Der Firnis, als finale Schicht im Aufbau eines Gemäldes legt schützend und stärkend seinen transluziden Umhang über die Farbe. Ob sich Künstler für den matten oder glänzenden letzten „Schliff“ an ihrem Werk entschieden, eine Potenzierung der farblichen und räumlichen Tiefenwirkung war in den meisten Fällen die Intension seines Einsatzes.
Aus restauratorischer Sicht wird heute ein Anspruch formuliert, den ursprünglich intendierten Effekt des Firnisses zu erhalten oder in Teilen wieder herzustellen. Über die Jahrhunderte hinweg waren aber auch eine Anpassung an den Zeitgeschmack erkennbar, dann, wenn ein glänzender durch einen matten, ein natürlicher durch einen synthetischen Firnis ersetzt oder um einen solchen erweitert wurde. Der eigentlichen Funktion wirkte in vielen Fällen, nicht nur der Lucca-Madonna im Städel, eine Politik der Restaurierung entgegen, die Firnis um Firnis auftrug, weniger, als dass solche mit veränderter Oberflächenwirkung in Teilen abgenommen wurden. Das Ergebnis ist, bezogen auf den heutigen Erhaltungszustand beispielsweise der Lucca-Madonna, eine etwa 5-7 Schichten dicke Firnisschicht.
Die Farbwirkung dieser Schichten arbeitet gegen die intendierte Leuchtkraft der Malereien: ein gelblicher Überzug schluckt in Teilen die Tiefenwirkung der Farbe.
Grenzen der fotografischen Reproduktionstechnik, wo das Auge filtern kann
In solchen und ähnlich gelagerten Fällen ist der Einsatz fotografischer Reproduktionen besonders diffizil: anders als das Auge kann die fotografische Linse diese Gelbwerte nicht ausgleichen oder mindern und lässt sie zum bestimmenden Faktor in der Wahrnehmung des Kolorits werden. Auch haben die unterschiedlichen fotografischen Reproduktionsmedien Einfluss auf den Gelbwert in der späteren Abbildung (Vgl.: Google Art Project/Städel Digitale Sammlung). Das Werk erscheint auf den Reproduktionen wie durch einen geblichen Filter „vernebelt“.
Die Frage um Original und Reproduktion und das Erleben eines Werks stellt sich dann kaum. Der Besucher, der einen van Eyck im Sinn hat, wird sich nicht mit einer verschleierten Reproduktion zufrieden geben wollen und auf ein anderes Kunsterlebnis vor dem Original hoffen.
https://digitalesammlung.staedelmuseum.de/index.html#/exhibit/Resource_museum_exhibit_Staedel_937
Interessant ist vor allem, dass beide Reproduktionen vom Städel autorisiert wurden und die Rechte auch bei diesem liegen. Zudem sind beide Projekte noch recht neu und die Reproduktionen in sehr hoher Qualität, so dass (auch laut Aussage des Museums) von einer Überprüfung der Reproduktionsgenauigkeit auszugehen ist. Könnte ein Grund für die „Farbanpassung“ eventuell in der Zielsetzung der Projekte liegen? Das Google Art Project mehr als Spektakel und weniger als Besuchsvorbereitung/-information.