In dem Gespräch mit Jana Mangold, die wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Theater und Medienwissenschaften ist, wurde ein Punkt angesprochen, der zum Nachdenken anregt. Sie sagte, dass in den Medienwissenschaften keine Fälschungen oder Kopien existieren sondern, dass alle Werke Originale sind. Es können zwar Referenzobjekte bestehen, zwischen den vermeindlichen Abbildungen und den Erstwerken existiere jedoch, wie auch zwischen den Medien selber, keinerlei Hierarchie. Diese Betrachtung unterscheidet sich stark von der Denkweise der Kunstgeschichte, in der das Original Hauptbetrachtungspunkt ist und die daher einer Abbildung nur sekundäre Bedeutung beimisst. Es scheint, als wäre die Orientierung am Original für die Kunstgeschichte, für die wissenschaftliche Betrachtung, im Museum und beim Verkauf von Kunst essentiell. Doch ist sie das wirklich? Immerhin arbeitet man im Endeffekt in der kunstgeschichtlichen Betrachtung oft nur mit Abbildungen und erzielt trotzdem wissenschaftliche Ergebnisse. Ist die Orientierung an Originalen überholt? Aber kann die Kunstgeschichte überhaupt existieren ohne das Leitbild des Originals?
Stellenwert des Originals
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Mit und gegen Benjamin argumentiert auch Prof. Dr. Horst Bredekamp 2010 in einem Gespräch zum Diskurs des »iconic turn«. Anders als es Benjamin 1936 in »Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit« konstatiert, ist Bredekamp der Ansicht, die Reproduktion transportiere und vergegenwärtige in gleicher Weise wie das Original dessen »Aura«. Die Gründe hierfür sieht er in der Materialität der (Ab)Bilder, deren Sinnlichkeit zum einen als Herausforderung für den Rezipienten wahrgenommen werden können und zum anderen immer wieder die Anwendung kunsthistorischer Analysewerkzeuge erlauben. Eine hierarchische Beziehung zwischen Reproduktion und Original negiert er.
In der Diskussion um die Frage, welcher Stellenwert Original und Abbildung in Bezug auf die Dokumentation im Museum beigemessen werden kann, sei auch auf den Vortrag des Kurators des Museums Lüneburg, Dr. Ulfert Tschirner zu verweisen, den er im Rahmen unseres Seminars hielt. Im seinem Beitrag zum Thema: „Mediale Konstellation: Museum, Photographie und Reproduktion“ verwies er am Beispiel des Germanischen Nationalmuseums auf den Stellenwert von Abbildung im Umgang mit Sammlungen im 19. Jahrhundert.
Im Unterschied zum 20. Jahrhundert wurde der Abbildung zur Erfassung der Sammlung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts und mit Beginn des Bilderrepertoriums eine hohe Bedeutsamkeit beigemessen. Um 1870 wird mithilfe der Möglichkeiten der Fotografie das Bilderrepertorium im Museum eingeführt, das wiederum den Beginn eines Musée Imaginaire einleitet. Dieser Begriff wird vor dem Hintergrund einer beginnenden fotografischen Katalogisierung von Ausstellungsobjekten im Museum von André Malraux eingeführt. Sammlungsobjekte werden nun mithilfe des Mediums der Fotografie und den damit verbundenen neuen Möglichkeiten naturgetreu abgebildet und archiviert. Dr. Ulfert Tschirner spricht in diesem Zusammenhang von einem Spiegel- und Gegenbild der in der Ausstellung präsentierten Sammlung, als welches das Bilderrepertorium im Museum agiert. Es spiegele demnach die eigene Sammlung und ermögliche als Gegenbild viele Möglichkeiten der Neuordnungen innerhalb der Sammlung aufzuzeigen. Die Ausarbeitung eines Ausstellungskonzepts fand nun einen neuen Ausgangspunkt. Anstatt ein Konzept ausgehend von den Objekten zu schaffen, wurde zunehmend mit den Abbildungen der Objekte gearbeitet. Interessant erscheint hierbei die Feststellung Dr. Tschirners, die er bei seinen Recherchearbeiten am Germanischen Nationalmuseum macht, dass die Bedeutung der Arbeit mit Abbildungen zu diesem Zeitpunkt in den Vordergrund, die Arbeit mit der Sammlung eher in den Hintergrund rückt. Interessant erscheint auch, dass die in der Graphischen Sammlung des Germanischen Nationalmuseum in Kapseln aufbewahrten Abbildungen heute als Unikate und kulturhistorische Originale behandelt werden.