Zur Reproduktion raumgreifender Installationskunst

Im Hinblick auf neue digitale künstlerische Entwicklungen (wie beispielsweise den Neuen Materialismus) und der damit verbundenen immer stärkeren Hybridisierung von Original und Reproduktion mag für das Fach der Kunstgeschichte ein medientheoretischer Ansatz zunehmend sinnvoller werden. Arbeiten im Medium der Installationskunst scheinen jedoch hingegen wohl am augenscheinlichsten die Dichotomie zwischen Original und Reproduktion zu postulieren.

Abbildungen von Installationsarbeiten werden in digitalen Sammlungen von Museen wie beispielsweise des MMK Museum für Moderne Kunst in Frankfurt am Main fast ausschließlich als Ausstellungsansichten zur Verfügung gestellt. Diese Tatsache verdeutlicht, dass eine Einbeziehung des Raums in die Abbildung des installativen Werks als Ganzes unumgänglich ist. So erklärt auch Juliane Rebentisch dies als eine für Installationen charakteristische Eigenschaft:

„Wenn es demgegenüber einen gemeinsamen Nenner installativer Kunst gibt, so den, daß es sich im weitesten Sinne um Arbeiten handelt, die sich in recht buchstäblicher Weise auf ihre sichtbaren und unsichtbaren Kontexte hin öffnen beziehungsweise diese explizit thematisieren. Installationen sind kontextsensibel nicht nur hinsichtlich des Innen-oder Außenraums, […], sondern auch hinsichtlich der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen, […].“1

Deutlich wird ersteres besonders am Beispiel der Arbeit The Rope of Life and Other Installations (1983/1995) von Ilya Kabakov, die 1995 vom MMK Museum für Moderne Kunst erworben wurde. Die Installation setzt sich aus diversen Materialien zusammen und nimmt unmittelbar Bezug zum vorhandenen Raum. Der Raum dient für Kabakovs Installation nicht bloß als reiner Ausstellungsrahmen, sondern wird selbst Teil der Arbeit. Alle einzelnen Elemente funktionieren als Ganzes, ihre Maße orientieren sich am Raum. Daraus folgt eine Aufhebung der Grenze zwischen Kunstwerk und Raum.

Die räumlichen Dimensionen lassen sich mit dem wohl gängigsten Abbildungsinstrument, dem Fotoapparat, oftmals schwer mit einer einzelnen Abbildung wiedergeben. Auch bietet der Raum dem Betrachter gewöhnlich multiple Perspektiven, die eine subjektive Wahrnehmung und Erfahrung ermöglichen. Die Abbildung hingegen fordert die Festlegung eines einzelnen Blickwinkels, da die Kamera keine Bewegung im Raum reproduzieren kann. Folglich werden dem Betrachter der Abbildung weitere Perspektiven verweigert.

Nicht nur die visuelle Wiederherstellung des Werks ist für die Erfahrung maßgeblich, sondern vielmehr eine taktil-kinästhetische. Lagen dem Kunstwerk lange objektbezogene Strukturen inne, so zielen Installationen vielmehr auf eine Partizipation von Zeit- und Raumstrukturen.2
Eine Rekonstruktion dessen im Sinne der bisher diskutierten Reproduktionsverfahren erscheint schwierig, außer man beruft sich auf die Möglichkeiten digitaler 3-D-Animationen – die eine wahrhaftige Erfahrung jedoch wohl kaum annähernd ersetzen könnten.

Wird diese erlebnisbasierte Erfahrung als elementare Eigenschaft von Installationskunst eingestuft, so verliert folglich dessen Reproduktion an Authentizität und somit auch an Bedeutung. Das Original kann in seiner Vielschichtigkeit und Komplexität nicht getreu reproduziert werden. Dem am nächsten kann der Rezipient eine solche Arbeit nur über eine Vielzahl an Ausstellungsansichten, Raum- und Installationsmaßen rekonstruieren. Unter Berücksichtigung dieser Argumentation erscheint eine Gleichsetzung von Original und Reproduktion nicht annähernd möglich.

  1. Rebentisch, Juliane: Ästhetik der Installation, 6. Auflage, Berlin 2014, S. 232.
  2. Vgl. Bahtsetzis, Sotirios: Geschichte der Installation. Situative Erfahrungsgestaltung in der Kunst der Moderne, Berlin 2006, S. 11f., URL: https://depositonce.tu-berlin.de/bitstream/11303/1697/1/Dokument_7.pdf (23.03.2016)
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Eine Antwort zu Zur Reproduktion raumgreifender Installationskunst

  1. sroos sagt:

    Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich für Reproduktionen skulpturaler Arbeiten, die dem Credo Barnett Newmans folgen. In den 1960er Jahren integriert er die Funktion des Ortes in den Diskurs um das Verständnis von Skulptur und betont dessen Potenzial, im Rezipieren das Bewusstsein des Betrachters entscheidend mitzugestalten. Denken wir dann beispielsweise an die Bodenplastiken Carl Andres ergeben sich die selben Bedingungen: raumspezifische Skulptur und Umgebung bedingen sich und werden zur Prämisse innerhalb der Rezeption.
    Das Umrunden, Darüberschreiten oder ‚Nicht-bemerken‘ einer Skulptur kann eine zweidimensionale, fotografische Reproduktion nicht mit reproduzieren.

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