten Weile in meinem privaten Blog veröffentlicht hatte, und zwar mein Beitrag zur 10. Ausgabe des Blog Carnival von WissensWert zur Frage “Funktionieren eigentlich Online-Seminare und -Konferenzen?” (ein Blog-Projekt an dem der OpenCourse-Initiator Jochen Robes beteiligt ist).

Im Erfahrungsbericht unten gehe ich unter anderem auf eine Second-Life-Workshop-Session ein, die aufgezeichnet wurde, so dass Ihr Euch hier selbst einen Eindruck davon verschafen könnt, wie virtueller 3D-Raum auf eine Weise genutzt werden kann, die das flache Netz (z. B. Ustream, Adobe Connect usw.) für Live-Sessions nicht bietet. Falls Ihr Euch fragt, wer diese Dora Quar ist, die den hier wiedergegebenen Workshop moderiert: Das bin ich bzw. mein SL-Avatar:

Es handelt sich hier um die Aufzeichnung einer Sitzung des Arbeitskreises E-Learning in Second Life, durchgeführt von SLTalk, die zukünftig auch das fakultative Begleitseminar im Social-Media-Fernlehrgang umsetzen. Ich möchte aber betonen, dass es einen großen Unterschied macht, ob man eine Video-Aufzeichnung sieht oder eine Sitzung “inworld” als Avatar live miterlebt!

Jochen Robes hatte damals in einem Kommentar im Carnival-Beitrag von Ellen Trude zugegeben, mit der virtuellen 3D-Plattform Second Life keine Erfahrung zu haben. Deshalb fand ich es reizvoll, den Faden aufzunehmen, den Ellen – aka Jule Tenenbaum (SL) – in ihrem faszinierenden Rundumschlag aus 10 Jahren Praxiserfahrungen in der Entwicklung und Implementierung von eLearning und eTraining begonnen hat zu spinnen…

Seit August 2009 erkunde ich als Dora Quar die virtuelle Welt Second Life. So habe ich zum Beispiel im Oktober 2009 an der eintägigen Konferenz Island Day 09 auf European University Island in Second Life teilgenommen, unter anderem organisiert von der Universität Bielefeld. Meine Geburtshelfer von SLTalk & Partner haben mich schnell auf ihren Arbeitskreis “E-Learning in virtuellen Welten” aufmerksam gemacht. Seit September 2009 nehme ich an den regelmäßigen Sitzungen teil, war aktiv in die Vorbereitung einer Sitzung einbezogen – und konnte am 14. Januar 2010 erstmalig eine AK-Sitzung selbst leiten. Es war übrigens richtig voll: 35 Avatare haben sich die Ehre gegeben…

Meine Erfahrungen als Inworld-Referentin/-Moderatorin

An dieser Stelle möchte ich meine Erfahrungen als Referentin und Moderatorin einer Online-Sitzung des Arbeitskreises eLearning zusammen fassen.

1. Die Kombination aus Voice und Textchat

Etwas, was sicherlich auch andere Online-Plattformen bieten, ist die Kombination aus Voice und Textchat. Es war mir als Impulsreferentin möglich, parallel zu meinem Vortrag die Kommentare im Chat zu lesen und direkt darauf einzugehen (das verlangt ein wenig Multitasking und bleibt ab und zu lückenhaft, ist aber im Prinzip nichts anderes, als wenn Real Life Events mit einer Twitterwall unterstützt werden). Außerdem sind so Randkommentare möglich und es kann spontane Zustimmung oder Ablehnung signalisiert werden, ohne dass dies den Vortragsfluss stören muss.

2. Der Ich-bin-mittendrin-und-nicht-nur-dabei-Effekt

Doch in Second Life kommt etwas hinzu, was 2D-Lösungen nicht bieten: die RÄUMLICHE Verortung, die simulierte Anwesenheit in einem RAUM. Dies sorgt für eine gefühlte Präsenz, die über die bei Video-Konferenzen meines Erachtens hinausgeht. Eine emotionale Involviertheit – auch Immersion genannt – entsteht. Dies ist für den Denk- und Merkprozess von enormem Vorteil.

3. Interventionstechniken wie in Präsenzseminaren auch

Der virtuelle RAUM ermöglicht zudem den Einsatz von Interventionstechniken, die wir sonst nur aus Präsenzseminaren kennen. So habe ich in der von mir geleiteten Inworld-AK-Sitzung viel mit Gruppenaufstellungen nach dem Prinzip der Soziometrie gearbeitet, wie ich sie aus meiner Coaching-Ausbildung kenne. Dia Diqui (im echten leben der 3D-elearning-Experte Matthias Rückel) hat dies in seinem Feedback dies “Abstimmung mit den Füßen” genannt, und tatsächlich bedeutet es schlichtweg, dass alle Teilnehmer/innen sich zu einer Frage positionieren müssen, im wahrsten Sinne des Wortes eben.

Durch diese aktive Beteiligung wird nicht nur die Aufmerksamkeit geschärft, sondern auch das Vorgetragene intensiver aktiv reflektiert und auf sich selbst bezogen, als wenn man still auf seinem Stuhl sitzen bleibt (real oder virtuell). Meine Erfahrung ist, dass dies im Virtuellen tatsächlich genau so gut funktioniert wie im realen – eventuell sogar noch besser, weil die Kameraführung es erlaubt, sich auch mal von oben einen Überblick zu verschaffen, was einem im Realen verwehrt bleibt. Das Schöne an Soziometrie-Aufstellungen in Workshops ist, dass die Gruppe viel mehr über sich, die Zusammensetzung und die einzelnen Teilnehmer/innen erfährt und intensiver ins Interagieren kommt. Second Life bietet ergänzend die Möglichkeit, dass Einzelne untereinander IMs austauschen können (entspricht dem privaten Chat – und dem störenden Flüstern in real Life… im Virtuellen wird die Grupe dadurch keineswegs gestört. So können sich spontane Randgespräche entspinnen, die durchaus frtuchtbar sein können – hauptsache man verliert den Anschluss beim “Hauptgeschehen” nicht…). Angeregt durch die sichtbar gemachten Positionen zu einzelnen Aspekten, können alle schnell untereinander in Kontakt treten.

4. Mehr als nur eine Conferencing-Technik – eine ganze Welt…!

Was Second Life für mich als Conferencing- bzw. eLearning-Tool so überaus attraktiv macht, ist etwas, das so keine andere Software oder Plattform in dieser Weise bietet: Second Life bildet eine Art Welt, in der ich reisen kann. Ich kann schnell andere Orte besuchen – so zum Beispiel die virtuellen Niederlassungen anderer Universitäten. Auf meinen Streifzügen durch Second Life bin ich so zum Beispiel spontan zu einem offenen Meeting der SL-Aktiven an der University of Helsinki dazu gestoßen und wurde herzlich in ihrer Mitte aufgenommen. Und ich habe mich spontan bei den offenen Vorbereitungstreffen der weltgrößten eLearning-Konferenz in Second Life – der “Virtual World Best Practices in Education 2010″ – eingeklinkt. Diese Erfahrungen und spannenden Begegnungen mit anderen eLearning-Experten wären mir in geschlossenen webbasierten Conferencing-Systemen natürlich verwehrt geblieben.

…wie, gar keine Probleme?

Wenn ich hier so begeistert über Second Life als Stellvertreter für virtuelle Welten im Einsatz für Online-Seminare und -Konferenzen spreche, so möchte ich nicht verhehlen, dass es auch Hüprden, Schwierigkeiten und Grenzen gibt. Die größte Hürde ist meines Erachtens im Moment das wirklich stark angeschlagene Image von Second Life. Im Hype verbrannte Erde will von vielen nun nicht (mehr/wieder) betreten werden. Was darüber hinaus an Hürden oft kolportiert wird – der Aufwand, sich mit dem System vertraut zu machen, um sich halbwegs souverän durch SL bewegen zu können, und die Anforderungen an die Grafikkarte und den Arbeitsspeicher im eigenen Rechner – halte ich persönlich für übertrieben. Denn muss man sich nicht mit jedem aufwändigen webbasierten Conferencing-System ausführlich vertraut machen, um es wirklich effizient und kreativ einsetzen zu können? Und mein kleiner alter und günstiger Rechner von Aldi lässt mich in Second Life so gut wie nie hängen.

So weit meine ersten Reflektionen zum Einsatz von 3D-Welten für Online-Seminare und -Konferenzen… Ach ja, und für alle, die sich fragen, wie man denn in Second Life mit Powerpoint präsentiert. Ganz einfach: Die Charts in JPGs umwandeln und ins eigene SL-Inventar hochladen, von dort aus werden sie per virtuellem Laptop auf eine virtuelle Leinwand projiziert

Zu guter Letzt bleibt mir zu sagen, dass ich gerne bereit bin, allen, die sich gern einmal persönlich einen Eindruck von den aktuellen Möglichkeiten von Second Life verschaffen wollen, eine kleine Führung durch die virtuelle Welt zu bieten.

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Links ins Netz:

Eine fundierte Auseinandersetzung mit den Chancen und Risiken in punkto Teilnehmeraktivierung in Second-Life-Seminaren gibt es übrigens auch im Blog lernenzweinull.de.

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oulblog | Was wir wirklich lernen müssen

Publiziert am von Frank Wessel
Eim Erklärung für die Zehnzahl der Gebote im Judentum ist ganz einfach: Für jeden Finger eins…. Nicht nur deshalb erscheint mir der Hinweis von Thomas Mauch: Unsere Zukunft: Was wir wirklich lernen müssen » imgriff.com mit der deutschen Übersetzung eines … (weiter)
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oulblog | Von iPads, eBooks & Virtual Classrooms

Publiziert am von Frank Wessel
Ermattet vom dem ustream, dass in dieser Woche des opco 2011 von Prof. Dr. Detlef Krömker, und David Weiß (studiumdigitale, Goethe-Universität Frankfur) bestritten wurde, denke ich an eine Kollegin vor Jahren am Institut: Während wir erste Schritte mit damals noch neuen … (weiter)
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Sprachlehrerwettbewerb „Social Media“

Publiziert am von Gaby Goldberg

Der Aufruf kommt passend: Das  Europäische Forschungsnetzwerk „Language Learning and Social Media – 6 Key Dialogues“ lädt alle SprachlehrerInnen  ein, am Wettbewerb Social Media-Einsatz beim Sprachenlernen in formalen Lernkontexten 2011 teilzunehmen.  Einsendeschluss ist der 30. Juli.

Informationen unter:

http://teaching-practices-contest.elearningeuropa.info/de/node/5817


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Analog oder digital?

Publiziert am von Gaby Goldberg
 „Good teachers never teach anything. What they do is create the conditions under which learning takes place.“  – (Samuel Ichiye Hayakawa)
Hayakawa hat Recht, finde ich. Und  er verbindet  zwei #opco11-Beiträge, die für mich in den bisherigen Diskussionen die Gegenpole markieren: den von  HerrLarbig und den  zur Konnektivismus-Agenda von George Siemens.
Analog oder digital: Welche Lernumgebung gerade passend ist, muss jede Lehrkraft selbst entscheiden; ebenso, welche Mittel sie wählt. Weder analoge noch digitale Medien sind per se (un)passend. (Wobei ich zugeben muss: die in der HerrLarbig-Liste aufgeführte Kreidetafel, der Overheadprojektor und der Lehrervortrag haben mich erstmal schlucken lassen.  Mit Kreidetafel und Lehrervortrag kann ich mich allerdings unter bestimmten Bedingungen noch anfreunden: wenn nämlich Kreidetafel  für jede andere Art von Tafel/Notizbrett/FlipChart steht und der Lehrervortrag unter sieben Minuten dauert. Der Mehrwert des Overheadprojektors  erschließt sich mir nicht.)
In einem Punkt ist das analoge dem digitalen Lernen ganz sicher überlegen: in der Integration der Sinne, im haptischen Element. Wie HerrLarbig schreibt: „Digitale Lernprozesse führen oft zu einer Entsinnlichung des Lernens.“ Was ein Grund dafür sein dürfte, dass das digitale Lernen das analoge auch bei günstigsten Rahmenbedingungen nie verdrängen wird.
Eine andere Beobachtung von Thorsten Larbig finde ich ebenfalls sehr interessant. Er hat sie in einem Kommentar zu Hannes’ E-Learning-Erfahrungen formuliert: „Im institutionellen Rahmen funktioniert das Lernen mittels digitaler Werkzeuge viel seltener, als man angesichts der öffentlichen Diskussion glauben mag. Meine Hypothese: In formellen Lernprozessen unterliegt E-Learning oft solchen Restriktionen und Kontrollmechanismen, dass es keinen Spaß macht und, wenn nicht der Druck groß genug ist, schläft ein.“
Stichwort Moodle?
Ansonsten möchte ich gern noch auf zwei Artikel zum Berufsbild des Lehrers verweisen, auf die ich vor einigen Wochen  beim Stöbern im „Zeit“- Archiv  (31/2010 – August) gestoßen bin.  Darin werden zwei Lehrertypen einander gegenübergestellt: der – salopp formuliert – frontalunterrichtende alte Haudegen und der methodenwechselerprobte Computerfreak. Beide Artikel suggerieren einen Antagonismus, den es bei Lehrkräften nicht geben sollte: Persönlichkeit versus Methodik.  Das Artikel-Fazit: „Anscheinend ist die Methodik am Ende doch nur zweitrangig. Viel entscheidender wirken das Auftreten, die Persönlichkeit eines Lehrers. Wenn die Schüler merken, da macht sich einer Gedanken um sie, nimmt sie ernst und ist von seinem Fach begeistert.-“

Ich denke,  egal, wen und welche Altergruppe in welchem Rahmen man unterrichtet, ob digital oder analog: Das eine kann nicht als Entschuldigung für das Fehlen des anderen benutzt werden. Das Plädoyer sollte lauten: Persönlichkeit und Methodik.

Die Links zu den beiden Artikeln:

http://www.zeit.de/2010/31/Lehrer-alt?page=1

http://www.zeit.de/2010/31/Lehrer-jung


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Mein Top-Tool

Publiziert am von Gaby Goldberg

Außerhalb jeder Konkurrenz rangiert für mich dieses Tool ;-) :


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Die 8 besten (?) Werkzeuge des analogen Lernens und Lehrens

Publiziert am von jrobes

Wenn man nach den “Top Ten Tools for Learning” fragt, wie wir in dieser dritten Woche des OpenCourses “Zukunft des Lernens”, dann darf man zwei Reaktionen erwarten: Es gibt eine Gruppe, die den Ball spielerisch aufnimmt und umgehend eine entsprechende Liste entwickelt. Und eine andere Gruppe, die sich herausgefordert sieht, die Frage “gegen den Strich zu bürsten”. Das hat Torsten Larbig, der jetzt wahrscheinlich nur ein paar Straßen von mir entfernt sitzt, ausführlich getan und ein lesenswertes Ergebnis produziert:

“Die Selbstverständlichkeit, so sehr ich diese im Gesamtkontext dieses Kurses auch nachvollziehen kann und mich ihrer oft selbst bediene, mit der bei Lerntechnologien heute von digitalen Lerntechnologien gesprochen wird, erstaunt mich immer wieder.
Lernende lernen analog, unabhängig davon, wie digital die zum Lernen genutzten Medien auch immer sein mögen. Der Lernprozess des individuellen Menschen findet nicht binär statt, sondern in der komplexen Struktur des Gehirns und des ganzen Körpers.”
Alles weitere bei Herrn Larbig …
Torsten Larbig, herrlarbig.de, 18. Mai 2011

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E-Learning-Erfahrungen – #opco11

Publiziert am von hsander.net
Ich nehme die Frage auf der #opco11-Webseite zum Anlass, einmal die im Lehramtsstudium an der Uni Hamburg gemachten Erfahrungen mit E-Learning zu schildern. Gerne würde ich auch über Erfahrungen in Schulpraktika berichten. Doch: Dort habe ich bishe
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Meine „Top Ten Tools for Learning“ sehen etwas anders aus, …

Publiziert am von annesopco11

 … als bei anderen, denn sie sind geprägt von einem mehrjährigen Aufenthalt in China:

1. Freier (ohne gesperrte Seiten) und funktionierender Internetzugang (siehe Joachim Wedekinds Hinweis auf den freien Zugang zum Wissen: das wird vor dem Hintergrund erschwerter Zugangsbedingungen auf einmal enorm wichtig)

2. Textmarker und Texte/ Stift und Papier (bei fehlender Internetanbindung und fehlender Stromzufuhr und auch sonst immer sehr schön)

3. mein Smartphone incl. der Apps vor allem zum Sprachenlernen

4. RSS-Feedreader

5. Nach wie vor: das Buch (vor allem gedruckt aber auch elektronisch)

6. VPN-Zugang (um geblockte Seiten zu lesen)

7. Wikipedia

8. WordPress

9. Moodle

10.  und last but not least der Chinesische „Nackenklopfer“ aus Holz, um zwischendurch Schulter- (und Denk-)blockaden zu lösen


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Die 8 besten (?) Werkzeuge des analogen Lernens und Lehrens

Publiziert am von Herr Larbig

Die einen fragen, was heute zu lernen sei und gehen damit wohltuend von den Tools des Lernens weg hin zu den Inhalten. Prima.

An anderer Stelle geht es in einem Offenen Kurs (Open Course) um die Zukunft des Lernens und in der dritten Woche, in der sich dieser Kurs nun befindet, geht es um die Tools des Lernens, mit denen dann gelernt werden soll, was zu lernen ist, wie auch immer diese Inhalte / Kompetenzen dann näher definiert sind.

Die Überschrift der dritten Woche des Offenen Kurses zur »Zukunft des Lernen« lautet: »Von iPads, eBooks & Virtual Classrooms. Lerntechnologien«.

Die Selbstverständlichkeit, so sehr ich diese im Gesamtkontext dieses Kurses auch nachvollziehen kann und mich ihrer oft selbst bediene, mit der bei Lerntechnologien heute von digitalen Lerntechnologien gesprochen wird, erstaunt mich immer wieder.

Lernende lernen analog, unabhängig davon, wie digital die zum Lernen genutzten Medien auch immer sein mögen. Der Lernprozess des individuellen Menschen findet nicht binär statt, sondern in der komplexen Struktur des Gehirns und des ganzen Körpers.

Deshalb gibt es von mir an dieser Stelle keine Top-Ten-Liste der wunderbarsten digitalen Lernwerkzeuge, auch wenn ich eine solche erstellen könnte, sondern – völlig unzeitgemäß – eine Liste analoger  »Werkzeuge« des analogen Lernens und Lehrens. Die Reihenfolge ist zumindest nicht konsequent hierarchisch gemeint; die Liste ist bestimmt nicht vollständig und überhaupt vor allem eine Anregung zur Erweiterung der Diskussion. Die Zukunft des Lernens bringt neue Technologien mit sich. Sollen diese Technologien die analogen ersetzen? Wo können sie das? Was können sie nicht leisten? Wo sind analoge Werkzeuge vielleicht unabdingbar?

Wenn der offene Kurs »Die Zukunft des Lernens« heißt, so halte ich eine Reduktion auf zukünftige Lerntechnologien zu kurz gegriffen.

Ich bin mir nicht sicher, ob ich hier nun zuspitze, übertreibe, provozieren will, denn ich weiß sehr wohl, dass nicht alle meine Äußerungen in diesem Beitrag auf umfassende Gegenliebe stoßen dürften. Aber dennoch: Ich finde, es lohnt, nicht nur von digitalen Tools zu sprechen (obwohl ich ja zum Beispiel hier genau ein solches nutze, um über analoge Werkzeuge zu sprechen), sondern auch einmal zu fragen, welchen Wert und welchen Platz analoge Werkzeuge des Lernens in der »Zukunft des Lernens« haben.

Also los…:

Die Sinne (Sense Organs)

Die Sinnesorgane des Menschen sind nach wie vor in der Regel analog, solange nicht digitale Prothesen zum Einsatz kommen. Sie sind für Lernprozesse unerlässlich. Und damit sind nicht nur der Hör- und Sehsinn gemeint, die auch bei digitalen Lernprozessen am Computer zum Einsatz kommen. Der Tastsinn kommt in digitalen Zusammenhängen viel zu kurz. Will ich etwas über Bäume und Wälder wissen, so muss ich Baumrinde spüren können, den Geruch des Waldes (zu unterschiedlichen Tages- / Jahreszeiten) einatmen. Will ich etwas über (gesunde) Ernährung wissen, dann fördert der Einsatz des Geschmackssinnes dieses Lernen sehr. Lernen ist ein sinnlicher Prozess. Digitale Lernprozesse führen oft zu einer Entsinnlichung des Lernens. Vielleicht sind deshalb zum Beispiel Videos von Vorträgen viel beliebter als reine Audiomitschnitte, obwohl der Informationsgehalt zur Sache identlisch ist.

Lehrervortrag (Teachers Lecture)

Ja, es gibt viel zu wenige Lehrende, die in der Lage sind, einen guten Lehrervortrag zu halten. Oder sind es doch die Bedingungen, die es unmöglich machen, sich angemessen auf einen guten Lehrervortrag vorzubereiten, da in den meisten Lehr-Lern-Zusammenhängen die zur Vorbereitung benötigten Zeitfenster nicht gelassen werden?

Ja, es ist verdammt schwer, einen guten Lehrervortrag zu halten. Ja, es ist völlig unmodern, überhaupt davon zu sprechen, dass das mit dem Lehrervortrag eine tolle Sache ist. Und dennoch zähle ich den (gelungenen) Lehrervortrag zu den Top-Ten der Werkzeuge des analogen Lernens. Was aber ein gelungener Lehrervortrag ist, ist damit noch nicht gesagt:

  • Ein gelungener Lehrervortrag hat die Lernenden im Blick. Inhaltlich und sprachlich hat er sich an den Fähigkeiten der Lernenden zu orientieren und diese gleichzeitig zu erweitern.
  • Ein gelungener Lehrervortrag führt zu einem Mitdenken der Lernenden.
  • Ein gelungener Lehrervortrag fördert Erkenntnisprozesse und die Lust an der Erkenntnis.
  • Ein gelungener Lehrervortrag befähigt zu praktischem Handeln, leitet zu diesem über, leitet von einem frontalen Lehr-Lern-Zusammenhang in andere Arbeitsformen über, in denen geübt wird, in denen Teilaspekte des »Inputs« vertieft, in denen »Output« entsteht und »Wissen« praktisch angewendet wird.

Lernendenaktivität (Activities of Learners)

  • Es ist zunächst einmal kein Werkzeug, wenn Lernende eigenständig arbeiten, bei dieser Arbeit bedient man sich eher unterschiedlicher Werkzeuge – und die Frage, ob diese analog oder digital sind ist eine nachgelagerte Frage.
  • Dennoch führe ich die Eigenaktivität Lernender hier unter den Werkzeugen auf, weil es sich dabei aus der Sicht des Lehrenden durchaus um ein »Instrument« handelt, das Lernen ermöglicht. Und da ich hier von den besten analogen Werkzeugen des Lernens und Lehrens schreibe, hat diese Eigenaktivität hier ihren Platz.
  • Der Lehrende soll sich, sein Wissen und seine Erfahrungen den Lernenden nicht verweigern. Deshalb der eigene Unterpunkt zum »Lehrervortrag«. Ich habe an der Universität selbst Veranstaltungen erlebt, in denen der Professor nur auftrat, wenn es darum ging, die Referate für das Semester zu verteilen und in der letzten Sitzung eine Zusammenfassung der Veranstaltung zu versuchen. Dazwischen wurde in den »selbst verwalteten Lernprozess« der Studierenden selbst dann nicht eingegriffen, wenn gröbste Fehler in langweilgsten Referaten verbreitet wurden.
  • Zu diesem Nicht-Verweigern des Lehrenden gehört aber auch, dass er den Lernenden ihren Freiraum lässt, um sich selbst und die gewonnenen Kenntnisse auszuprobieren, um aus Kenntnissen Erkenntnisse werden zu lassen. Da es sich aber um Lernendenaktivität handelt, begleitet der Lehrende diese wertschätzend und kritisch. Das kann durchaus auch darauf hinaus laufen, dass eine Ergebnispräsentation, die oberflächlich und ohne großen Erkenntniswert ist, in der sich auch Beratungsversuche der Lehrenden nicht erfolgreich niedergeschlagen haben, entsprechend kritisch besprochen wird.
  • Diese Freiräume, die durchaus großzügig bemessen sein dürfen, müssen nicht analog sein ( – es sei denn, es wird gerade der Umgang mit einem Sportgerät oder ähnliches gelernt).
  • Diese Freiräume müssen nicht digital sein ( – es sei denn, es wird gerade der Umgang mit digitalen sozialen Netzen oder ähnliches gerlernt).

Kreidetafel (Blackboard)

Stromunabhängig und sofort zu Stundenbeginn einsatzbereit. Die einzige Voraussetzung ist, dass Kreide vorhanden ist. Entweder der Kreidevorrat wird zentral gepflegt oder aber man hat seine eigenen Vorräte dabei. Wenn aber Kreide vorhanden ist, ist die Tafel das flexibelste, am schnellsten verfügbare und alles in allem zuverlässigste Instrument zur Darstellung von Gedanken, das in Klassenzimmern vorhanden ist. Mehrfarbigkeit des Tafelbildes ist mit farbiger Kreide schnell umsetzbar. Seit ihrer Einführung in Schulen im 19. Jahrhunderts als ausgereifte und auch in ärmeren Regionen der Welt als Instrument zur Unterstützung von Lernprozessen einsetzbar.

Bibliothek (Library)

  • Eine Gruppe Schülerinnen und Schüler in einer Bibliothek reagiert eigentlich immer gleich, wenn die Jugendlichen nicht sofort an die Computer dürfen: Eigenständig werden Bücher aus den Regalen genommen, durchgeblättert und wenn etwas als interessant empfunden wird, wird das genauer gelesen und auch anderen vorgelesen. Vor dem Hintergrund dieser Erfahrungen stellt die analoge Bibliothek einen Lernraum dar, der selbsttätige Lernprozesse fördern kann. Wichtig ist dabei, dass es von Lehrern akzeptiert wird, dass dieses Lernen nicht in Gruppen stattfindet, sondern die Lernenden zumindest phasenweise auf deren eigene Interessen konzentriert sein lässt.
  • Bemerkenswert: Die Bibliothek als »Lernwerkzeug« ist ein Ort! Auch wenn vielleicht nicht unbedingt ein klassisches Lernwerkzeug, so spielen die »Lernräume« als »Spielräume« gelingender Lern-und Bildungsprozesse eine wichtige Rolle.

Notizblock / Schulheft (Exercise Books)

Sicherlich wird die Frage früher oder später auftauchen, ob mobile Tablet-Computer analoge Formen des Notierens und Übens nicht überflüssig machen, aber da es hier nun einmal um analoge Werkzeuge des Lernens geht, geht es ohne das Schulheft und den Notizblock nicht. Dieses Instrument hat ähnliche Vorteile wie die Kreidetafel. Und da im neuen Kerncurriculum für das Fach Deutsch in Hessen unter anderem die für andere lesbare Handschrift als Kompetenz aufgenommen wurde, gehe ich nicht davon aus, dass die Handschrift in absehbarer Zeit aus der Schule verschwinden wird. Handschriftliches Erarbeiten von Wissen, die händische Aneignung von Fertigkeiten und Kompetenzen, das Erlernen des Handwerks in den einzelnen Fächern und auch fächerübergreifend, ist nach wie vor wichtig und zwar schon alleine, weil unser Gehirn auf eine solche »analoge« Weise lernt.

Stifte (Pen / Pencil)

  • Ganz ehrlich: Wenn ich Bilder von manchen meiner Schülerinnen und Schüler sehe, die mit viel Hingabe gemalt wurden, dann weiß ich um den Wert von Stifen; wenn ich Texte lese, die mit der Handschrift auch etwas von der Person widerspiegeln, die diese Handschrift nutzt, dann mag das Lesen manchmal schwer sein, aber gerade dieses nicht glatte, nicht einfach überfliegbare der Texte hebt noch einmal hervor, dass wir es mit Persönlichkeiten zu tun haben. Im Internet und in Zusammenhängen, in denen es nur noch genormte Druckbuchstabenschriften gibt, geht diese Seite des Persönlichen oft verloren.
  • Wenn ich mir schnell Übersicht über einen Gedankengang verschaffen will, benutze ich nach wie vor Papier und Stifte zum Anfertigen von Notizen, Skizeen etc. – Das geht zwar alles auch auf dem Computer, aber wenn ich etwas wirklich lernen will, brauche ich immer wieder auch einfach mein analoges Werkzeug.

Overheadprojektor (Overhead Projector)

Ich hatte mal eine Lehrerin, die malte wirkliche Tafelbilder – sie muss an den Tagen vor dem Unterricht richtig lange an der Tafel gestanden haben, um ihre Tafelbilder zu zeichnen, was nur ging, weil es sich um einen Lehrgang außerhalb der Schule handelte, bei dem sicher war, dass das Tafelbild am nächsten Tag auch noch da sein würde. Und ähnlich hochwertige, handgefertigte Zeichnungen zur Verdeutlichung von Zusammenhängen brachte diese Lehrerin auf Folien unter. Nie zuvor und nie danach habe ich solch künstlerisch spannenden, ästhetisch ansprechenden Lehrmaterialien gesehen, wie bei dieser Sprachlehrerin.

Klar, heutzutage entstehen die meisten Folien unter Benutzung digitaler Technologie, wenn sie nicht direkt mit einer digitalen Präsentation und Beamer ersetzt werden. Und doch haben Folien nach wie vor auch in analoger, handbeschrifter Form einen möglichen Platz im Unterricht: So können per Folien »Tafelbilder« entstehen, die dauerhafter aufbewahrt werden können und wieder einsetzbar sind. Der Mehrwert gegenüber per Computer generierten »Folien« besteht darin, dass wirklich die ästhetische Erfahrung der Handschriftlichkeit, des analogen Schaubildes erreicht werden, auch wenn Lehrende oder Lernende nicht die genialen Zeichner sind.

Auch wenn der Computer in Kombination mit dem Beamer einen adäquaten Ersatz für den Overheadprojektor (OHP) darstellt: Analog erstellte Folien haben oft eine sehr persönliche, unverwechselbare Note, die genau auf einen Lehrenden verweist. Diese Option sollten wir uns (zumindest hin und wieder) einfach nicht entgehen lassen, denn das außergewöhnliche prägt sich ein, fördert den Lernprozess. Digital erstellte Materialien sind manchmal so »aalglatt« und uniform gestaltet, dass sie das Lernen zumindest nicht durch »persönliche Noten« fördern.

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